Anpfiff vom DGB-Chef:Bayern tanzt den "Lohn-Limbo"

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Matthias Jena kritisiert beim politischen Aschermittwoch der SPD die folgenreiche Arbeitsmarktpolitik der Schröder-Regierung

Karl-Wilhelm Götte

Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena ging in Maisach scharf mit der von der SPD ausgelösten Niedriglohnpolitik ins Gericht. (Foto: Günther Reger)

So richtig traut Matthias Jena der SPD offenbar nicht. Der Vorsitzende des DGB-Bayern nutzte seinen Auftritt bei der Aschermittwochs-Veranstaltung des SPD-Unterbezirks Fürstenfeldbruck im Maisacher Bräustüberl neben einer Generalabrechnung mit derzeit üblichen befristeten Arbeitsverträgen auch dazu, gleich an die Rolle des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder bei der Schaffung eines Niedriglohnsektors in Deutschland zu erinnern. Denn der sei nicht vom Himmel gefallen. Bei seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum 2006 in Davos habe der Altkanzler gesagt: "Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." Für einen Gewerkschafter sei so eine Aussage "unfassbar", erklärte Jena. Bei den etwa 80 SPD-Mitgliedern im Saal herrschte betretenes Schweigen.

Während Schröder nun sein Geld bei Gazprom verdiene, "gelingt es immer weniger Menschen, aus diesem Niedriglohnsektor herauszukommen", so Jena. "Trotz wirtschaftlichen Aufschwungs bleibt die Armutsquote unverändert hoch", sagte der DGB-Chef, der in Germering wohnt. Leiharbeit und ständig befristete Arbeitsverträge würden junge Menschen daran hindern, eine eigene Existenz aufzubauen. "An eine Familienplanung ist gar nicht zu denken", kritisierte Jena. Das Normalarbeitsverhältnis sei vor allem für junge Arbeitnehmer zum Fremdwort geworden. Unrühmlich tue sich vor allem der Freistaat Bayern mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen hervor. "Fast jeder Dritte von 112 000 Beschäftigten - die meisten in Schulen und Universitäten - ist befristet angestellt", entnahm Jena einer aktuellen Auskunft des bayerischen Finanzministeriums. "Lohn-Limbo" sei mittlerweile ein Traditionstanz in Bayern. "Die Arbeitgeber unterbieten die Lohnhöhe und die Beschäftigten müssen zusehen, wie sie noch durchkommen", sagte Jena und kritisierte das "staatlich subventionierte Lohndumping durch Leiharbeit", das sogar Vollzeitarbeitnehmer dazu zwinge, ihr Gehalt mit Hartz IV aufzustocken. Leiharbeit sei "keine Brücke zur Festanstellung", wie Arbeitgeber behaupten würden, sondern eine Sackgasse. "Wir fordern gleiches Geld für gleiche Arbeit ab dem ersten Tag der Beschäftigung", sagte Jena unter dem Applaus der Genossen.

Die neueste Masche der Unternehmer, besonders im Einzelhandel, sei der Missbrauch von Werkverträgen zur Lohndrückerei. Werkvertragsarbeitnehmer würden als Scheinselbständige für Lagerarbeiten oder zum Einräumen von Regalen im Supermarkt missbraucht. "Bekannt ist diese Praxis bei Kaufland, Netto, Lidl und Edeka", sagte Jena. Die Politik habe dafür gesorgt, dass Arbeit immer mehr zur "Ramschware ohne Wert" verkomme". Nur ein gesetzlicher Mindestlohn könne dies unterbinden.

Wortgleich hatte dies auch der SPD-Kreisvorsitzende Michael Schrodi in Aussicht gestellt - falls im kommenden September eine rot-grüne Bundesregierung gewählt würde. "SPD und DGB rücken stärker zusammen", sagte Schrodi - und kritisierte damit die 2004 von Rot-Grün initiierten Hartz-Gesetze. Die Zeiten der Schröder-Regierung würde er am liebsten vergessen machen. "Die SPD hat gelernt und dazu gelernt", beteuerte Schrodi, der sich als SPD- Direktkandidat für den Bundestag mit Gerda Hasselfeldt (CSU) auseinandersetzen muss. "Ich wünsche mir", antwortete das SPD-Mitglied Jena und schmunzelte zu Schrodi hinüber, "dass meine Partei das dann in der Bundesregierung beweisen kann."

© SZ vom 15.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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