Am Sonntagfrüh um vier Uhr startet ein Konvoi mit mindestens fünf Autos und zwölf Fahrern aus Fürstenfeldbruck nach Lublin in Polen. Geladen haben sie Kleidung, Trinkwasser sowie medizinische Artikel wie Masken und Damenbinden. Ein Teil der Hilfsgüter ist für Flüchtlinge aus der Ukraine bestimmt, die inzwischen in Polen angelangt sind. Der Rest wird in Lublin von einer Hilfsorganisation übernommen und über die Grenze in die Ukraine gebracht werden. Die private Hilfsaktion haben der Gastronom Moritz Hickethier und Stadtrat Florian Weber (Die Partei) am Samstag spontan initiiert. Mehr als 300 Menschen haben am Nachmittag Hilfsgüter zur Sammelstelle im Biergarten des Unterhauses gebracht. Etwa 30 Personen blieben zum Sortieren und Packen, andere stellten sich als Fahrer zur Verfügung.
Hickethier arbeitet als Gastronom in der Brucker Kneipe "Unterhaus", während Weber das "Klubhouse" führt und für Die Partei im Stadtrat sitzt. Am Samstagvormittag verbreiteten sie über die sozialen Medien sowie die Seiten von "Klubhouse", "Unterhaus" und Die Partei einen Appell, Hilfsgüter zu spenden. Der Aufruf wird sofort geteilt und weiterverbreitet. Die ersten Menschen bringen Spenden in den Biergarten, wo das Material sortiert und gestapelt wird. Unterstützt werden Hickethier und Weber von Freunden, Bekannten, Kollegen, aber in erster Linie von wildfremden Menschen. "Das wurde viel größer, als wir vorher dachten", sagt Weber.
Ins Rollen gebracht hat die private Hilfsaktion eine ukrainische Kollegin, die in Bruck lebt und in einer Wirtschaft arbeitet. Sie ist bei Beginn des russischen Überfalls an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um ihre Familie zu empfangen. Ihr Vater wurde jedoch an der Grenze zurückgewiesen, weil die ukrainische Regierung alle wehrfähigen Männer einberufen hat. Ihren Namen mag sie nicht in der Zeitung lesen. Sie informierte Hickethier über die Lage, und der hatte die Idee, einen Hilfstransport zu organisieren. "Weil sie vor Ort ist, konnte sie uns genau sagen, was genau aktuell und so schnell wie möglich gebraucht wird", erzählt Weber. Das sind etwa Thermounterwäsche, Socken, Fleecejacken, Stiefel und festes Schuhwerk, Flaschen und Kanister mit Wasser, Wärmedecken, Kompressen, Watte, medizinische Handschuhe, Desinfektionstücher und Trauma-Scheren, Müsli- und Energieriegel, Dosen- und Trockennahrung.
Den ganzen Samstagnachmittag über kommen Menschen, um zu spenden und zu helfen. "Es stehen immer noch Leute draußen, die Sachen bringen", erzählt Weber am späten Nachmittag. Die Solidarität sei enorm. Ursprünglich wollten Hickethier und Weber mit einem Transporter fahren, dann werden es immer mehr Autos und Fahrer. Angestellte des Brucker Impfzentrums stellen sich zur Verfügung, eine Frau fährt mit ihrem Wohnmobil mit. Am Abend geht Weber von mindestens fünf bis sieben Fahrzeugen aus, darunter einige, die bis auf ein Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen zuladen können. Die Strecke schätze er auf etwa 1200 Kilometer bis Lublin, das noch gut 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt. Weber hofft, dass der Konvoi in 13 bis 14 Stunden dort ankommen wird und alle am Montag wohlbehalten wieder in Fürstenfeldbruck eintreffen.
Am Abend sieht es so aus, als hätten Hickethier und Weber gar nicht genügend Transportkapazitäten für die Menge der gespendeten Güter. Weber versichert jedoch, dass alle Produkte ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt werden. Er hat bereits mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche in München Kontakt aufgenommen, die ebenfalls Hilfsgüter ins Krisengebiet bringt. Außerdem plane der Edigna-Verein in Puch, der Kontakte in die Ukraine hat, am Mittwoch einen weiteren Konvoi zusammenzustellen, erzählt Weber.
In Puch hatten sich am Samstag mehr als 30 Gläubige zu einem "Friedensgebet" für die Ukraine zusammengefunden. Es fand an der Edigna-Linde statt. "In großer Sorge denken wir an die Menschen in der Ukraine und beten zur seligen Edigna um Hilfe, Segen und Beistand für die Ukraine", hatte Edigna Kellermann die Aktion angekündigt. Sie ist Vorsitzende des Edigna-Vereins Puch.
In Puch zeigt sich eine besondere Beziehung zwischen dem Landkreis und der Ukraine. Denn das Schicksal der seligen Edigna, die vor 900 Jahren in der Linde gelebt haben soll und wo ihre sterblichen Überreste verwahrt werden, spielt in der ukrainischen Geschichte eine wichtige Rolle. Deshalb ist Puch auch Pilgerstätte für Angehörige der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Unter anderem hat der damalige ukrainische Staatspräsident Wiktor Juschtschenko 2007 die Linde besucht.