Gefängniszelle als Apartment:Schöner wohnen im Knast

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Wo einst Verurteilte einsaßen, sollen bald gut situierte Menschen leben. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Umbau des ehemaligen Gefängnisses am Neudeck ist aufwendig und teuer. Nun konzentrieren sich die Investoren bei der Vermarktung auf eine neue Zielgruppe: junge Leute, die sich ein interessantes Ambiente viel kosten lassen.

Von Bernd Kastner

Es wird teuer, soviel steht fest. Wer ins ehemalige Gefängnis am Neudeck einziehen will, muss entweder gut situiert sein oder wohlhabende Eltern haben. Im denkmalgeschützten Knast sollen etwa 200 Eigentumswohnungen entstehen. Waren ursprünglich vor allem Studenten als Zielgruppe auserkoren, wollen die Investoren nun junge Leute aller Art ansprechen, um genügend Käufer zu finden: Singles, Paare, Pendler. Allein, bis die ersten Bewohner einziehen, dauert es noch lange, frühestens wird das wohl in zwei Jahren passieren.

Bislang ist das Gefängnis noch nicht einmal eine Baustelle, es steht seit fünf Jahren leer. Verzögert hat das Projekt die schwierige Finanzierung, die aufwendige Umbauplanung und eine Klage des benachbarten Landratsamtes.

Das ehemalige Gefängnis Neudeck in der Au steht seit fünf Jahren leer - verändert hat sich seither auch im sanitären Bereich kaum etwas. (Foto: Stephan Rumpf)

Es ist, als schlafe das ehemalige, 110 Jahre alte Gefängnis für Frauen und Jugendliche am Fuße des Nockherbergs einen Dornröschenschlaf. Außen wirkt alles unverändert. Innen fallen zunächst die Überreste diverser Dreharbeiten für Filme auf, und in manchen Zellen finden sich auch noch Kritzeleien von Häftlingen: "Auch diese Zeit geht vorbei", hat eine Frau namens Jessi geschrieben, am 24. November 2003.

Seit Jahren liegt das Gebäude brach

Sechs Jahre späte zogen die letzten Gefangenen in einen Neubau nach Stadelheim. Nach heftigen Diskussionen verkaufte der Freistaat das denkmalgeschützte Gebäude an die Meistbietenden, das waren die Forchheimer Unternehmensgruppe Engelhardt und die Münchner Firma REC24. Sie legten rund 16 Millionen Euro auf den Tisch, eine überraschend hohe Summe. Die Straßenzeitung Biss mit ihrer Idee eines "Hotel Biss" konnte finanziell nicht mithalten. Kurz nach dem Verkauf stieg REC24 aus und wurde ersetzt von der Leipziger Firma "First Single Apartment".

Die Investoren beauftragten den Münchner Projektentwickler MUC Real Estate, aus dem Knast ein Domizil für junge Leute zu machen - "Workdrifters" nennen die Investoren ihre Zielgruppe. Sie muss Geld und Gefallen haben an einem ungewöhnlichen Ambiente. Weil sich die etwa acht Quadratmeter großen Häftlingszellen nicht eins zu eins in Wohnungen verwandeln lassen, wird kräftig umgebaut, werden nicht nur die Zellengitter herausgerissen, sondern viele Mauern durchbrochen: In der Regel entstehen aus drei Zellen die Eingangsbereiche von zwei Wohnungen, inklusive Bad und Küche. Als Wohnraum sollen Anbauten dienen: Vor die Fassade kommen etwa fünf Meter tiefe Räume, so dass gut 25 Quadratmeter große Appartements entstehen. Auch das Dach wird ausgebaut, die wegen ihrer Rendite bei Investoren so beliebten Dachterrassen aber verhindert der Denkmalschutz.

Aus drei Zellen entstehen die Eingangsbereiche von zwei Wohnungen, inklusive Bad und Küche. (Foto: Stephan Rumpf)

Die prägende Fassade zum Auer Mühlbach hin bleibt unverändert, der Hof aber wird sich deutlich verkleinern und ganz anders aussehen. Innen bleiben die Zellenstruktur und die sehr langen Gänge erhalten, ebenso Spezialitäten wie Treppenhäuser mit ihren hohen Geländern und teilweise das Original-Parkett. Den bisherigen, zweistöckigen Heizungskeller wollen die neuen Eigentümer am liebsten zu einem Jazz-Club umbauen. Hätten die Investoren im Bieterverfahren gewusst, was sie heute über den Umbau wissen, sie hätten dem Freistaat wohl nicht diese Summe geboten. "Am Rande der Wirtschaftlichkeit" bewege sich das Vorhaben, sagt Projektentwickler Christian Ruhdorfer.

Ärger mit dem Landratsamt

Die Mauer zur Ohlmüllerstraße hin verschwindet. Direkt dahinter soll ein frei stehender Neubau mit 50 Wohnungen entstehen, drei Stockwerke plus Dach. Der Neubau ist einerseits nötig, damit sich das Projekt für die Investoren überhaupt lohnt. Er ist zugleich aber Anlass für Ärger: Das benachbarte Landratsamt klagt gegen den Bauvorbescheid der Stadt München, die die groben Umbaupläne bereits abgesegnet hat. Landrat Christoph Göbel sorgt sich um mehrere Dutzend Arbeitsplätze in seinem ohnehin zu kleinen Haus, sie könnten durch den Neubau übermäßig verschattet werden. Er will eine Änderung der Pläne; noch unter seiner Vorgängerin hat das Landratsamt deshalb Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Über sein Gespräch mit Ruhdorfer vergangene Woche äußert Göbel sich nicht. Der Projektentwickler wiederum hat das Treffen als "positiv und sehr konstruktiv" empfunden. Der Landrat habe "signalisiert, die Klage zurück zu nehmen". Anfang Oktober will man sich erneut treffen.

Sobald die Klage vom Tisch ist, will Ruhdorfer den endgültigen Bauantrag einreichen, dann soll auch der Verkauf der Appartements beginnen. Dies müsse vor Baubeginn geschehen, um die steuerliche Förderung bei Investitionen in den Denkmalschutz zu bekommen. Wenn alles gut gehe, starte im Herbst 2015 der Umbau. Ein Jahr später könnten die ersten "Workdrifters" einziehen. Wenn der Landrat seine Klage zurücknimmt, wenn beim Umbau keine Überraschungen auftauchen. Und wenn dann noch genügend Eltern genügend Geld auf den Tisch legen, wird auch dieser Leerstand in München beendet sein.

© SZ vom 15.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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