Er hatte Waffen gehortet:Mutmaßlicher "Reichsbürger" vor Gericht

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Ein Sportschütze wird verurteilt, weil er trotz Aufforderung Pistolen, Büchsen und Munition nicht abgegeben hat. Der 61 Jahre alte Fürstenfeldbrucker steht im Verdacht, ein "Reichsbürger" zu sein

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Der Zugang zu Sitzungssaal 120 im Amtsgericht Fürstenfeldbruck ist am Montagvormittag mehrfach gesichert. Neben der seit ein paar Jahren üblichen Kontrolle am Eingang prüft ein Extrawachmann vor der Tür zum Verhandlungsraum die Personalien. Darüber hinaus sitzen innen zwei seiner Kollegen, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Diese Sicherheitsvorkehrungen sind freilich nicht gängiger Standard bei jeder Verhandlung. Sie wurden eigens für den Prozess gegen einen 61 Jahre alten Fürstenfeldbrucker hochgefahren. Denn der Mann steht im Verdacht, ein "Reichsbürger" zu sein. Er muss sich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten und wird am Ende zu einer Haftstrafe von zehn Monaten verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Angeklagte ist Sportschütze. 2003 und 2005 stellte ihm das Amt für Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt eine Waffenbesitzkarte und einen Kleinen Waffenschein aus. Diese legitimieren ihn als Waffenbesitzer. Allerdings hat das Landratsamt dem Mann mit Bescheid vom Juli vorigen Jahres beide Scheine entzogen und ihn aufgefordert, seine Waffen innerhalb von vier Wochen abzugeben. Da der Fürstenfeldbrucker darauf nicht reagierte, kam es im Oktober zu einer Wohnungsdurchsuchung. Bei dieser stellte die Kriminalpolizei zwei halbautomatische Pistolen, zwei Repetierbüchsen, zwei Einzelladerbüchsen sowie einen üppigen Vorrat an Munition beim Angeklagten sicher. Deshalb legt ihm die Staatsanwältin jetzt einen Verstoß gegen das Waffenrecht zur Last.

Der Angeklagte, kurze graue Haare und graue Bartstoppeln, wird zum Prozess von der Polizei vorgeführt. Denn zum ersten Verhandlungstermin im März ist der 61-Jährige nicht erschienen. In solchen Fällen ist es üblich, dass der Vorsitzende Richter Polizeibeamte beauftragt, damit sie den Angeklagten zu Hause abholen und dieser garantiert rechtzeitig zum Termin erscheint. Zu den Vorwürfen gegen ihn will er sich nicht äußern.

"Die Ausgangslage war ein Durchsuchungsbeschluss", erinnert sich ein Kriminalbeamter. Er sei mit Kollegen zur Arbeitsstelle des Angeklagten im Münchner Osten gefahren und habe diesen dort abgeholt. "Er war sehr kooperativ", unterstreicht er, obwohl der Verdacht "möglicher Reichsbürgerhintergrund" im Raum gestanden habe. Auch im Polizeibericht findet der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer einen Vermerk, dass der Fürstenfeldbrucker sich "umgänglich und kooperativ" verhalten hat.

"Ich weiß nicht, was ein 'Reichsbürger' ist und deswegen bin ich auch keiner", unterstreicht plötzlich der Angeklagte. Zu dieser Frage weiß ein Sachbearbeiter aus dem Landratsamt jedoch Näheres zu berichten. "In solchen Fällen bekommt man Mitteilung", berichtet er, in der Regel teile die Kripo Oberbayern dem Amt für Öffentliche Sicherheit und Ordnung mit, wenn ihnen Personen auffallen, die im Verdacht stehen, Reichsbürger zu sein. Diesem Personenkreis entziehen die Behörden automatisch alle Legitimationen zum Waffenbesitz, da es in der Vergangenheit mit ihnen schon öfter sehr gefährliche, teilweise tödlich endende Polizeieinsätze gegeben hat.

Im Fall des Angeklagten aus Fürstenfeldbruck, der übrigens seit Oktober vergangenen Jahres - dem Datum der Wohnungsdurchsuchung - ohne Arbeit ist und auch bei den Behörden keine Unterstützung beantragt hat, stand offenbar am Anfang ein Vorfall mit einem Gerichtsvollzieher, bei dem es auch Schriftverkehr gab. Wie der Vorsitzende aus den Akten verliest, hatte der 61-Jährige damals geschrieben: "Die BRD ist kein Staat", vielmehr sei sie eine von den alliierten Mächten betriebene Firma, weshalb er auch nicht mit ihren Behörden kooperiere. Auch dazu sagt der Angeklagte nichts. Er ist jedoch nicht einverstanden mit der Einziehung der sichergestellten Gegenstände.

Für die Staatsanwältin ist das Gesamtverhalten Beweis genug. "Die Art und Weise, in der der Angeklagte gegen den Gerichtsvollzieher vorgehen wollte, ist typisch für einen 'Reichsbürger'", erklärt sie und beantragt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr - ohne Bewährung.

Der Vorsitzende allerdings hält die zehn Monate auf Bewährung für einen bis dato nicht vorbestraften Mann "für tat- und schuldangemessen". Zur Begründung sagt er: "Nachdem er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, hat er nun Gelegenheit, sich zu bewähren."

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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