Soul-Jazz:Seine Botschaft heißt Liebe

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In jeder Sekunde authentisch: Gregory Porter, hier im Juli beim Montreux Jazz Festival. (Foto: Simon Becker/imago/Le Pictorium)

Gregory Porter berührt das Publikum in der Isarphilharmonie.

Von Oliver Hochkeppel

Aus bekannten Gründen hat man Gregory Porter lange nicht mehr auf der Bühne sehen können. Man musste sich mit seinen Alben behelfen, die zuletzt stark ins Orchestrale, Stargast-Bestückte, mitunter Überproduzierte tendierten. Porter kennt den Unterschied selbst genau: "But live is live" hat er kürzlich nach einem Gespräch über seinen neues Album angehängt. Für die pure, direkte Begegnung mit dem Publikum gibt es keinen Ersatz. Was sein Auftritt in der Isarphilharmonie trotz des riesigen Saals (und einiger Probleme des Tontechnikers) nicht nur bestätigte, sondern geradezu greifbar machte.

Selbst für jemanden, der Porter einige Male gesehen hat, war es buchstäblich erschütternd, wie sich seine Stimme nach wenigen Takten in Herz und Seele grub. Ihr Geheimnis - und damit das von Porters kometenhaftem Aufstieg seit zwölf Jahren - liegt nur zum kleineren Teil daran, dass sie klingt wie keine andere; dass Porter seinen warmen Bariton vom feinsten Hauchen bis zum Häuser-umblasenden Shouting immer gleich sauber im Griff hat; dass er wie höchstens noch ein Kurt Elling die Wortsilben im Legato quer über die Takte verbindet; oder gar, dass er bis heute das Rätsel um seine merkwürdige Verkleidung mit Ballonmütze und Schlauchschal wahrt. Nein, das ganze Geheimnis besteht darin, dass Musik und Gesang für Porter nur das Medium für eine tiefere Botschaft sind: Liebe. Die will er verkünden, verbreiten, anregen, ausdrücken.

Und das ist in jeder Sekunde authentisch und glaubhaft. Denn das Werk gründet hier wieder einmal in der Biografie. Die mal sanfte, mal trotzige, mal ekstatische Anrufung der Liebe ist die spirituell unterfütterte Gegenwehr dieses 50-jährigen Hünen aus Bakersfield: gegen die harte, von rassistischen Anfeindungen durchzogene Jugend, gegen den Verlust des Vaters, des Bruders und der Sportlerkarriere, gegen die Verlockung des Hasses, wie sie momentan überall zu erleben ist. "Liquid Spirid" ist das, wie einer seiner Songs heißt. Kein Zufall, dass auch einige der schönsten Liebeserklärungen an den Jazz ("On My Way To Harlem") von ihm stammen. Sein Jazz ist ganz Spirit, eine zeitgemäße Fortschreibung des Gospel, des Blues und des Soul, seine Auftritte sind musikalische Gottesdienste ("I'm not afraid" heißt es in " Revival", der abschließenden Zugabe). Nur logisch, dass seine exzellente Five-Piece-Band neben Bass, Schlagzeug und Klavier auch ein Tenorsaxofon und eine Hammond-Orgel umfasst. Er braucht für sie das Call-And-Response-Muster, das sich durch viele Stücke zieht. Und gelegentlich auch das Publikum einbezieht. Das klatscht dann auch noch nach der zweiten, merklich ungeplanten Zugabe minutenlang weiter. Live ist eben live.

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