Gymnasien:In München müssen sogar die Schüler pendeln

Gymnasien: Modern und offen präsentiert sich der Neubau des Gymnasiums in der Gemeinde Ottobrunn.

Modern und offen präsentiert sich der Neubau des Gymnasiums in der Gemeinde Ottobrunn.

(Foto: Claus Schunk)
  • Viele Münchner Schüler machen eine tägliche Landpartie an die Gymnasien außerhalb der Stadtgrenzen.
  • Der Kreis baut seine Schullandschaft weiter zügig aus, auch um die Wiedereinführung des G9 bewältigen zu können.
  • Das städtische Bildungsreferat hingegen hinkt mit dem Schulbauprogramm dem Bedarf weit hinterher.

Von Martin Mühlfenzl

Wer früher im Raum München seinen Kindern eine gediegene schulische Ausbildung ermöglichen wollte, der schickte sie auf die Gymnasien der Stadt mit klingenden Namen wie das "Wittelsbacher", das "Klenze" oder das "Max". Ex-Landrätin Johanna Rumschöttel zum Beispiel besuchte in den Sechzigerjahren das Luisengymnasium, die einstige Schule für höhere Töchter, die seit 1969 auch Jungen besuchen dürfen. Gut, ihre Möglichkeiten, ein Gymnasium im Landkreis München zu besuchen, waren zu dieser Zeit auch arg eingeschränkt - es gab nämlich nur eines: das Kurt-Huber-Gymnasium in Gräfelfing.

Mittlerweile sind es 14 Gymnasien im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaates - und es ist unter anderem der Sozialdemokratin Rumschöttel, die von 2008 bis 2014 im Landratsamt am Mariahilfplatz amtierte, zu verdanken, dass der Landkreis München eine Schulbauoffensive gestartet hat, die ihresgleichen sucht. Nachfolger Christoph Göbel (CSU) setzt diesen Prozess fort: Vergangenes Jahr eröffnete das Gymnasium in Ismaning, der Bau eines weiteren in Unterföhring ist ebenso beschlossen wie der einer Schule in Aschheim.

Das 17. staatliche Gymnasium wird aller Voraussicht nach im südlichen Landkreis in Sauerlach entstehen - und die Gemeinden Oberschleißheim und Feldkirchen gelten als heiße Kandidaten für weitere Schulen. Die größte Kommune im Landkreis, die Stadt Unterschleißheim mit ihren mehr als 30 000 Einwohnern, wird über kurz oder lang neben dem Carl-Orff-Gymnasium noch ein zweites benötigen.

"Wir bauen wie die Weltmeister", sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) - und richtet den Blick auch auf die Stadt München. Für Greulich stellt sich nämlich die Frage, ob sich der Landkreis und seine Kommunen "das Kreuz auflegen sollen, mit gemeindlichen Mitteln den Bedarf für die Landeshauptstadt zu decken." Wenn im Landkreis München über neue Schulen diskutiert wird, geht es immer auch darum, für wen eigentlich gebaut werden soll.

Das mittlerweile in die Jahre gekommene Ernst-Mach-Gymnasium in Haar mit seinem Siebzigerjahr-Schick etwa platzt aus allen Nähten. Die Schule besuchen mehr als 1200 Schüler - weit mehr als die Hälfte davon kommen aus der Stadt. Für das neue Gymnasium in der Mediengemeinde Unterföhring, das 2020 in Betrieb gehen wird, prognostiziert der Schulbedarfsplan für den Landkreis sogar, dass zwei von drei Schülern aus München kommen werden.

"Das Schulreferat muss in die Gänge kommen"

Dieses Verhältnis legt einen erstaunlichen Trend offen: Jahrzehntelang übten die altehrwürdigen Bildungseinrichtungen in der Stadt eine fast magische Anziehungskraft auf die Schüler - und freilich auch deren Eltern - im Umland aus. Wer alle Hoffnungen in eine akademische Karriere legte, der fuhr von Ottobrunn, Garching oder Pullach aus in die Stadt, um am Wilhelms- oder am Maria-Theresia-Gymnasium für das Abitur zu büffeln. Seit drei Jahren aber besuchen mehr Schüler aus der Stadt ein Gymnasium im Landkreis München als umgekehrt - 2215 Münchner Gastschüler sind es derzeit und damit etwa 300 mehr, als Schüler aus den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises auf ein Münchner Gymnasium gehen.

Diese Entwicklung, so erwartet Landrat Christoph Göbel, werde sich in naher Zukunft kaum mehr umkehren. Vor allem dann nicht, sagt Göbel, wenn die Stadt München ihre angekündigte Schulbauoffensive nicht umsetze. Nicht zuletzt deshalb richtet der Landrat einen Appell an die Stadt: "Das Schulreferat muss in die Gänge kommen."

Dass der Landkreis München nun etwa ein Gymnasium in Sauerlach, einer ländlich geprägten Gemeinde mit gerade einmal 8000 Einwohnern, vorantreibt, das hat insbesondere mit dem anhaltend hohen Zuzug in die Region zu tun. Derzeit wohnen im Landkreis etwa 350 000 Einwohner; im Jahr 2035 könnten es - vorsichtig geschätzt - etwa 420 000 sein. Kaum eine andere Region der Republik unterliegt einer derartigen Dynamik, die viel mit der wirtschaftlichen Prosperität zu tun hat.

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