WM-Spielort:Als München noch Handball-Stadt war

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Von den Siebzigern bis in die Neunziger gab es Erstliga-Handball in München beim TSV Milbertshofen. (Foto: imago sportfotodienst)
  • München ist einer der Spielorte der Handball-WM. Damit steht eine Sportart im Fokus, die es sonst in der Stadt eher schwer hat.
  • Wie groß die Sehnsucht ist, zeigte sich schon im Juni, als knapp 10 000 Zuschauer in die Olympiahalle kamen.
  • Nun soll der Handball im fußballdominierten München von der WM profitieren.
  • Die hiesigen Vereine tummeln sich nur in den unteren Ligen - das hat in den Achtziger- und Neunzigerjahren noch ganz anders ausgesehen.

Von Ralf Tögel

Die Handball-Weltmeisterschaft hat begonnen, Gastgeber sind Deutschland und Dänemark - und München ist dabei. Die Landeshauptstadt ist neben Berlin, Hamburg und Köln einer der vier deutschen Spielorte, die Skandinavier setzen auf Kopenhagen und Herning. Der Zuschlag des Deutschen Handballbundes für München hat im Vorhinein besonders im Norden der Republik Stirnrunzeln hervorgerufen, denn hochklassiger Handball ist in Südbayern nicht präsent.

Genau dies jedoch war ein Grund für die Entscheidung des Deutschen Handballbunds (DHB), der die Sportart in dieser Region mit dem Besuch der Weltklasse wieder in den Fokus rücken will. Wie groß die Sehnsucht ist, offenbarte schon der Doppel-Länderspieltag im Juni, als knapp 10 000 Zuschauer den Weg in die Olympiahalle fanden, wohlgemerkt an einem Wochentag. Zwar bestreitet die deutsche Auswahl ihre Vorrundenspiele in Berlin, München indes hat ebenfalls starke Mannschaften zu bieten - die vielleicht sogar besser sind als der Gastgeber.

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Von den Siebzigern bis in die Neunziger...

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...gab es Erstliga-Handball in München (TSV Milbertshofen).

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Die drei Olympioniken des MTSV Schwabing, Michael Roth, Zdravko Radjenovic und Uli Roth wurden nach ihrer Rückkehr 1984 von Stadtrat Thomas Zimmermann begrüßt.

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(Foto: imago/WEREK)

Erhard Wunderlich, der "Handballspieler des Jahrhunderts", spielte für Milbertshofen.

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(Foto: imago sportfotodienst)

Zdravko Radjenovic feierte mit dem MTSV Schwabing 1986 den Pokalsieg.

Um sich an höherklassigen Handball in München zu erinnern, muss man ein ganzes Stück in die Vergangenheit blicken. In die Achtziger- und Neunzigerjahre, als der MTSV Schwabing deutscher Vizemeister war und den DHB-Pokal gewann. Der Klub formte mit den Roth-Zwillingen Michael und Uli zwei Olympia-Silbermedaillengewinner, Teamkollege Zdravko Radjenovic gewann mit Jugoslawien 1984 in Los Angeles sogar Gold. Es gab elektrisierende Derbys in der Rudi-Sedlmayer-Halle gegen den TSV Milbertshofen, ein Stadtrivale, der mit Erhard Wunderlich gar den "Handballspieler des Jahrhunderts" in seinen Reihen hatte. Auch Milbertshofen war Meisterschaftszweiter und Pokalsieger, entsandte mit Jan Holpert und Hendrik Ochel neben Wunderlich weitere Olympiateilnehmer auf die Platte. Beide Vereine wurden durch eine Insolvenz von der Handball-Landkarte der Spitzenteams gefegt. Und heute? Spielt Milbertshofen Bezirksoberliga, Schwabing Bezirksliga. Und die Rudi-Sedlmayer-Halle heißt Audi Dome und ist eine Arena für Basketballer.

Die grausame Wahrheit ist: Der hochklassige Handball liegt in München am Boden. Immerhin gibt es mit den Männern des TuS Fürstenfeldbruck und den Frauen des HCD Gröbenzell zwei Klubs, die in der dritten Liga spielen, beides indes Vereine aus der Peripherie der Landeshauptstadt. Dort hält man sich seit Jahren mit leidenschaftlichem und ehrenamtlichem Einsatz an der Schwelle zur Bundesliga, die HCD-Frauen waren zwischenzeitlich sogar für ein Jahr zweitklassig. Profis sind in München aber weiterhin nur zu Besuch, das zwar einigermaßen regelmäßig, doch fernab von jedem offiziellen Spielbetrieb. Ein paar Jahre richtete die Olympiapark München GmbH (OMG) den Supercup aus, letztmals 2012, der ebenfalls kein ruhmreiches Ende fand. Ein Dachschaden in der Olympiahalle zwang die OMG zum Ausweichen in die Eishalle, was allein logistisch in einer wahren Meisterleistung endete, der Supercup ging fortan an andere Städte.

Bleibt die Nationalmannschaft, die den Handball in München weiland erst wachküsste. 1972 war das, bei den Olympischen Spielen, als Hallenhandball erstmals ins Programm kam. Dieses rasante Mannschaftsspiel mit den vielen Toren gefiel den Zuschauern, seither ist Handball fester Bestandteil der Sommerspiele, auch in der Landeshauptstadt nahm der Sport Fahrt auf. Die deutsche Auswahl ist nach wie vor zu Gast, 2007 etwa fand die WM-Generalprobe gegen Ägypten in München statt, die wurde zwar verpatzt, das Wintermärchen nahm dennoch dort seinen Anfang. Die WM-Vorbereitung im Übrigen fand in Herrsching statt, Trainer Heiner Brand erinnert heute noch gerne an den Geist vom Ammersee.

Wie der Handball im fußballdominierten München von der WM profitieren kann?

Nun soll also erneut eine WM den Handballstandort München wiederbeleben. Weltklassespieler werden zu bewundern sein, allen voran vom aktuellen Europameister Spanien. Im Januar noch hatten die Spanier als Titelverteidiger erst Deutschland in der Hauptrunde aus dem Turnier befördert, dann den Weltmeister Frankreich im Halbfinale entzaubert und auch den Schweden im Finale keine Chance gelassen. Neben Spanien zählen auch die Kroaten zu den Titelmitfavoriten, der zweimalige Olympiasieger ist im Übrigen der erklärte Stimmungsfavorit. Die Kroaten stellen zum einen die größte Bevölkerungsgruppe eines EU-Landes in der Landeshauptstadt, die Fans sind zudem als besonders enthusiastisch und emotional bekannt. Bleibt noch Island: Eine Nation mit nicht einmal 340 000 Einwohnern, in München leben viermal so viele Menschen, dafür aber mit einer riesigen Handballtradition gesegnet.

Und nicht wenigen Erfolgen, wie beispielsweise EM-Bronze und Olympia-Silber. Angesichts der hochkarätigen Konkurrenz in der München-Gruppe geht es für die Isländer zuvorderst darum, sich die Olympiaqualifikation zu sichern. Dafür sollte man tunlichst die Hauptrunde erreichen, wofür einer der drei ersten Plätze vonnöten ist. Mazedonien wird Ähnliches im Sinn haben, allein Kiril Lazarov, einer der ganz großen Spieler des europäischen Handballs, dürfte ein Erlebnis werden. Bahrain und Japan muss man als Exoten sehen, wobei das Team aus Japan einen ganz besonderen Akteur dabei hat: Trainer Dagur Sigurdsson, der Deutschland zum EM-Titel 2016 in Polen geführt hat - und sich anschließend zur großen Enttäuschung des DHB nach Japan verabschiedete.

Wie der Handball im fußballdominierten München von der WM profitieren kann? Dominik Klein erklärt das, der als Linksaußen Teil des Weltmeisterteams von 2007 war, im Sommer noch Champions League für Nantes spielte und seither in München lebt. "Die Kinder und Jugendlichen können ihre Vorbilder sehen und ihnen dann im Verein nacheifern", sagt Klein, nach dem Vorbild des Tennisbooms durch Boris Becker. Dann gehe es um Nachhaltigkeit: "Die Kinder müssen erst begeistert und dann von guten Trainern ausgebildet werden." Das ist der erste Schritt, damit München sich irgendwann wieder mit Profi-Handball schmücken kann.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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