Premiere:Nonsens im Operettenstaat

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Uniformis amor: Die Großherzogin von Gerolstein (Juan Carlos Falcón, liegend) hat eine besonders ausgeprägte Vorliebe für Uniformen und vor allem deren Inhalt, aktuell gilt ihr Interesse dem jungen Soldaten Fritz (Matteo Ivan Rašić, hinten auf dem Sessel). (Foto: Jean-Marc Turmes)

Intendant Josef Köpplinger inszeniert Offenbachs Militärsatire "Die Großherzogin von Gerolstein" am Gärtnerplatztheater.

Von Jutta Czeguhn

Ist das Leben nicht in Wahrheit eine Operette? Zumindest im Paris zur Zeit von Napoleon III. und seiner Frau Eugénie waren die Grenzen zwischen Sein und Schein offenbar fließend, wenn man jener Anekdote Glauben schenken darf, die über eine gewisse Hortense Schneider erzählt wird : "La Snédèr", wie die Pariser die Diva liebevoll nannten, spielte am Théâtre des Varietés in Jacques Offenbachs Operette "La Grande Duchesse de Gerolstein" so intensiv, dass sie aus der Rolle der Großherzogin gar nicht mehr aussteigen wollte. Jedenfalls soll sie sich bei einem Empfang des Kaiserpaares im Tuilerienpalast aus Anlass der Weltausstellung 1867 in prächtiger Bühnenrobe très indigniert mit folgendem Ausruf Einlass verschafft haben: "Wissen Sie nicht, wer ich bin, ich bin die Großherzogin von Gerolstein!!" Bien sûr machten die royalen Türsteher den Weg frei für die hohe Dame.

Star des Pariser Theaters und der Salons: Hortense Schneider als Offenbachs "Grande Duchesse de Gerolstein". Zu ihren Bewunderen gehörten viele gekrönte Häupter. (Foto: Imago/United Archives)

Die Anekdote erzählt auch etwas vom ungeheuren Erfolg, den Offenbachs Operetten und vor allem "La Grande Duchesse de Gerolstein" damals hatten. Gekrönte Häupter, unter ihnen auch Zar Alexander II., Wilhelm I. von Preußen, sogar Otto von Bismarck sollen ins Pariser Theater geströmt sein, um sich das Singspiel über die Zwergerlstaat-Regentin mit der Vorliebe für alles Uniformierte anzusehen - und dieser doch recht unverhohlenen Parodie ihres Standes heftig applaudiert haben.

Ein kleiner Hofstaat zwar, dafür um so intriganter (von links): Baron Puck (Gunnar Frietsch), Erusine von Nepomukka (Sigrid Hauser) und General Bumm (Alexander Grassauer) schmieden Pläne. (Foto: Jean-Marc Turmes)

Käme, was die Götter verhindern mögen, der alte Bismarck aus dem Jenseits zurück zur Premiere der Operette am 26. Januar im Gärtnerplatztheater, er würde sich dort ein bisserl selbst begegnen in Person des Pickelhauben-Generals Bumm. Gespielt und gesungen wird er vom jungen österreichischen Bassbariton Alexander Grassauer. Moderator Christoph Wagner-Trenkwitz hatte dem 26-Jährigen bei der Einführungsveranstaltung ("Premierenfieber") das an sich kluge Versprechen abgerungen, den Wotan bitte nicht vor seinem 40. Geburtstag zu singen. Die Frage ist allerdings, ob alle, die schon eine Weile auf der Welt sind, so lange auf das Rollendebüt dieser prächtigen Stimme warten können.

Inszeniert hat die intrigenreiche Militär-Satire Gärtnerplatzintendant Josef Köpplinger himself. Und das eigentlich schon vor drei Jahren an der Semperoper. Damals Ende Februar war dort aber, pandemiegeschuldet, nach drei Vorstellungen Schluss. Schade für die Dresdner, gut für sein Münchner Publikum, dass es sich nun auf eine besondere Grande Duchesse freuen darf. Wurde die an der Semperoper noch von Anne Schwanewilms gesungen, hat Köpplinger sie in München, wie einst sein Kollege Barrie Kosky an der Komischen Oper, mit einem Mann (Juan Carlos Falcón) besetzt. Auch sonst ist die Gerolsteiner Soldateska (Choreografie: Adam Cooper) eine schrille Rumpel-Truppe. 2020, im Jahr der Premiere, war der Krieg in der Ukraine zumindest im westlichen Bewusstsein, noch fern. Für Josef Köpplinger ist Offenbachs Opéra bouffe heute, angesichts von Kriegstreiberei und Machtmissbrauch, aktueller denn je.

"Die Großherzogin von Gerolstein", Operette von Jacques Offenbach, Premiere Do., 26.01. , 19.30 Uhr, Gärtnerplatztheater, Karten und Infos Tel. 21851960 oder www.gaertnerplatztheater.de

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