Afrikanische Schweinepest:Bedrohliche Annäherung

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Das Wildschwein gilt als potenzieller Virenüberträgerund wird im Landkreis bereits intensiv bejagt. (Foto: Jagdverband)

"Hoffentlich geht der Kelch an uns vorbei", sagt der Metzger. "Wenn das passiert, dann gnade uns Gott", sagt der Jäger. "Die wird wohl kommen", sagt der Bauer. Eins ist allen klar: Geht es um die Afrikanische Schweinepest, dann ist Zusammenhalt gefragt

Von Stefan Salger

Die Angst geht um in den Tierhaltungsbetrieben. Gibt es Hoffnung, dass die Afrikanische Schweinepest den Landkreis verschont, oder ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch hier Sperrzonen eingerichtet und ganze Tierbestände gekeult werden? In Brandenburg sind bereits 38 Wildschweine der meist tödlich verlaufenden Infektion erlegen. Das Dilemma: Vom Schwarzwild kann das Virus auch auf Hausschweine übertragen werden. Dem Menschen kann die Seuche zwar nicht gefährlich werden, doch die wirtschaftlichen Folgen für Landwirte wären verheerend. Nachdem Länder wie China Importverbote für deutsches Schweinefleisch erlassen haben, sind die Fleischpreise bereits heute im freien Fall.

Johannes Müller aus Egenhofen zählt mit seinen 34 Jahren zur Riege der jungen Landwirte, die neue Wege gehen. Zwölf Muttersauen und 150 Mastschweine stehen jeden Tag draußen auf seinen Weiden. Die Aufzucht ist langwieriger und teurer. Das Fleisch lässt sich freilich zu ordentlichen Preisen direkt vermarkten. Müller hat aber auch noch 250 Mutterschweine nebst Ferkeln in Stallhaltung. Deren Fleisch bringt immer weniger ein. Grund genug für den Landwirt, diese Haltungsform zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Viele seiner Kollegen sehen für eine solche Extensivierung keinen Spielraum. Für die sei "der Preisverfall eine Katastrophe", denn die Schweine im Stall seien mittlerweile "praktisch wertlos". 30 Kilo Ferkelfleisch bringen noch 30 Euro. Ein Witz! Das lohnt sich nicht mehr. Auch ohne die Afrikanische Schweinepest wurde es für Tierhaltungsbetriebe in den zurückliegenden Jahren ja schon eng. Die Seuche, die "wohl kommen wird", wie Müller vermutet, werde dem einen oder anderen Bauern den Rest geben. "Das ist eine Katastrophe, da werden einige kaputt gehen." Vor allem die, die kein zweites oder drittes wirtschaftliches Standbein haben wie Ackerbau oder Direktvermarktung.

Schwein gehabt: Die Tiere bei Maisach haben bis auf Weiteres Auslauf und dürfen von ihrem Unterstand aus den schönen Ausblick auf die Weide genießen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Marianne Heidner vom Amt für Landwirtschaft beziffert die Zahl der Mastschweine im Landkreis auf insgesamt 4651 Tiere. Sie verteilen sich auf 42 Betriebe - zwei davon mit mehr als 500 Tieren. 2013 waren es noch 7687 Mastschweine und 52 Betriebe. Die Anzahl der Zuchtsauenhalter ist von acht im Jahr 2013 auf aktuell fünf gesunken. Die Schweinehaltung spielt Amtsleiter Günter Biermayer zufolge denn auch für den Landkreis keine so große Rolle - anders als beispielsweise im Nachbarlandkreis Dachau: Dort werden mehr als doppelt so viele Schweine gehalten.

Johannes Müller fühlt sich eigentlich gut gerüstet. Seine Weiden sind mit einem Dreifachzaun abgesichert, die Ställe hermetisch abgeriegelt - fremde Personen dürfen nur im Ausnahmefall rein - sie müssen sich vorher duschen, Schutzkleidung tragen und dürfen 24 Stunden lang keinen Kontakt zu Schweinen gehabt haben. Eine Begegnung seiner Tiere zu Wildschweinen kann Müller eigentlich ausschließen. Aber die Erfahrung mit der Tierseuche in anderen Ländern zeigt, dass das sehr widerstandsfähige und langlebige Virus immer wieder Lücken findet und sich offenbar sogar über Lebensmittel ausbreiten kann - etwa wenn mit kontaminierter Wildschweinwurst belegtes Brot an Autobahnraststätten achtlos weggeworfen wird. Sollte das Virus irgendwann auch im Landkreis auftauchen, dann wäre der erste Schritt, alle Schweine von der Weide zu holen und im Stall unterzubringen.

Hans Werner Merk leitet das am Landratsamt angesiedelte Veterinäramt. Er pocht auf die strikte Einhaltung der geltenden "Biosicherheitsmaßnahmen". Desinfektion, Hygiene, kein Zutritt für fremde Personen - so soll der Kontakt zu den Wildschweinen unterbunden werden. In den Metzgereien werden die Tiere vor der Schlachtung von Tierärzten untersucht. Würde eine Infektion diagnostiziert, dann liefe die ganze Routine ab: Sperrzonen würden gezogen, der ganze Bestand aus dem betroffenen Stall würde getötet und entsorgt. Es wäre der Ausnahmezustand, so wie es ihn in den Neunzigern schon mal in Deutschland gab - wenn auch nicht im Landkreis.

Wichtig sei, dass Spaziergänger und Landwirte sensibilisiert sind. Liegt irgendwo im Gebüsch ein Wildschweinkadaver, dann müsse das umgehend gemeldet werden. Zudem sieht Merk die Jäger in der Pflicht, die wachsende Wildschweinpopulation zu dezimieren. In Bayern sei das trotz großer Anstrengungen bislang nicht gelungen. "Wir tun wirklich, was wir können", versichert Gerhard von Hößlin, Vorsitzender der fast 400 Mitglieder zählenden Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbands. Im zurückliegenden Jagdjahr, das jeweils von April bis zum darauffolgenden März dauert, sind im Landkreis 869 Wildschweine erlegt worden und damit deutlich mehr als im Vorjahr.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Für sie ist die Schweinepest ein wichtiges Thema: Metzger Engelbert Jais,...

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

...Veterinär Hans Werner Merk,...

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(Foto: Johannes Simon)

...Jäger Gerhard von Hößlin...

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

...und Landwirt Johannes Müller.

Zurzeit herrschen gute Bedingungen, weil viele Maisfelder bereits abgeerntet sind und dem Schwarzwild damit weniger Schutz bieten. Die Jäger haben aufgerüstet, Nachtsichtgeräte angeschafft. Aber die Tiere sind sehr intelligent und lernen schnell. Hößlin setzt auf eine engere Zusammenarbeit der Jäger mit Behörden und Polizei. Bislang habe es aber dort noch wenig Resonanz gegeben, sagt er. Unterschätzen dürfe man die Gefahr durch die Zuwanderung infizierter Wildschweine auf gar keinen Fall: "Wenn das passiert, dann gnade uns Gott."

Die Kunden in den Metzgereien scheinen sich nicht allzu sehr von der Afrikanischen Schweinepest verunsichern zu lassen. Für viele ist Brandenburg offenbar noch weit entfernt. Und irgendwie hofft ja auch Engelbert Jais aus Luttenwang, Obermeister der Metzgerinnung, dass "dieser Kelch an uns vorübergeht". In gewisser Weise ist das Problem aber längst angekommen: Die geringere Nachfrage nach deutschem Schweinefleisch drückt gewaltig auf den Preis. Jais macht sich deshalb vor allem Sorgen um die Tierhaltungsbetriebe: "Wenn der Schweinehalter kein Geld verdient, hört er auf. Das ist uns allen bewusst." Mit 1,20 Euro pro Kilo lassen sich kaum die Kosten erwirtschaften. "Mit einem Federstrich sind die Exporte weggefallen, der Schweinemarkt liegt am Boden", bestätigt Marianne Heidner vom Amt für Landwirtschaft. Der Landwirt sei am Ende der Hauptleidtragende.

In einer möglichst regionalen Vermarktung, nah am Kunden, sieht Jais zumindest einen Hoffnungsschimmer. Außerdem sei es wichtig, dass die Metzger ausloten, was die Schweinebauern brauchen, im Bedarfsfall also auch mal was drauflegen. Er selbst hält 400 Schweine. Und zu einem seiner Lieferanten unterhält er bereits seit 33 Jahren Geschäftsbeziehungen. Das soll auch so bleiben.

Metzgermeister Engelbert Jais sagt mit Blick auf die anscheinend unaufhaltsam näherrückende Tierseuche das, was man öfters hört, wenn man bei Landwirten und Experten das Thema Afrikanische Schweinepest anspricht: "Wir müssen jetzt zusammenhalten."

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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