Museum:Verfassungsschutz ermittelt im Münchner Haus der Kunst

Haus der Kunst in München, 2016

"Grobe Missstände" und "Verletzung der menschlichen Würde": Der Betriebsrat erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung des Hauses der Kunst.

(Foto: Johannes Simon)
  • Schon seit 1995 arbeitet für das Haus der Kunst ein Mann, der Scientologe sein soll.
  • Der bayerische Verfassungsschutz untersucht nun, ob die Sekte das Museum unterwandert hat.
  • Es ist nicht das einzige Problem des Hauses, bei dem angesichts seiner Geschichte besondere Sensibilität zu erwarten wäre.

Von Susanne Hermanski und Christian Krügel

Der bayerische Verfassungsschutz untersucht derzeit, ob beziehungsweise inwieweit das Haus der Kunst von Scientology unterwandert ist. Konkret geht es um die Arbeit eines führenden Mitarbeiters, der für die Personalverwaltung zuständig ist, obwohl er bei dem Museum noch nicht einmal fest angestellt ist. Der Mann soll bekennendes Mitglied bei Scientology sein.

Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU), der Aufsichtsratsvorsitzender des Hauses der Kunst ist, bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass der Verfassungsschutz eingeschaltet worden ist. Ein abschließender Bericht liege noch nicht vor. Zugleich sei eine externe Personalberatung damit beauftragt, die Verwaltung des Museums zu untersuchen und Empfehlungen für eine Neuorganisation zu geben. "Uns ist mehr als bewusst, wie ernst die Lage ist", sagte Spaenle.

Der mutmaßliche Scientologe fungiert im Museum nach wie vor als Personalverwalter, aber im Status eines freien Mitarbeiters. Trotz mehrfacher Anfragen äußerte er sich bislang gegenüber der SZ nicht zu den Vorwürfen. Bei einem Telefonat mit der SZ übergab er den Hörer einer Kollegin. Sie machte die SZ später auf eine "Solidaritätsbekundung" aufmerksam, bei der am Freitagabend 18 Kollegen, vornehmlich aus dem Kreis des Aufsichtspersonals, vor dem Haus der Kunst demonstrierten.

Der Mann, der nun im Fokus des Interesses steht, kam nach Angaben der Kaufmännischen Leitung bereits 1995 ins Haus der Kunst. Nach SZ-Informationen wurde er damals als externer Mitarbeiter für die Lohnbuchhaltung verpflichtet. Dass bayerische Museen Aufgaben an externe Mitarbeiter und Firmen vergeben, ist üblich. Ungewöhnlich ist aber, wie viele Aufgaben und Kompetenzen der Mann erhielt. Im Laufe der Zeit wurde er Personalverwalter, der offenbar über Einstellungen, insbesondere für den Wachdienst, selbständig entscheiden konnte, Schichtpläne erstellte und Dienste verteilte. "Alles läuft über seinen Schreibtisch, kaum jemand von uns ist nicht von ihm eingestellt worden", sagten Mitarbeiter, die am Freitagabend am Haus der Kunst demonstrierten. Der Mann sei der eigentliche Personalchef des Museums - was einigen offenbar nicht passe. Deshalb werde nun eine "Schmutzkampagne" gegen ihn gestartet.

Mitarbeiter, die dem Personalverwalter gegenüber kritisch eingestellt sind, sehen das anders: Er habe sich zunutze gemacht, dass die Geschäftsleitung ihn weitgehend habe gewähren lassen. Von einem dezidierten Belohnungs- und Bestrafungssystem unter den Mitarbeitern ist die Rede. 2014 gründete sich erstmals ein Betriebsrat im Haus der Kunst. Der habe sich in der Folgezeit in mehreren Briefen und persönlichen Gesprächen an Aufsichtsratsmitglieder gewandt, um auf die Situation aufmerksam zu machen, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Im November 2015 gab es sogar eine sogenannte Kollektivbeschwerde: Dabei wendeten sich mehrere Dutzend Angestellte gemeinsam an die Geschäftsleitung, um auf die schlechte Behandlung von Mitarbeitern und verschiedene, extreme Arbeitsbelastungen hinzuweisen.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Minister Spaenle, bestätigt denn auch, dass sein Gremium Ende 2015 erstmals von den Vorwürfen gehört habe. Im Juli 2016 wandte sich der Betriebsrat erneut mit einem Schreiben an Aufsichtsratsmitglieder. In diesem Brief, der der SZ vorliegt, werden schwere Vorwürfe wiederholt. Wörtlich heißt es: "All diese Themen leiten hin zur Führungsebene des Hauses: Dort werden grobe Missstände sowie die Verletzung der menschlichen Würde geduldet."

Im selben Monat habe der Aufsichtsrat eine umfassende Aufklärung durch die Geschäftsleitung gefordert, sagt Spaenle. So habe die Geschäftsleitung um Direktor Okwui Enwezor selbst Erklärungen ablegen müssen, nichts mit Scientology zu tun zu haben. Entsprechende Erklärungen sollte die Leitung auch von Mitarbeitern einholen. Bereits im September sei das Thema erneut im Aufsichtsrat behandelt worden, so der Kunstminister: Man sei keineswegs mit dem Bericht der Geschäftsleitung zufrieden gewesen und habe unmissverständlich klarere Antworten und eine Nachbesserung gefordert. Die Folgen: Eine externe Personalberatung sei hinzugezogen worden - und der Verfassungsschutz.

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