Geschichte des Mittleren Rings:Vom Autoring zum Baumkreis

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Die Entwicklung des Mittleren Rings in München ist die Geschichte massiver Eingriffe in die Strukturen der Stadt - und von Versuchen, die Wunden zu heilen.

Von Alfred Dürr

Nach dem Krieg gab es hier noch Wiesen, viele Bäume und ein eher beschauliches Leben. Dann fuhren die Baumaschinen auf: Grüne Flächen wurden durch grauen Asphalt ersetzt; lärmende Motoren auf der breiten Straße verscheuchten die Vögel in den Ästen der Bäume. Jahrzehntelang durchschnitt der Mittlere Ring im Bereich der Garmischer Straße und des Luise-Kiesselbach-Platzes brutal das Stadtviertel. Dann sollten die Autos unter der Erde verschwinden, der Tunnel wurde gebaut. Ganz so idyllisch wie in den alten Zeiten wird es wohl nicht mehr werden, aber für die Anwohner bekommen Begriffe wie Ruhe und Grün wieder eine Bedeutung.

Die Entwicklung des Mittleren Rings ist die Geschichte von massiven Eingriffen in gewachsene Stadtstrukturen und der anschließenden Versuche, diese Wunden zu heilen. Seit mehr als 60 Jahren herrscht starke Bewegung auf Münchens Stadtautobahn - und damit ist keineswegs nur der Verkehr gemeint: Irgendwo wurde immer und wird auch weiterhin gebaut, das Erscheinungsbild der Stadt wandelt sich.

Die Hauptschlagader im Organismus Stadt

Die Ring-Philosophie ist einfach. Wer das Zentrum vom Autoverkehr entlasten will, braucht leistungsstarke "Auffangstraßen". Außerdem müssen Fahrzeuge von außerhalb im Stadtgebiet gut verteilt werden. Der Altstadtring, der Mittlere Ring und ganz außen der Autobahn-Ring - sie alle sollen diese Funktion erfüllen. Die größte Last trägt der Mittlere Ring, er ist gewissermaßen die Hauptschlagader im Organismus Stadt. Über Jahrzehnte hinweg ist dieses System durch die Verbindung bestehender Straßen und durch neue Abschnitte entstanden.

So wurde Anfang der Fünfzigerjahre die Brudermühlbrücke über die Isar neu gebaut oder 1953 ein erstes großes Teilstück des Rings an der Richard-Strauss-Straße. Zu den Olympischen Spielen im Jahr 1972 erfolgte der Ringschluss im Bereich des früheren Oberwiesenfeldes. Damals wurde auch die Donnersbergerbrücke deutlich verbreitert.

Spürbar gewachsen in den Dimensionen ist zwischen 1969 und 1972 auch die Trappentreustraße im Westend in Fortsetzung der Donnersbergerbrücke. Die Straße wurde von 18 auf 39 Meter verbreitert. Auf der Westseite mussten Gebäude abgerissen werden. Wie stark das Wohnquartier durch die teilweise achtspurige Trasse litt, kann man sich unschwer vorstellen.

Abhilfe sollte der Trappentreutunnel schaffen, der in den Jahren 1980 bis 1984 gebaut wurde. Oben wurde die Straße schmaler, Plätze wurden verschönt, zusätzliche Bäume gepflanzt. Das Westend atmete auf. Nicht weniger brutal war die Situation im Bereich der Brudermühlstraße. Auf einer Stahlbeton-Brücke fuhren die Autos im ersten Stock quasi durch die Wohnzimmer der Anlieger. Dieses Ungetüm wurde abgerissen, zwischen 1983 bis 1988 entstand der Brudermühltunnel.

Der erste Bürgerentscheid der Stadt befasste sich mit dem Mittleren Ring. 1996 entschied sich die Mehrheit für einen weiteren Ausbau mit drei Tunnels. Mit dem ersten wurde 1997 begonnen: dem Petueltunnel. Bis heute ist er das beste Beispiel für eine geglückte Stadtreparatur, auf dem Deckel des unterirdischen Bauwerks befindet sich seit 2003 ein lang gestreckter Park. Autos sind verbannt.

Nach dem Petueltunnel kamen der Effnerplatz und die Richard-Strauss-Straße an die Reihe. Von 2003 bis 2009 dauerten die Bauarbeiten. Die von Abgasen schwarz gefärbten Hausfassaden haben inzwischen einen frischen Anstrich. Es gibt immer noch Verkehr an der Oberfläche, aber die Gegend hat an Qualität gewonnen.

In wenigen Tagen heißt es freie Fahrt durch das dritte Tunnelprojekt im Südwesten der Stadt, an dem seit 2009 gebaut wurde. Damit ist aber noch lange nicht Schluss. In Giesing und Neuhausen rufen die Bürger nach Schutz vor Lärm und Abgasen. Und auch für ein besonderes Naturdenkmal, das durch eine Straßenschneise in zwei Hälften geteilt ist, hoffen manche auf mehr Grün. Ein Tunnel unter dem Englischen Garten soll das bewirken.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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