Wirtschaft:Google baut München zum weltweiten Datenschutzzentrum aus

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Von Bayern aus in die Welt: Das Entwicklerzentrum des kalifornischen Konzerns in München wurde im April 2016 eröffnet. (Foto: Marc Müller/dpa)
  • Um das Vertrauen der Nutzer nicht zu verlieren, will Google künftig transparenter kommunizieren, welche Daten wie verwendet werden.
  • Dafür stellt der Konzern weitere Mitarbeiter ein. Am Münchner Standort sollen bald 200 Menschen zu den Themen Sicherheit und Datenschutz arbeiten.
  • Das derzeitige Quartier wird dann zu klein, ein benachbartes Gebäude muss angemietet werden.

Von Helmut Martin-Jung, München

"Was habe ich zuletzt bei Google gesucht?" - "Weiß Google eigentlich, wo ich gerade bin?" - Es ist nicht so, dass sich Nutzer diese Fragen nicht stellen, weltweit mit ziemlich großer Übereinstimmung übrigens. Doch obwohl der Internetkonzern seinen Nutzern bereits anbietet, all das nicht nur zu erfahren, sondern auch relativ weitreichend selbst zu steuern - eher unbedarfte Nutzer kommen damit bis heute nicht besonders gut zurecht.

Dabei geben sich Leute wie Stephan Micklitz wirklich Mühe. Der Computerexperte ist seit elf Jahren bei Google in München und hat schon 2009 das Google Dashboard entwickelt, eine Art Steuerzentrale für alle Einstellungen zu Datenschutz und Sicherheit. Dass sein 100-Mitarbeiter-Team in München nun zum Google Safety Engineering Center wird, also zu einem für Google weltweit zuständigen Entwicklungszentrum, ist vor allem das Verdienst des Münchner Teams. Es soll nun bis Jahresende auf 200 Mitarbeiter verdoppelt werden. Dabei handle es sich um eine langfristige Investition, versichert Chefjurist Kent Walker, der eigens aus der Zentrale in Mountain View, Kalifornien, zum Pressetermin am Dienstag eingeflogen war.

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Auch wenn der Leiter des Münchner Google-Entwicklungsstandorts, Wieland Holfelder, betont, dass Google sich schon sehr lange Gedanken um Sicherheit und Datenschutz gemacht habe: Dass das Thema nun so in den Vordergrund gerückt wird, liegt vor allem daran, dass die großen Internetkonzerne in jüngerer Zeit stark unter Druck geraten sind. Verschiedentlich wurde bereits ihre Zerschlagung gefordert. Die Konzentration vieler Daten bei wenigen Unternehmen stößt mittlerweile nicht nur Datenschützern unangenehm auf, es bewegt auch zunehmend die Nutzer und somit auch die Politik.

Das böse Wort vom Techlash, also der zunehmenden Antipathie gegen die Übermacht der großen Technologiekonzerne, fiel allerdings kein einziges Mal bei den Auftritten der Sprecher auf der Bühne. Viel lieber redete man davon, dass man künftig noch mehr tun wolle, um es den Nutzern möglichst einfach zu machen und dennoch sicher unterwegs zu sein.

Aber wie viel Datenschutz kann ein Unternehmen seinen Nutzern bieten, wenn es von deren Daten lebt? Alles nicht so schlimm, sagt Chefjurist Walker. Google mache nur etwa sechs Prozent aller Suchanfragen zu Geld, dabei reiche in 90 Prozent aller Fälle aus, was die Nutzer als Suchanfrage eingegeben haben. Wo es sich anbiete, kämen noch Daten wie etwa der Ort dazu. Und: "Wir finden immer mehr Möglichkeiten, mit weniger Daten auszukommen." Zum Beispiel, in dem die Daten mit künstlicher Intelligenz ausgewertet würden. Außerdem, sagt Wieland Holfelder, verwende Google viele Daten gar nicht für sein Anzeigengeschäft, sondern nur dazu, den Nutzern Dienste anzubieten wie etwa den, an den bevorstehenden Abflug zu erinnern. Damit das funktioniere, müsse der Dienst natürlich auch über diese Daten verfügen können. Holfelder glaubt daher auch, dass es wichtig ist, den Nutzern zu zeigen, welche Daten Google sammelt. Die Nutzer müssten die Einstellungen aber ändern können. Nur diese Transparenz zeige ihnen, was sie davon haben, ihre Daten preiszugeben.

Das Münchner Entwicklungsteam kümmert sich um die Datenschutz- und Sicherheitseinstellungen über die wichtigen Google-Anwendungen hinweg, also für das Mailprogramm oder die Suche ebenso wie für die Videoplattform und Unternehmenstochter Youtube. Angemeldete Nutzer sollen in all diesen Programmen auf ihre Datenschutzeinstellungen zugreifen können - sie brauchen dazu nur auf ihr Profilbild zu klicken und können dann ihre Einstellungen sehen und anpassen.

Ein hauseigenes Testcenter soll dabei helfen, die Einstellungen verständlich und nutzerfreundlich zu machen. Da ist durchaus noch Luft nach oben, das wissen sie auch bei Google. Wer nicht so mit dem Web vertraut und mit Computern auf Du und Du ist, versteht Begriffe wie Cache oder Cookies nicht. Ziel sei es daher, sagt Jochen Eisinger, leitender Entwickler für die Sicherheit des Browsers Chrome, den Nutzern zu helfen, damit sie die für sie besten Einstellungen auswählen können. Als Beispiel nannte er den Passwort-Manager, den Google anbietet. Er funktioniert für alle Webseiten und Browser. "Wenn wir noch immer die Post-its am Bildschirm gebraucht hätten, hätten wir den Leuten nicht wirklich geholfen", sagt Eisinger.

Um den Passwortmanager zu verwenden, muss man Google natürlich vertrauen. Vertrauen, das Stichwort fiel in München auch recht häufig: Wenn die Nutzer es Google gegenüber verlieren, hat der Konzern ein Problem, und zwar kein kleines, ohne die Daten der Nutzer würde sein wichtigstes Geschäft kollabieren. Es ergibt also durchaus auch ökonomisch Sinn, in vertrauensbildende Maßnahmen zu investieren. In München müssen sie dafür schon bald benachbarte Gebäude anmieten. Das für 800 Mitarbeiter ausgelegte Gebäude an den Bahngleisen zwischen den Haltestellen Hackerbrücke und Donnersberger Brücke wird zu klein. Die Grenze von 1000 Mitarbeitern wird noch dieses Jahr überschritten.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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