Slow Food:Dampfnudeln für Hamburg

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Denis Michael Kleinknecht, Chef des Gasthofs Heinzinger in Rottbach, bereitet seine Spezialität in einem Zweisternelokal in Blankenese zu

Von Erich C. Setzwein, Maisach

Wer mit Denis Michael Kleinknecht übers Essen spricht, sollte tunlichst das Thema Lebensmittelindustrie vermeiden. Denn kaum etwas reizt den 44 Jahren alten Chef des Gasthofs Heinzinger im Maisacher Ortsteil Rottbach mehr, als die Panscher und Trickser, die mit Gentechnik, Geschmacksverstärkern und jeder Menge Zucker die Menschen zu Abhängigen ihrer Produkte machen wollen. Drastisch drückt sich der gelernte Koch aus, weil er der festen Überzeugung ist, dass die Zubereitung von Lebensmitteln auch anders gehen kann. Fairer nämlich, dem Menschen wie dem Tier gegenüber, überhaupt verantwortlicher gegenüber der Natur. Deshalb unterstützt er die Slow-Food-Bewegung, deshalb ist er im Ernährungsrat Fürstenfeldbruck vertreten, und deshalb kocht er, wie er kocht und verlangt dafür einen seiner Meinung nach angemessenen Preis. Für etliche aus dem Umkreis seines Lokals ist das zu viel, andere wiederum nehmen weite Wege auf sich und scheuen keine Kosten, um bei dem Schüler des legendären Otto Koch zu speisen. Am Montag, 19. August, wird Kleinknecht, der aus Fürstenfeldbruck stammt und inzwischen in Wörthsee lebt, in Hamburg zusammen mit Otto Koch und anderen den Bundeswettbewerb "Gesünder kochen - gesünder leben" mit einem Menü eröffnen. Im Zweisternerestaurant "Seven Seas" von Karlheinz Hauser im Stadtteil Blankenese will Kleinknecht die berühmten Rottbacher Dampfnudeln als Dessert zubereiten.

Nur einmal in der Woche, am Donnerstag, bereitet Denis Michael Kleinknecht im Gasthaus Heinzinger in Rottbach Dampfnudeln mit Vanillesoße zu. Eine Ausnahme macht er mit dem Wochentag nur in Hamburg, wo am Montag kommender Woche die Mehlspeise Teil eines Wettbewerbsmenüs sein soll. (Foto: Matthias F. Döring)

"Deutschland neu entdecken" heißt die Kommunikationsplattform, auf der sich Gastronomen und Hoteliers zusammengefunden haben und die nun den Wettbewerb auslobt. Die private Initiative ( www.dne24.de) will die traditionelle Gastronomieszene und den Tourismus in den Regionen Deutschlands fördern. Ziel des Wettbewerbs ist es, dass sich Hobby- wie Profiköche mit "neuen, kreativen Ideen für gesündere Gerichte, insbesondere auch für Kinder" bewerben, wie es heißt. Das Ganze hat auch einen ganz offiziellen Anstrich, nämlich die Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

Kleinknecht kommt in Hamburg wieder mit Otto Koch zusammen, dem Koch, der für sein Lokal "Le Gourmet" in München 1976 einen Michelinstern erkochte und in Deutschland so etwas ist wie Paul Bocuse es in Frankreich war. Das Münchner Sternelokal war Kleinknechts zweite Station nach seiner Ausbildung, bei Otto Koch habe er das Kochen gelernt, sagt er. Koch, ein gebürtiger Gröbenzeller, ist auch heute noch mit Kleinknecht verbunden, kommt regelmäßig in den Gasthof Heinzinger zum Essen. In Kochs Küche und an weiteren Stationen in den USA, Großbritannien und Deutschland hat Kleinknecht viel Wissen aufgesaugt und sich ein Küchenweltbild aufgebaut, das in höchstem Maß modern erscheint. Regionalität ist für ihn kein Label, mit dem er nur wirbt, er lebt es, und es ist eine große, oft zeitraubende Aufgabe. Zehn Stunden, sagt Kleinknecht, verbringe er in der Woche nur damit, sich nach neuen Lieferanten in der näheren Umgebung umzusehen, deren Produkte zu testen und deren Art zu erzeugen zu prüfen. So kann es auch passieren, dass er sich von einem Lieferanten trennt, weil rausgekommen ist, dass der Gensoja an seine Tiere verfüttert. Das will der Küchenchef nicht, also fliegt der Produzent von der seitenlangen Liste, die Kleinknecht der Speisekarte angehängt hat. Das ist sein Verständnis von Transparenz, und deshalb nennt er auch alle, die an seinen Dampfnudeln "beteiligt" sind. Der Bauer aus Schöngeising, von dem er die Rohmilch für die Soße holt, die Mühle, von der er das Mehl kauft. Alle von hier oder nicht weit weg, außer die Vanille, die kommt aus Madagaskar. Das ist aber die weiteste Entfernung für exotische Lebensmittel. Shrimps zum Beispiel lässt er sich nicht aus Bangladesch liefern, sondern von einem bayerischen Produzenten. Südlich von München wachsen die Meeresfrüchte auch.

Dass die Zutaten ihren Preis haben, dass die Küchenmannschaft ordentlich bezahlt wird, das alles schlägt sich in der Rechnung nieder, die der Gast in Rottbach bezahlt. "Viel und billig gibt's bei mir nicht", sagt Kleinknecht. Das macht den Gasthof bei vielen, die drumherum wohnen, nicht gerade zu einer Stammkneipe. Aber Kleinknecht gibt diese potenziellen Gäste nicht auf. Er möchte seine Küchenphilosophie von nachhaltiger Erzeugung und hoher Qualität "in die Köpfe hineinbringen". Er will zeigen, welche Wertschöpfung regional möglich ist und dass es bei ihm kein unter schlimmen Bedingungen erzeugtes Fleisch zum Kampfpreis gibt. Und dass es durchaus gesund sein kann und dennoch schmeckt, wenn in der Dampfnudel weniger Zucker drin ist. Denn das mit dem Zucker ist eine andere Thematik aus der Lebensmittelindustrie, und auf die ist der Koch aus Rottbach halt gar nicht gut zu sprechen.

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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