Haidhausen:Gedenktafel für die "Weiße Rose" wird abmontiert

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  • An der Orleansstraße hängt eine Gedenktafel für die Widerstandsgruppe "Weiße Rose".
  • Sie ist kaum sichtbar und in einem schlechten Zustand.
  • Der Bezirksausschuss will das nun ändern.

Von Wolfgang Görl

Sie ist eine der am besten versteckten Erinnerungsstätten Münchens. Und sie ist in einem beklagenswerten Zustand. Die Rede ist von der Gedenktafel für die Widerstandsgruppe "Weiße Rose", welche man vor drei Jahren an einem Zaun an der Orleansstraße nahe dem Ostbahnhof angebracht hat.

Auf der Tafel sind zwei berühmte Fotos zu sehen: Das eine zeigt Hans und Sophie Scholl zusammen mit Christian Probst; eine Art Ikone ist dieses Bild, das drei junge Leute mit sehr ernster Miene zeigt, so als ahnten sie, welches Schicksal sie erwartete. Auf dem zweiten Foto stehen mehrere Wehrmachtssoldaten im Vordergrund, zu erkennen sind Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf und Hubert Furtwängler. Hinter einem Zaun steht Sophie Scholl, in der Hand eine Blume.

Es ist eines von mehreren Bildern, die der Medizinstudent Jürgen Wittenstein am 23. Juli 1942 aufgenommen hat - an der Stelle, an der heute die Erinnerungstafel hängt.

70. Jahrestag der Verhaftung der Geschwister Scholl
:Für die Überzeugung in den Tod

Mit gerade einmal 21 und 24 Jahren werden sie mit dem Fallbeil hingerichtet: Die Geschwister Scholl lehnten sich mit all ihrer Kraft gegen das Nazi-Regime auf - und bezahlten dafür mit dem Leben. Heute vor 70 Jahren wurden sie in der Münchner Universität verhaftet.

Es ist nicht leicht, die Gedenktafel, die auf privaten Grund an der Innenseite des Zauns hängt - für die Außenseite fehlte die Erlaubnis -, zu finden; fast unmöglich ist es, die Inschrift vollständig zu lesen. Feuchtigkeit ist eingedrungen und zersetzt sukzessive die auf eine Alu-Dibond-Platte gedruckten Buchstaben und Bilder. Wenn nichts geschieht, wird die Tafel eines Tages aussehen wie ein abstraktes Kunstwerk. Doch es wird etwas geschehen.

Der Gedenkort an der Orleansstraße geht auf eine Idee des Politikwissenschaftlers und Autors Werner Thiel zurück, der zehn Jahre lang für das Projekt geworben hat. Thiel ist entsetzt, in welchem Zustand sich die Bildtafel heute befindet, und stellt fest: Die "unverzügliche Renovierung ist dringend notwendig". Für Thiel sind das Foto und der Ort, an dem es geschossen wurde, von besonderer historischer Bedeutung.

Es ist eines der wenigen Gruppenbilder der "Weißen Rose", und es zeigt einen wichtigen Moment. An diesem 23. Juli 1942 verabschiedet Sophie Scholl ihren Bruder und dessen Kameraden, die in den Krieg ziehen. Sie warten auf den Zug, der sie an die Ostfront bringen soll, wo sie als angehende Ärzte in den Semesterferien Militärdienst leisten müssen.

Hans Scholl und Alexander Schmorell hatten zu diesem Zeitpunkt bereits vier Flugblätter gegen die NS-Politik verfasst und in kleiner Auflage verschickt. Nach der Rückkehr von der Ostfront im Spätherbst setzten sie ihre subversiven Aktionen verstärkt fort. Auch Willi Graf gehörte nun der Widerstandsgruppe an, ebenso Sophie Scholl, Christoph Probst und Professor Kurt Huber. Sie alle wurden in heute als rechtswidrig geltenden Prozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hubert Furtwängler, der ebenfalls auf dem Foto zu sehen ist und der diskret mit dem Widerstand der "Weißen Rose" sympathisierte, entging der NS-Justiz.

Wie zukünftig erinnert werden soll

Sich um den Erinnerungsort an der Orleansstraße zu kümmern, ist Sache des Bezirksausschusses (BA) Au-Haidhausen. Das Gremium hatte die Idee Thiels aufgenommen und die Kosten weitgehend getragen - im Gegensatz zur Stadt München, die sich gegen die Gedenktafel ausgesprochen hatte. Derzeit bemüht sich BA-Mitglied Hermann Wilhelm (SPD), eine Lösung zu finden. Eines ist sicher: Die marode Tafel wird in den nächsten Tagen abmontiert.

Ganz auf einen Erinnerungsort verzichten will der Bezirksausschuss allerdings nicht. Wilhelm will die Möglichkeit sondieren, ob eine kleinere Variante der Tafel auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einem Haus angebracht werden könnte. Dazu wäre das Einverständnis des Eigentümers nötig, wozu Wilhelm nun Gespräche führen will. Einen Vorteil hätte diese Lösung gewiss: Die Tafel wäre nicht so leicht zu übersehen.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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