Der bayerische Verfassungsschutz untersucht derzeit, ob beziehungsweise inwieweit das Haus der Kunst von Scientology unterwandert ist. Konkret geht es um die Arbeit eines führenden Mitarbeiters, der für die Personalverwaltung zuständig ist, obwohl er bei dem Museum noch nicht einmal fest angestellt ist. Der Mann soll bekennendes Mitglied bei Scientology sein.
Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU), der Aufsichtsratsvorsitzender des Hauses der Kunst ist, bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass der Verfassungsschutz eingeschaltet worden ist. Ein abschließender Bericht liege noch nicht vor. Zugleich sei eine externe Personalberatung damit beauftragt, die Verwaltung des Museums zu untersuchen und Empfehlungen für eine Neuorganisation zu geben. "Uns ist mehr als bewusst, wie ernst die Lage ist", sagte Spaenle.
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Der mutmaßliche Scientologe fungiert im Museum nach wie vor als Personalverwalter, aber im Status eines freien Mitarbeiters. Trotz mehrfacher Anfragen äußerte er sich bislang gegenüber der SZ nicht zu den Vorwürfen. Bei einem Telefonat mit der SZ übergab er den Hörer einer Kollegin. Sie machte die SZ später auf eine "Solidaritätsbekundung" aufmerksam, bei der am Freitagabend 18 Kollegen, vornehmlich aus dem Kreis des Aufsichtspersonals, vor dem Haus der Kunst demonstrierten.
Der Mann, der nun im Fokus des Interesses steht, kam nach Angaben der Kaufmännischen Leitung bereits 1995 ins Haus der Kunst. Nach SZ-Informationen wurde er damals als externer Mitarbeiter für die Lohnbuchhaltung verpflichtet. Dass bayerische Museen Aufgaben an externe Mitarbeiter und Firmen vergeben, ist üblich. Ungewöhnlich ist aber, wie viele Aufgaben und Kompetenzen der Mann erhielt. Im Laufe der Zeit wurde er Personalverwalter, der offenbar über Einstellungen, insbesondere für den Wachdienst, selbständig entscheiden konnte, Schichtpläne erstellte und Dienste verteilte. "Alles läuft über seinen Schreibtisch, kaum jemand von uns ist nicht von ihm eingestellt worden", sagten Mitarbeiter, die am Freitagabend am Haus der Kunst demonstrierten. Der Mann sei der eigentliche Personalchef des Museums - was einigen offenbar nicht passe. Deshalb werde nun eine "Schmutzkampagne" gegen ihn gestartet.
Mitarbeiter, die dem Personalverwalter gegenüber kritisch eingestellt sind, sehen das anders: Er habe sich zunutze gemacht, dass die Geschäftsleitung ihn weitgehend habe gewähren lassen. Von einem dezidierten Belohnungs- und Bestrafungssystem unter den Mitarbeitern ist die Rede. 2014 gründete sich erstmals ein Betriebsrat im Haus der Kunst. Der habe sich in der Folgezeit in mehreren Briefen und persönlichen Gesprächen an Aufsichtsratsmitglieder gewandt, um auf die Situation aufmerksam zu machen, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Im November 2015 gab es sogar eine sogenannte Kollektivbeschwerde: Dabei wendeten sich mehrere Dutzend Angestellte gemeinsam an die Geschäftsleitung, um auf die schlechte Behandlung von Mitarbeitern und verschiedene, extreme Arbeitsbelastungen hinzuweisen.
Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Minister Spaenle, bestätigt denn auch, dass sein Gremium Ende 2015 erstmals von den Vorwürfen gehört habe. Im Juli 2016 wandte sich der Betriebsrat erneut mit einem Schreiben an Aufsichtsratsmitglieder. In diesem Brief, der der SZ vorliegt, werden schwere Vorwürfe wiederholt. Wörtlich heißt es: "All diese Themen leiten hin zur Führungsebene des Hauses: Dort werden grobe Missstände sowie die Verletzung der menschlichen Würde geduldet."
Im selben Monat habe der Aufsichtsrat eine umfassende Aufklärung durch die Geschäftsleitung gefordert, sagt Spaenle. So habe die Geschäftsleitung um Direktor Okwui Enwezor selbst Erklärungen ablegen müssen, nichts mit Scientology zu tun zu haben. Entsprechende Erklärungen sollte die Leitung auch von Mitarbeitern einholen. Bereits im September sei das Thema erneut im Aufsichtsrat behandelt worden, so der Kunstminister: Man sei keineswegs mit dem Bericht der Geschäftsleitung zufrieden gewesen und habe unmissverständlich klarere Antworten und eine Nachbesserung gefordert. Die Folgen: Eine externe Personalberatung sei hinzugezogen worden - und der Verfassungsschutz.
Die Behörde sei "in diesem Bereich tätig", um gegebenenfalls "auf rechtlich sicherem Boden" gegen Scientology vorzugehen, sagt Spaenle. Die Personalberatung solle helfen, eine "Neuorganisation" vorzubereiten. Denn der Fall ist nicht nur wegen der möglichen Scientology-Mitgliedschaft heikel. Dem Haus der Kunst droht auch noch Ärger wegen möglicher Scheinselbständigkeit: Ein Personalverwalter, der als Externer und im Status eines freien Mitarbeiters arbeitet, sei zumindest ungewöhnlich. "Es wäre nichts unangenehmer, als vor Gericht gegen Scientology zu verlieren", sagt Spaenle.
Er rechnet in den nächsten Wochen mit Ergebnissen der Untersuchungen. Die nächste Aufsichtsratssitzung finde turnusgemäß zwar erst im Juli statt, zuvor werde es aber eine eigene Vorstandsklausur zu diesen Themen geben. Der kulturpolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Isabell Zacharias, dauert das alles zu lange. Sie spricht von einem "Skandal", der offenbar vertuscht werden solle. Das weist Ludwig Spaenle zurück: Eben weil die Situation so heikel sei, könne man die Debatte "nicht auf dem offenen Markt" austragen. Gerade die "bestimmte Situation des Hauses der Kunst" mit seiner faschistischen Vergangenheit mache den Fall so besonders.
Der Betriebsrat hat zu den jüngsten Entwicklungen eine Erklärung herausgegeben: "Unsere Aufgabe als Betriebsrat ist es, uns für das Wohlergehen der festangestellten Kolleginnen und Kollegen einzusetzen und darauf zu achten, dass die Leitung des Hauses sich gesetzeskonform verhält." Auch zum Punkt der Scheinselbständigkeit äußert er sich: "Die Beauftragung externer Dienstleister und deren Rechtmäßigkeit liegt in der Verantwortung der Leitung des Hauses. Jedoch halten wir es für angebracht, dass Personalangelegenheiten in einem staatlich geführten Haus von internationaler Bekanntheit mit sensibler Vergangenheit einer Fachkraft in Festanstellung anvertraut werden."
Okwui Enwezor und der kaufmännische Leiter des Hauses der Kunst, Marco Graf von Matuschka, erklärten der SZ, sie hätten stets "gesetzeskonform" gehandelt. Mögliche Differenzen mit dem Betriebsrat seien im Rahmen der üblichen Auseinandersetzungen in Unternehmen zu sehen. Enwezor betont darüber hinaus, dass das Beschäftigungsverhältnis mit der betreffenden Person "schon länger existiert, als die erst 1996 in Bayern eingeführten Selbstauskünfte zum Thema Scientology". Angestellte im Öffentlichen Dienst werden aufgefordert, diese auszufüllen, wenn sie neue Verträge unterzeichnen. Bei ihm selbst beispielsweise habe ursprünglich, 2011, aber niemand darauf gedrungen. Das Formular sei ihm erst vor einigen Monaten vorgelegt worden.