Verlag Hans im Glück:Das Haus der Spiele

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Geschäftsführer Moritz Brunnhofer mit Brettspielen aus seinem Verlag. An seiner Seite: die schwarze Holzfigur, ein sogenannter "Meeple". (Foto: Florian Peljak)

Von "Carcassonne" bis "Planet B": Der Münchner Verlag Hans im Glück ist seit 40 Jahren mit Brettspielen erfolgreich. Moritz Brunnhofer über Klassiker und Neuheiten aus der Firma, die sein Vater einst in einer Garagenwerkstatt gründete.

Von Barbara Hordych

Auch wenn der Spieleverlag "Hans im Glück" seit 1983 existiert und bereits in den 80er Jahren gleich zweimal auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres landete, "begann der richtige Aufschwung vor rund zwanzig Jahren mit ,Carcassonne'", sagt Moritz Brunnhofer. Das Legespiel wurde 2001 zum "Spiel des Jahres" gekürt und ist bis heute mit 16 Millionen verkauften und in 30 Sprachen übersetzten Exemplaren - vom Grundspiel über Erweiterungen bis zu sogenannten Spin-offs - das erfolgreichste Spiel des Hauses.

Sogar eine Wortschöpfung ging mit dem Spiel einher, sie bezieht sich auf die kleinen, die Spieler repräsentierenden Holzfiguren, die erst mit der Platzierung auf verschiedenen Feldern des Spiels zu Rittern, Reisenden, Mönchen, Bäuerinnen oder Händlern werden. "Meeple" nannte eine Userin diese von Moritz Brunnhofers Vater Bernd entworfenen Figuren nach ihrem Erstauftritt in Diskussionen in einem Spiele-Forum, zusammengezogen aus "my" (meine) und "people" (Leute, Menschen). Und dann passierte etwas sehr Seltenes: "Der Begriff wurde in den Spielerjargon übernommen, der ,Meeple' entwickelte sich zum Gattungsnamen, auch im Kontext von Spielen, die gar nichts mit uns zu tun haben", erklärt Brunnhofer.

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Längst liegt der Sitz des Verlages nicht mehr in einer Garagenwerkstatt im Hinterhof wie in den Anfangsjahren, in denen sein Vater Bernd, der als Soziologiedozent an der TU München unterrichtete, zunächst nebenberuflich Spiele entwickelte und in Handarbeit herstellen ließ. Heute verteilen sich ein Dutzend Mitarbeiter, darunter auch die Spieleentwickler und -tester, in den Verlagsräumen in der Infanteriestraße. Dort zieht Moritz Brunnhofer, der 2008 in den Verlag einstieg und ihn seit 2017 als alleiniger Geschäftsführer leitet, jetzt prämierte Klassiker und jüngst erschienene Neuheiten des Familienunternehmens aus den Regalen - darunter "El Grande", "Stone Age Junior", "St. Petersburg" und "Paleo".

Das Grundspiel "Carcassonne" mit seinen elf Erweiterungen ist bis heute das "Butter- und Brot-Geschäft" des Verlags. (Foto: Hans im Glück Verlag)

Sie ergeben einen beachtlichen Stapel auf dem Tisch, ganz oben thront das Legespiel Carcassonne, das mit seinen viereckigen Plättchen in ein mittelalterliches Setting entführt. Die Idee kam Autor Klaus-Jürgen Wrede, als er den Weg des Kreuzzuges gegen die Katharer, die als Ketzer von der Inquisition bekämpft wurden, bis zur titelgebenden Stadt im Languedoc nachfuhr. Auf dem Tisch befinden sich gleich mehrere Spin-offs, "Carcassonne Junior" etwa, oder das gerade auf den Markt gebrachte "Nebel über Carcassonne". Da ist ganz Carcassonne von einem dichten Nebel verschluckt, sogar die tapfersten Ritter zittern, wenn sie die Erzählungen hören von den Seelen der Katharer, die kommen, um Gerechtigkeit zu erfahren. Um wieder Frieden in Carcassonne herzustellen, müssen die Spielenden gemeinsam die rastlosen Geister besänftigen.

"Es ist das erste kooperative Spiel in der Welt von Carcassonne, die vorangegangenen funktionierten nach dem kompetitiven Prinzip, also als Wettstreit unter den Spielern", erklärt Brunnhofer. Das Basisspiel mit seinen zahlreichen Erweiterungen und Spin-Offs sei "bis heute das Butter- und Brotgeschäft" des Verlags, sagt Brunnhofer. Ehrensache also, dass sein Verlag im vergangenen Sommer - mit pandemiebedingt zweijähriger Verspätung - den 20. Geburtstag von Carcassonne in Carcassonne feierte, mit Geschäftspartnern aus der ganzen Welt, und natürlich auch dem Spieleautor Wrede.

Vergriffene Erweiterungen zu Basis-Spielen erzielen auf dem Sekundärmarkt hohe Preise

Während Prequels, Sequels und sogenannte Spin-offs bei Filmen mitunter von Fans und Kritikern eher misstrauisch beäugt werden, verhält es sich bei Spielen ganz anders. "Wenn ein Spiel erfolgreich ist, schicken die Leute sogar eigene Ideen für Erweiterungen ein", sagt Brunnhofer. Die jüngst erschienene Mega-Box zu dem strategischen Brettspiel-Schwergewicht "Ultimate Railroads" enthält beispielsweise alle, auch längst vergriffene Erweiterungen des Grundspiels "Russian Railroads" um den Eisenbahnbau im Zarenreich. Entsprechend sehnsüchtig wurde die Box denn auch von den Fans erwartet, für die vergriffenen Erweiterungen waren zuvor hohe Preise auf dem Sekundärmarkt gezahlt worden.

Gibt es auch Erweiterungen, die abgelehnt werden? "Ja, wir hatten mit ,Katapult' einmal eine Art Spaß-Erweiterung von Carcassonne; bei ihr schleuderte man Plättchen auf die Spielfläche. Das mochten die Spieler aber gar nicht, weil ihre sorgfältig zusammengepuzzelten Landschaftskarten mit Wiesen, Wegen, Städten und Klöstern durcheinander gerieten", sagt Brunnhofer. Die siebte Erweiterung "Katapult" werde nicht mehr hergestellt, sie sei nicht positiv und sinnvoll genug.

Eine Ampel mit rot, gelb und grün soll anzeigen, wie aufwendig Regelwerk und Anleitung sind

In den vergangenen vier Jahrzehnten entwickelte sich der kleine, heute "mittelgroße", wie Brunnhofer ihn nennt, Hans im Glück Verlag zu einem der meist ausgezeichneten Spieleverlage in Deutschland. "Dabei sind wir in der Game-Community bekannt für anspruchsvolle Spiele".

So hat 2021 das Steinzeit-Spiel "Paleo" den Preis "Kennerspiel des Jahres" gewonnen. Auch dies ein kooperatives Spiel, bei dem es gilt, den eigenen Stamm mit Nahrung zu versorgen. Damit dies gelingt, braucht es passende Werkzeuge und die Hilfe der Mitspieler. "Über die Auszeichnung haben wir uns extrem gefreut; trotzdem sehe ich die Wortwahl 'Kennerspiel' als etwas unglücklich an", so Brunnhofer. Der Preis generiert im Handel zwar Aufmerksamkeit, lässt die Interessenten aber eher ratlos davor stehen: "Bin ich ein Kenner, ist dieses Spiel etwas für mich?" sei dann das große Fragezeichen, das man über dem Kopf habe, sagt Brunnhofer.

Deshalb ist auf den Spielen seines Verlages inzwischen eine sogenannte Ampel abgedruckt. Die zeigt zwischen grün, gelb und rot an, wie aufwendig das Regelwerk und die Anleitung sind. "Rot ist dann ein Spiel, das für die Freaks, die zwei-bis dreimal in der Woche spielen, leicht ist; für andere, die nur ,Mensch ärger dich nicht' und ,Yatzy' spielen, ist das aber zu kompliziert", so Brunnhofer. Dabei arbeiten er und sein Team sehr lange an Spielanleitungen, bei denen niemand "Angstgedanken" haben müsse. "Selbst wenn sie zehn Seiten umfassen, sind sie mit Bildern und Absätzen sehr gut strukturiert und verständlich formuliert", sagt Brunnhofer.

"Zwei Seiten zu viel Regeln" trennten Stone Age vom Titel "Spiel des Jahres 2008"

Das Steinzeitspiel "Stone Age" stand auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres - aber erst sein Junior-Ableger gewann acht Jahre später einen Titel. (Foto: Hans im Glück Verlag)

Ähnlich wie bei der Genese des Begriffs "Meeple" war der Hans im Glück Verlag auch an der Prägung der Auszeichnung "Kennerspiel des Jahres" unmittelbar (wenn auch unwillentlich) beteiligt. Den Anstoß gab das Spiel "Stone Age", das sein Vater Bernd unter seinem Autorenpseudonym "Michael Tummelhofer" entworfen hatte. Das Spiel stand 2008 auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres, zog letztendlich aber den Kürzeren. "Man redet ja miteinander, und die Mitglieder der Jury erzählten uns im Nachhinein, dass sie sich gegen Stone Age entschieden hätten, weil der Umfang der Spielregeln zu komplex war, es hätten zwei Seiten weniger sein müssen".

Damit dies künftig kein Hinderungsgrund mehr sei, wurde im Jahr darauf neben dem "Spiel des Jahres" und dem "Kinderspiel des Jahres" die neue Auszeichnung "Kennerspiel des Jahres" geschaffen. Die der Hans im Glück Verlag aber erst einige Jahre später mit "Paleo" gewann. Dafür errang "Stone Age Junior" von Marco Teubner, das zweite Kinderspiel des Verlags überhaupt, 2016 den Titel "Kinderspiel des Jahres": Moderne Eiszeitkinder bekommen Rohstoffe, gehen in den Tauschhandel oder bauen Hütten.

Zweite Chance für die Menschheit

Planet A, die Erde, ist zerstört. Die Menschheit darf von vorne beginnen - auf Planet B. Scheint aber nur wenig dazu gelernt zu heben. (Foto: Hans im Glück Verlag)

Für 2023 macht sich Brunnhofer nicht viel Hoffnung auf eine Auszeichnung. ",Nebel über Carcassone' betrachte ich zwar als eigenständiges Spiel, es könnte aber wegen des bekannten Namens als Spin-off gewertet werden und nicht in Frage kommen", sagt Brunnhofer. "Planet B" indes, die große Neuheit des Verlags und ein Erstlingswerk seines Redakteurs Johannes Natterer, "könnte im Rennen sein, ist aber wieder ein sehr komplexes und eher zynisches Spiel um Reichtum und Macht für Spieler ab 14 Jahren", so Brunnhofer.

Vom Setting her ist es ein Science-Fiction-Spiel, in dem Planet A, die Erde, zerstört ist. Stattdessen können die Spieler auf Planet B von vorne beginnen: indem sie die Rollen von korrupten Gouverneuren und Präsidentinnen übernehmen, die Staatsgelder zur Erreichung ihrer persönlichen Ziele missbrauchen und Gesetze erlassen, die ihren Zwecken dienen. Ob die Menschheit ihre zweite Chance zu nutzen versteht, bleibt also fraglich. Der Tacho auf dem Deckel zeigt "rot" an. Was aber versierte Spieler eher motivieren dürfte.

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