Fürstenfeldbruck:Blaupause Altdorfer Wald?

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Blick auf die bestehende Kiesgrube (links), den Rand des Rothschwaiger Forsts (rechts oben) und den Stadtrand von Fürstenfeldbruck im Hintergrund. (Foto: Leonhard Simon)

In Oberschwaben hat sich Widerstand gegen Rodungen und Kiesabbau formiert. Nach einer Filmvorführung im Lichtspielhaus erläutern Kletter- und Klimaaktivisten ihren Protest.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Manchmal sind auch Politikern die Hände gebunden. In solchen Fällen ließen sich, wenn überhaupt, ungeliebte Projekte wie großflächige Abholzungen bestenfalls durch entschiedenen Widerstand aus der Bevölkerung verzögern oder verhindern. Wie das funktionieren kann, das haben drei Aktivisten aus Oberschwaben am Mittwochabend im Lichtspielhaus geschildert. Zuvor zeigten Agenda 21 und IG Lichtspielhaus die sehenswerte Doku "Von Menschen, die auf Bäume steigen", in der Regisseur Christian Fussenegger sie und ihre Mitstreiter 18 Monate begleitet hatte.

Ein Vergleich mit den Fällen Fürstenfeldbruck und Mammendorf ist nur bedingt möglich

Es gibt Parallelen, aber auch wesentliche Unterschiede zwischen dem Altdorfer Wald in Oberschwaben und den Fällen Fürstenfeldbruck und Mammendorf. Hier wie dort geht es um den Versuch, in Zeiten des Klimawandels Rodungen zu verhindern und teils wertvollen Baumbestand zu bewahren. Im Altdorfer Wald bildete sich aber eine kontinuierlich wachsende Initiative, die sehr konkreten zivilen Widerstand leistete. Aktivisten verzögerten durch den Bau von Baumhäusern die Abholzung im dortigen Wasserschutzgebiet und nahmen rechtliche Konsequenzen in Kauf. Weitere Rodungen und Kiesabbau sind wegen des andauernden Planfeststellungsverfahrens bisher nicht beschlossene Sache - zwei Gemeinden und der Bund Naturschutz klagen gegen das Projekt.

Die Klima- und Kletteraktivisten (von rechts) Samuel Bosch sowie Sina Wegner und ihre Unterstützerin Rosmarie Vogt im Lichtspielhaus. (Foto: Johannes Simon)

Im Landkreis fehlt es an dieser Form des zivilen Widerstands. So hat ein Kiesunternehmen, das sich auf den Regionalplan und die Genehmigung des Landratsamts beruft, weitgehend freie Hand beim Abbau in den als Erholungsgebiet genutzten Rothschwaiger Forst hinein. Für die Baubranche ist Kies ein wichtiger Rohstoff, ein regionaler Abbau sei besser als weite Fahrten, argumentiert das Unternehmen. Zudem hat der Brucker Stadtrat selbst vor vielen Jahren die aus heutiger Sicht fatalen Weichen für einen Abbau in den Wald hinein gestellt. In Mammendorf wurde die von einem Kranverleih beantragte Erweiterung des Betriebsgeländes genehmigt, für die ein Wäldchen nebst Weiher und der dort vorkommenden Amphibien geopfert wird - Naturschützer protestieren bislang vergeblich.

Die Politikerin würde sich mehr Bürger wünschen, "die aufstehen"

Im Landkreis gebe es in beiden Fällen keinen so wirkungsvollen Protest der Anwohner wie in Oberschwaben, so Alexa Zierl (ÖDP), die ebenso mit den drei Protagonisten diskutierte wie ihre Stadtratskolleginnen Ulrike Quinten und Elisabeth Lang (beide BBV) und etwa 30 weitere Besucher. "Zu wenige Leute stehen auf", es fehle an der Bereitschaft, unter Berufung auf aktuelle Klimaschutzurteile des Bundesverfassungsgerichts das Risiko einer Klage auf sich zu nehmen. Auch eine von den Grünen angestoßene Petition hat trotz mehr als 2000 Unterschriften wenig bewirkt. Möglicherweise seien Waldspaziergänge geeignet, um sich gemeinsam mit Gleichgesinnten zu organisieren.

Regisseur Christian Fussenegger konnte wegen des Bahnstreiks zwar nicht wie geplant anreisen. Dafür stehen die Klima- und Kletteraktivisten Samuel Bosch und Sina Wegner und ihre Unterstützerin Rosmarie Vogt dem Moderator Nico Schneider von der BN-Ortsgruppe sowie den weiteren Kinobesuchern Rede und Antwort.

Der Chef des Kieswerks war eingeladen, kommt aber nicht

Sie bekennen sich zwar grundsätzlich zur Gewaltlosigkeit und Einhaltung von Recht und Gesetz, warnen aber davor, sich hinter eben jenem Gesetz "zu verstecken" - vor allem, wenn es um Klima- und Umweltschutz sowie den sparsamen Umgang mit Ressourcen geht. So engagiert sich die Gruppe auch für die "Rettung" von Lebensmitteln in Form des sogenannten Containerns und riskiert dafür Strafen.

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Die Dokumentation zeichnet das gesamte Spektrum nach, von der ersten kleinen Initiative aus dem Umfeld von Fridays for Future heraus zur Bewegung, die von zahlreichen Menschen jeden Alters unterstützt wird - und bis zur Räumung durch Spezialkräfte der Polizei. Es gibt durchaus originelle Passagen. So sitzt in einer Szene eine Aktivistin in einer Baumkrone und ruft zwei Männern dort unten euphorisch zu: "Wollt ihr einen Flyer?" Die trockene Antwort: "Nein, wir sind vom Ordnungsamt".

Dass der Chef des Fürstenfeldbrucker Kieswerks, der persönlich eingeladen war, nicht ins Lichtspielhaus gekommen ist, wundert Richard Bartels von der IG Lichtspielhaus nicht sonderlich. Bartels berichtet, die Ankündigungsplakate für die Doku seien von seinem Ape-Kleintransporter heruntergerissen worden - und das gleich zweimal. Offenbar Beleg dafür, dass Rodung und Kiesabbau ein sehr heißes Eisen sind.

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