Es ist ja wahr, um die deutsch-griechischen Beziehungen könnte es günstiger stehen. Jenseits der beklagenswerten Zustände auf politischer Ebene gibt es übrigens die Klage, der gute, alte, ehrliche Eckgrieche sei ausgestorben oder zumindest auf der roten Liste unmittelbar vom Aussterben bedrohter Arten. In München erklingt diese Klage lauter als anderswo, und gar nicht immer zu Unrecht. So mancher "Grieche" der alten Art ist hier im Zuge der allgegenwärtigen Gentrifizierung einem Szeneschuppen gewichen, oder, schlimmer noch, einem bestimmten Typus von Szenegriechen. Letzterer verdoppelt gern die Preise, halbiert die Portionen, ersetzt Herzlichkeit durch Hochmut.
Natürlich gibt es auch noch die griechischen Lokale, wie Peffekoven sie vor langen Jahren lieben lernte, mit Herkulesplatte, Gyros satt, überraschenden Sternstunden der Küche, wenn die Belegschaft in Stimmung war, Wohnzimmeratmosphäre und preiswertem Harzwein aus Blechkaraffen. Aber inzwischen haben sie Geheimtippcharakter, und ganz gewiss gilt das für die "Gartenlaube".
Fast geheim ist der Tipp schon deshalb, weil das Restaurant so schwer zu finden ist wie kaum ein anderes in der Stadt. Man muss sich nämlich dazu in die Borstei begeben, jenes wunderbare Kleinod mit seinen verwunschenen Gärten, Kunstwerken, Nischen und Winkeln, einem lebenden Denkmal dessen, was soziales Bauen einmal sein konnte. Vor der Borstei liegt die ausgedehnte Schrebergartenanlage der Bewohner, wenige Tore führen hinein, und man braucht etwas Entdeckermut und vielleicht die eine andere Nachfrage bei einem die Beete harkenden Gartenfreund, dann wird man die Gartenlaube schon finden. Es gibt auch Schilder, aber die sind von überraschend begrenztem Erkenntniswert.
Wer sucht, der findet, und zwar einen traumhaften Garten, in dem Tische und Bänke locker verteilt sind, kleine Schirme vor der Sonne schützen und zufriedene Stammgäste halbe Wochenenden verdösen oder durchdiskutieren. Es ist der Ort, wo man sich für ein Gläschen trockenen Athos mal kurz hinsetzen wollte, um irgendwann festzustellen, dass die Sterne am Himmel stehen. Es gibt vor dem Garten eine kleine Wiese, bei gutem Wetter wirft der Wirt den Holzkohlengrill an, und die Kinder kicken nebenan ungeachtet der ruppigen Verbotsschilder, die irgendjemand für angebracht hielt.
Seit 1990 betreibt Familie Papachristou die Taverne, die schon wegen der Lage in wucherndem Grün ihresgleichen sucht. Man muss nicht zur verschworenen Schrebergartengemeinschaft gehören, um sich gleich wohlzufühlen und zwar aufs Gründlichste. Es ist einfach sehr nett hier, aber es nett zu haben, ist heutzutage in der Gastronomie gar nicht so einfach. Hier ist Freundlichkeit eine Haltung und keine Attitude.
Die Kellnerinnen sind nett und herzlich, bei Peffekovens Besuch an einem sonnigen Sonntag bekamen die Kinder ein Eis umsonst, mit Kindern unvermeidliche Sonderwünsche ("bitte ohne Grün und ohne Tzatziki, sondern mit Senf"), die anderswo zu mittelschweren Kampfhandlungen mit dem Personal geführt hätten, waren kein Problem. Für ganz Kleine gibt es noch eine Sandkiste und ein Schaukelpferd. Und zwei Paar Wiener mit Pommes für den Fall, dass der Nachwuchs trotz der vielen Kinderteller gar kein Faible für die Küche unserer griechischen Freunde zu entwickeln vermag.
Der Trumpf ist der Garten, das Holzhaus selbst sieht innen und außen aus wie ein Vereinsheim, ist aber gerade drum auch bei schlechtem Wetter kein übles Refugium. Freilich, am besten schmeckt es draußen, wegen des Holzkohlengrills. Dann gibt Dorade, Forelle, Spare Ribs und andere Besonderheiten, gern scharf gewürzt. Davon abgesehen, ist die Küche eigentlich, so ungewöhnlich dies für die diese Kolumne sein mag, mit einem Satz ausreichend beschrieben: Sie ist, wie sie sein soll.
Alles, was wir beim Griechen an der Ecke fanden, finden wir hier, Gyros in allen Beilagen- Variationen, Lammkotelett, Bifteki, Grillteller, gegrillter Oktopus und so fort. Hier ist der Moment gekommen, den Tatsachen fest ins Auge zu sehen. Es gibt nicht mehr als das Altbewährte. Aber eben auch nicht weniger, und das frisch und mit Liebe bereitet, und das alles zu Preisen, die aus derselben Zeit zu stammen scheinen wie die Speisekarte. Was braucht man mehr zum Glücklichsein? Nur den richtigen Weg durch die labyrinthischen Gartenanlagen.
Gartenlaube, Dachauerstraße 293 (Gartenanlage), München. Telefon: 1575020. www.zurgartenlaube.de. Geöffnet Di. bis So. 11 Uhr bis 24 Uhr