Fürstenfeldbruck:Ukraine-Helfer werfen das Handtuch

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Blick von außen auf das Haus Hasenheide . (Foto: Leonhard Simon)

Corona-Nachbarschaftshilfe sieht keine Möglichkeit, geflüchtete Ukrainer im Haus Hasenheide in Fürstenfeldbruck von Juni an zu betreuen. Wie es weitergeht, ist völlig unklar.

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Die Corona-Nachbarschaftshilfe beendet ihre Zusammenarbeit mit der Stadt Fürstenfeldbruck. Seit mehr als einem Jahr kümmern sich ehren- sowie hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflüchtet sind. Doch Ende Mai ist damit Schluss. Wie es weitergeht, steht in den Sternen. In der kommenden Woche soll darüber offenbar in politischen Gremien beraten werden.

Erst Ende Februar hatte der Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen, die Nachbarschaftshilfe mit 75 000 Euro zu retten - versprochene Zuschüsse waren zuvor nicht geflossen. Ein "tragfähiges Konzept", wie es mit Stadt und Corona-Nachbarschaftshilfe weitergehen könnte, wurde versprochen. Das gibt es aber offenbar bis heute nicht.

Flüchtlinge aus der Ukraine besuchen Ende Februar die Stadtratssitzung, in der es um den Fortbestand der Betreuung geht. (Foto: Stefan Salger)

Die beiden Vorsitzenden des Vereins, Monika Graf und Martina Nusser, haben den im Stadtrat vertretenen Fraktionen nun mitgeteilt, dass sie aufgeben. Die Chancen für einen Fortbestand des Projekts seien verschwindend gering.

Die Angebote der Stadtverwaltung liegen deutlich unter den für die Betreuung erforderlichen 15 000 Euro pro Monat. Eine Fortführung wäre nur möglich, wenn das Konzept gravierend eingeschränkt würde. Das aber lehnt der Verein ab. Dem Schreiben zufolge leisten Ehren- und Hauptamtliche derzeit 340 Stunden Arbeit pro Woche. Die Stadt wolle nur eine 20-Stunden-Stelle finanzieren. "Für uns ist nicht nachvollziehbar, was da schiefgelaufen ist", sagt Graf.

"Es ist nichts mehr zu retten": Monika Graf ist eine der Vorsitzenden der Corona-Nachbarschaftshilfe. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Nachbarschaftshilfe unterstützt nicht nur Geflüchtete, sondern auch ihre privaten Vermieter. Mehr als 400 Geflüchtete wurden dem Verein zufolge bereits in Wohnungen untergebracht. Sollte diese Betreuung enden, könnte es mehr Obdachlose geben, die wiederum die Stadt betreuen müsste, heißt es.

43 Geflüchtete leben noch im früheren Hotel Hasenheide, darunter viele Mütter mit ihren Kindern. Einige sind an Krebs erkrankt. Sie gelten als obdachlos, könnten bleiben, bis sie eine eigene Wohnung gefunden hätten und würden weiterhin betreut, das hat die Stadt am Freitag mitgeteilt.

Bisher erhalten die Menschen Sprachunterricht und werden auch sozialpsychiatrisch betreut - viele sind traumatisiert. Fast die Hälfte der arbeitsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer haben dem Verein zufolge einen Job gefunden, meist in Bereichen, in denen dringend Arbeitskräfte gesucht werden.

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Einige Aufgaben im Haus Hasenheide übernehmen die Ukrainerinnen und Ukrainer selbst - sie kochen beispielsweise für alle und halten das Haus sauber.

"Vorbildlich, wahnsinnig tolle Arbeit" werde da geleistet, findet Christian Götz (BBV), der im Mai das Amt als Oberbürgermeister antreten wird. Er sieht Versäumnisse auf Seiten der Stadtverwaltung und dem Landratsamt, "definitiv nicht bei der Corona-Nachbarschaftshilfe. Wobei zu betonen wäre, dass alle Beteiligten versucht haben, die extreme Situation bestmöglich zu meistern".

Dass es ein Zurück gibt und sich der Verein und die Stadtverwaltung doch noch einigen, hält er für äußerst unwahrscheinlich. "Der Vorschlag der Stadtverwaltung ist für den Verein nicht annehmbar", sagt er. "Das ist wahnsinnig schade. Ich kann den Verein gut verstehen." Es werde der Stadt aber nicht möglich sein, die Arbeit wie bisher fortzuführen.

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"Hochachtung für die Leistungen der Nachbarschaftshilfe" hat auch ÖDP-Fraktionsvorsitzende Alexa Zierl. Könnte die Nachbarschaftshilfe ihre Arbeit fortsetzen, "wäre das im Sinn der Stadt und der Menschen gewesen. Ich kann nicht sehen, wie wir das stemmen können." Denn das Angebot des Vereins, der im März 2022 von der Stadt mit der Leitung des Hauses und der Betreuung der Menschen beauftragt worden war, sei gerade auch finanziell "extrem günstig" für die Stadt.

Einzig Markus Droth (Freie Wähler) hofft darauf, dass sich doch noch eine Lösung findet - womöglich zusammen mit benachbarten Kommunen. Auch die profitieren Droth zufolge davon, dass der Verein vorbildliche Arbeit leiste. "Es ist noch nicht das letzte Wort gesprochen." Am kommenden Montag bei der Besprechung der Fraktionsvorsitzenden und bei der Haupt- und Finanzausschusssitzung am Dienstag werde über das Thema gesprochen. Beides findet nicht öffentlich statt.

Monika Graf hingegen sagt: "Es ist nichts mehr zu retten."

In einer früheren Version des Texts war eine Äußerung von Christian Götz falsch wiedergegeben: "Versäumnisse sieht er sowohl auf Seiten der Stadtverwaltung wie auch bei der Corona-Nachbarschaftshilfe". Das ist nicht richtig. Götz sagte, "dass die Versäumnisse auf Seiten der Stadtverwaltung und dem Landratsamt zu suchen sind, definitiv nicht bei der Corona-Nachbarschaftshilfe". Der entsprechende Abschnitt wurde geändert.

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