Festival "Bayreuth Baroque":Raum für Raritäten

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Wenig bekannte Komponisten würdigte der Countertenor Jakub Józef Orliński zusammen mit dem Barockensemble Il Pomo d'Oro bei einem Abend im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. (Foto: bayreuth.media)

Der junge Countertenor-Star Jakub Józef Orliński bietet im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth ein berückend intimes Programm.

Von Klaus Kalchschmid, Bayreuth

Es ist immer wieder beglückend, in diesem wunderbar restaurierten, wohl größten und schönsten erhaltenen Barocktheater Europas, dem Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth, Musik aus der Entstehungszeit des Theaters zu lauschen. Das war wohl auch für Jakub Józef Orliński so, den jungen polnischen Countertenor-Shooting-Star, denn bestgelaunt begrüßte er das Publikum am Freitag "in this beautiful Theatre" mit "Hello everybody and Hallöchen!" Was folgte, war ein berückend intimes Programm mit Repertoire, das unter anderem auf der im Oktober erscheinenden CD "Anima Aeterna" des 30-Jährigen enthalten ist. Es ist die Fortsetzung seines ersten Albums "Anima Sacra" von 2018, das er ebenfalls geistlicher Musik des frühen 18. Jahrhundert gewidmet hatte.

Jetzt sang er mit Il Pomo d'oro unter Leitung von Francesco Corti absolute Raritäten aus Oratorien von heute so wenig bekannten Komponisten wie Georg Reutter der Jüngere ("La Betulia liberata") oder Francisco António de Almeida ("La Giuditta"). Oftmals erst in den von ihm zauberhaft schön und souverän verzierten Wiederholungen des ersten Teils dieser Dacapo-Arien kamen er und die Musik so richtig zu sich selbst. Dann durfte man wieder staunen über diese so charakteristisch weiche und doch immer männlich klingende, überaus schöne Altstimme. Sie gab den Marien-Ariettas eines Francesco Bartolomeo Conti oder Antonio Lotti und seiner Lieblingsarie "Non t'amo per il ciel" von Johann Josef Fux zur Begleitung einer Viola di bordone eine berückend keusche Sinnlichkeit. Dennoch hätte man sich auch mal ein wenig vom theatralisch effektvollen Furor gewünscht, mit dem tags darauf sein 40-jähriger Counter-Kollege, der Argentinier Franco Fagioli, in seiner Gala mit Opernarien von Leonardo Vinci das Opernhaus rockte.

Einmal gab es mit "A che si serbano" aus "Maria Vergine al Calvario" von Gaetano Maria Schiassi dann doch eine dramatische Furor-Arie, die Orlinski als Zugabe wiederholte, sowie den ersten Track aus "Anima Sacra": Nicola Fagos "Alla gente a Dio diletta" von 1709. Hier hatte er, auswendig singend, alle leichten Hemmungen abgelegt, die zuvor das Vergnügen etwas getrübt hatten, und wagte auch ein strahlendes Forte in der Höhe.

Nicht wenige warteten danach leider vergeblich auf den sieben Millionen mal geklickten, überaus charmanten Youtube-Hit, der bereits in "Moffie" zu Filmmusik geworden ist: Vivaldis "Il mio diletto", aufgenommen im Freien in Aix-en-Provence in kurzer Hose und Holzfällerhemd!

Zum Nachhören

Mehrere Konzerte des hochkarätigen Festivals "Bayreuth Baroque", das heuer zum zweiten Mal stattfand, sind noch on demand oder im Fernsehen zu sehen. So wird die Vinci-Gala am 3. Oktober auf ARD-Alpha gesendet; der charmant präsentierte bunte Abend mit "Barock-Lady Gaga" Simone Kermes unter dem Titel "Canzonetta d'amore" ist bis Anfang Oktober auf arteconcert zu sehen, wie auch die Wiederaufnahme von "Carlo il Calvo". Die großartige Produktion der Oper von Nicola Porpora konnte schon im vergangenen Jahr trotz Pandemie-Bedingungen ungekürzt über die Bühne gehen. Hier kann man ebenfalls Fagioli erleben und Festivalleiter Max Emanuel Cencic, der auch Regie führte, sowie Julia Lezhneva und den männlichen Sopran Bruno de Sá. Er wird am 16. September bei den Gluck-Festspielen in Fürth die Titelpartie der für Parma komponierten Kastraten-Fassung von "Orfeo ed Euridice" singen.

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