Mordprozess wird neu aufgerollt:Hat Srecko S. doch seine Ehefrau getötet?

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Beim Prozess 2021 war das Gericht nicht restlos von der Schuld des Angeklagten Srecko S. überzeugt - jetzt wurde er doch wegen Mordes verurteilt. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Der Bundesgerichtshof hebt den Freispruch mit deutlichen Worten auf und kritisiert Rechtsfehler. Das Münchner Landgericht muss sich nun erneut mit der Frage beschäftigen: Was geschah in der Nacht im Schlafzimmer von Srecko S.?

Von Susi Wimmer

"Es ist kein Freispruch mit Girlanden", hatte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann noch gesagt, als er den wegen Mordes an seiner Ehefrau angeklagten Srecko S. vor genau einem Jahr in die Freiheit entließ. Die Girlanden kann sich nun Staatsanwältin Johanna Heidrich ins Büro hängen: Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft den Freispruch von Srecko S. einkassiert - und zwar mit sehr deutlichen Worten.

In dem schriftlich vorliegenden Urteil kritisiert der BGH Rechtsfehler, die, wenn sie nicht begangen worden wären, zu einem für den Angeklagten "ungünstigen Beweisergebnis", also einem möglichen Schuldspruch, geführt hätten. In diesem Jahr wird der Mordprozess gegen S. erneut starten. Zu der Frage, ob nun ein Haftbefehl gegen Srecko S. beantragt wird, wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern.

Es ist nicht die erste überraschende Wendung, die dieser ungewöhnliche Fall nimmt: Fast acht Jahre ist es her, dass die 36-jährige Diana S. ( Name geändert) mit einem Kopfschuss tot im Schlafzimmer der ehemals gemeinsamen Wohnung des Paares in Haar lag. Ihr Mann behauptete immer, sie habe sich selbst das Leben genommen. Es gab Verdachtsmomente gegen ihn, die aber nicht für einen Haftbefehl ausreichten.

Vier Jahre später führte ein neues, technisch versierteres Schussgutachten dazu, dass Srecko S. in Untersuchungshaft kam. Im Februar 2021 begann der Mordprozess gegen ihn, da behauptete S., er habe mit seiner Frau um die Waffe gerangelt, als sich ein Schuss löste. Im Februar 2022 wurde S. bezüglich der Tötung freigesprochen. Der damals 62-Jährige wurde lediglich wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe verurteilt - und aus dem Gefängnis entlassen.

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Im Prozess vor der 2. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I wurde Diana S. als eine lebenslustige Frau beschrieben, die unter der Tyrannei ihres Mannes gelitten habe. Nach 13 Ehejahren schaffte sie es im Sommer 2015, sich von ihrem Mann zu trennen und zog mit ihrer Tochter nach Augsburg. Sie wollte auch die restlichen vier Kinder zu sich nehmen. Ein entsprechender Termin vor dem Familiengericht stand für Ende August 2015 an. Am 4. August fuhr Srecko S. nach Augsburg, überredete seine Frau, mit nach Haar zu kommen, damit man am nächsten Tag einen gemeinsamen Ausflug mit den Kindern machen könnte. Diana S. willigte ein.

Staatsanwaltschaft listete zahlreiche Ungereimtheiten auf

Was in der folgenden Nacht im Schlafzimmer des Ehepaars geschah, darüber schieden sich die Geister. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Srecko S. auf dem Handy seiner Frau Fotos von ihr in Dessous entdeckt hatte, die sie an andere Männer geschickt hatte. Er soll daraufhin die Frau gezwungen haben, sich vor ihm hinzuknien, anschließend soll er sie mit einem aufgesetzten Schuss in die linke Schläfe regelrecht hingerichtet haben.

Srecko S. ließ vor Gericht verlauten, er sei auf der Toilette gewesen, und als er ins Schlafzimmer kam, habe Diana S. seine Waffe genommen und gegen ihre Brust gerichtet. Im Gerangel um die Waffe habe sich dann der Schuss gelöst.

Die Staatsanwaltschaft hatte zahlreiche Ungereimtheiten aufgelistet, die der BGH so übernahm: Hätte Diana S. selbst geschossen oder, wie der Angeklagte ausführte, die Hand im Gerangel am Pistolenlauf gehabt, hätte man an ihrer Hand mehr Schmauchspuren finden müssen. Doch die Schmauchspuren, die an den Händen der Leiche abgenommen wurden, seien für die Menge, die bei einer Schussabgabe zu erwarten sei, "zu wenig", führte im Prozess ein Waffenexperte des Landeskriminalamts (LKA) aus. Außerdem fand man in der rechten Hand von Diana S. eine Patrone. Und wie hätte die Rechtshänderin die Waffe so ansetzen können, dass über dem linken Ohr ein Einschusskanal von unten nach oben entstand?

Weder Diana S. noch ihr Ehemann zeigten Kampfverletzungen. Bei Srecko S. fand man nur minimale Schmauchspuren an der Hand. Er hatte sich vor Eintreffen der Polizei die Hände gewaschen. Was laut dem Experten des LKA ausreichen würde, um die Spuren zu beseitigen. Zudem führte der BGH noch an, die Verhandlung habe keinerlei Selbstmordabsicht der 36-Jährigen zu Tage befördert. Viel mehr die Tatsache, dass Srecko S. auch in früheren Beziehungen als gewalttätig beschrieben wurde. "Wäre ich geblieben, wäre ich tot", sagte sogar eine Ex-Freundin über ihn.

Was der BGH am Urteil konkret kritisiert

"Wir sind zu 85 Prozent davon überzeugt, dass er es war", hatte der Richter damals am Landgericht München im Urteil verkündet. Allein, man habe sich mit letzter Sicherheit nicht von einem schlüssigen Tathergang überzeugen können. Deshalb sei S. freizusprechen.

Der BGH allerdings kritisierte, dass die Kammer jedes einzelne Indiz für sich betrachtet mit der Einlassung des Angeklagten gewürdigt und "im Zweifel für den Angeklagten" bewertet hätte. Es müsse aber die Gesamtschau der Indizien betrachtet - und dann erst der Zweifelssatz angewendet werden. Zudem schrieb der BGH in seine Entscheidung, dass er einen aufgesetzten Schuss eher nicht mit einem Gerangel in Einklang bringen könne.

Summa summarum bedeutet das, dass nun an der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I gegen Srecko S. erneut wegen Mordes verhandelt wird. Eine fahrlässige Tötung, wie man sie bei einem Gerangel auch annehmen könnte, ließen die Richter des 1. Strafsenats am BGH komplett außer acht. Es könnte also sein, dass der heute 63-Jährige im zweiten Anlauf wegen Mordes verurteilt wird.

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