Gasteig:Ein Konzerthaus aus Holz für die Philharmoniker

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1120 Plätze statt 1500, dafür kaum Einschränkungen beim Repertoire: Während renoviert wird, spielt die Oper von Genf in einem Ausweichquartier. (Foto: Salvatore Di Nolfi / dpa)
  • Das Orchester braucht ein Ausweichquartier, wenn der Gasteig saniert wird.
  • Die wahrscheinlichste Lösung ist derzeit ein hölzerner Saal, gebaut aus Fertigteilen.
  • Ein Beispiel aus Genf könnte da für München zum Vorbild werden: ein temporärer Baukasten-Saal.

Von Christian Krügel und Charlotte Theile, München

Münchens Musikfreunde könnten schon bald eine völlig neue Konzerterfahrung machen: einen philharmonischen Abend in einem hölzernen Saal, erbaut aus Fertigteilen. Das ist zumindest derzeit die wahrscheinlichste Lösung für ein Problem, vor dem die Münchner Philharmoniker, ihre etwa 16 000 Abonnenten und viele private Veranstalter in Kürze stehen dürften. Wenn das Kulturzentrum am Gasteig und die dortige Philharmonie jahrelang umgebaut werden, braucht das Orchester einen Ausweichstandort. Und da könnte ein Beispiel aus Genf für München zum Vorbild werden: ein temporärer Baukasten-Saal.

Ende März entscheidet der Stadtrat über die Gasteig-Sanierung, dann soll auch klar sein, wie aufwendig und damit wie lange die Philharmonie umgebaut werden wird. Die Münchner Philharmoniker und ihr Chef Valery Gergiev fordern eine Sanierung, die auch alle akustischen und technischen Mängel behebt und die aus dem Saal einen erstklassigen und modernen Klangraum macht. Für den russischen Maestro dürfte dies eine entscheidende Rolle spielen bei der Frage, ob er seinen im Jahr 2020 auslaufenden Vertrag in München verlängert. Orchester sowie Kulturbürgermeister und Gasteig-Aufsichtsratschef Josef Schmid schweigen noch zu möglichen Detailplänen. Die Kalkulation dazu solle erst sauber aufbereitet werden, heißt es.

Weil das Genfer Interimsquartier nahe den Gebäuden der Vereinten Nationen steht, heißt es "L'Opera des Nations". (Foto: Salvatore Di Nolfi/ dpa)

Für Stadtbibliothek und Volkshochschule wird nach festen, anzumietenden Gebäuden gesucht - als Ausweichquartiere während des Gasteig-Umbaus, der drei bis fünf Jahre dauern soll. Wohin der Konzertbetrieb während dieser Zeit ausgelagert werden könnte, ist noch unsicher. Das neue Konzerthaus des Freistaats im Werksviertel dürfte nicht vor 2023 fertig sein und könnte auch dann nur einen Teil des Betriebs aufnehmen. Deshalb favorisieren Stadt und Münchner Philharmoniker nach Informationen der SZ derzeit eine ungewöhnliche Lösung: einen hölzernen Interimskonzertsaal.

Vorbild dafür ist die Oper von Genf. Sie muss derzeit für 64 Millionen Schweizer Franken mindestens zwei Jahre lang saniert werden. Für diese Zeit wurde ein Quartier aus Holz errichtet, das mit seinen 1118 Plätzen fast an die knapp 1500 Plätze heranreicht, die die Oper nach der Renovierung auch wieder bieten will. Zum Vergleich: Die Philharmonie im Gasteig hat 2400 Plätze.

Das Provisorium, in dem die Oper seit knapp einem Jahr untergebracht ist, soll es dem Ensemble ermöglichen, den Spielplan fast ohne Einschränkungen weiterzuführen. Das hölzerne Konstrukt im Nordosten der Stadt erinnert auf den ersten Blick eher an eine Turnhalle. Kein Samt, keine Kronleuchter, stattdessen Zweckarchitektur aus Holz. Oder um es mit der Aargauer Zeitung zu sagen: Das Gebäude habe "den Charme einer Notschlafstelle".

Nach der Eröffnung gab es durchwachsene Kritiken. Während die Akustik beim Gesang gut wegkam, empfand die Neue Zürcher Zeitung den Klang eines barockes Orchesters als "im wahrsten Sinne etwas hölzern". Die Streicher hätten Mühe gehabt, Gehör zu finden, tiefe und mittlere Tonlagen hätten dominiert. Was dagegen vielen Besuchern gefalle, ist die Leichtigkeit im Dresscode die im Holz-Quartier herrscht. Hier, so heißt es zumindest, dürfe man im Prinzip anziehen, was man wolle.

In Genf fand man einen idealen Platz, um den Fertigbau-Saal zu errichten: direkt neben den Gebäuden der Vereinten Nationen, was der Oper gleich den Namen "Opéra des Nations" gab. In München dürfte die Grundstücksfrage knifflig werden. Insgesamt zehn Standorte seien für den Konzertsaal aus dem Baukasten geprüft worden, heißt es aus der Stadtverwaltung, drei am Ende übrig geblieben. Zum einen geht es um ein städtisches Grundstück im Westen der Messestadt Riem.

Stadtbaurätin Elisabeth Merk hatte sich für einen solchen Standort schon in der Debatte über das Konzerthaus des Freistaats stark gemacht, um mit einem Kulturprojekt Stadtentwicklung voranzutreiben. Der zweite Standort liegt in unmittelbarer Nähe zur Baustelle des neuen Konzerthauses: im nördlichen Teil des Werksviertels, parallel zu den Gleisen der Autoreisezüge. Dafür spräche, so heißt es, das man dort das klassische Musikleben vorübergehend konzentrieren könnte, dagegen spräche die nicht einfache Verkehrserschließung direkt neben den Großbaustellen.

Dritter Standort ist die Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke, die auch für den staatlichen Saal als Standort im Gespräch war. Das scheiterte damals an den Sanierungskosten, die dem Freistaat zu hoch waren. Dort aber vorübergehend einen Saal als Fertigbausatz hineinzustellen, könnte deutlich günstiger sein. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Post ihr Briefverteilzentrum verlagert. Etwa nach Germering, wo im Herbst 2015 bereits mit Grundstücksbesitzern verhandelt worden war, ehe der Freistaat das Konzerthaus-Projekt in der Paketpost abblies.

Die Post schweigt zu diesen neuen Überlegungen: Immobilienverhandlungen kommentiere man grundsätzlich nicht, heißt es. Auch Kulturbürgermeister Schmid will die Pläne nicht erläutern - schließlich könne es ja noch ganz andere Ideen geben. Und wichtiger sei ohnehin erst der Grundsatzbeschluss zur Gasteig-Sanierung, dann die Frage der Interimsspielstätte. Klar sei aber: Für beides dränge die Zeit.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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