Afghanistan: General aus Bruck:"Es gibt regelmäßig Sprengstoffanschläge"

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Einsatz in Afghanistan: Brigadegeneral Hans-Georg Schmidt aus Fürstenfeldbruck über seine Aufgaben als Flughafendirektor, die Reaktion seiner Familie - und was er aus Bayern mitnimmt.

Stefan Salger

Brigadegeneral Hans-Georg Schmidt packt seine Koffer-oder genauer: eine olivgrüne Metallkiste mit sehr überschaubaren Maßen. Am 13. Juli wird der stellvertretende Divisionskommandeur ein halbes Jahr lang militärischer Flughafendirektor im afghanischen Masar i Sharif. Für den in Emmering aufgewachsenen 59 Jahre alten Offizier kein Traumjob, aber eine Herausforderung. Mit ihm sprach Stefan Salger.

Fürstenfeldbruck Bruck Luftwaffe Fliegerhorst General Hans georg Schmidt stellvertretender Kommandeurr der 1. Luftwaffendivision fährt für 6 Monate nach Afghanistan und wird Flughafendirektor in Masar i Sharif Foto: Salger (Foto: region.ffb)

SZ: Herr Schmidt, wie bereiten Sie sich auf den Einsatz in Afghanistan vor?

Schmidt: Mit Seminaren in Germersheim. Zwei Wochen hat die infanteristische Einweisung, eine Woche die landeskundliche Einweisung gedauert. Darüber hinaus verfolgen wir als Truppensteller sehr intensiv die Entwicklung der Lage im Einsatzgebiet. Und bei einer sechsmonatigen Verwendung beim US Central Command in Tampa Florida habe ich mich vor knapp zwei Jahren auf strategischer Ebene mit Vertretern aus mehr als 60 beteiligten Nationen intensiv mit dem Geschehen im Irak, Afghanistan und am Horn von Afrika beschäftigt.

SZ: Sie waren im Rahmen des Balkankrieges eingesetzt. Lässt sich das mit Afghanistan vergleichen?

Schmidt: Teilweise ja, zumindest was die internationale Zusammenarbeit betrifft. Signifikant anders ist jedoch diesmal, dass auch die Luftwaffe im Kriegsgebiet stationiert ist.

SZ: Was macht ein Flughafendirektor in Masar i Sharif?

Schmidt: Die genaue Bezeichnung ist "Base Commander-mit den Aufgaben einer Senior Airfield Authority". Ich werde dort zentraler Ansprechpartner für den militärischen ISAF-Flugbetrieb sein und auch Verbindung zum zivilen afghanischen Flughafendirektor halten. Der Flugbetrieb in Masar i Sharif nimmt stark zu, in Kürze sollen unter anderem circa 40 US-Hubschrauber dort übergangsweise stationiert werden. Insgesamt geht es um die Gewährleistung der Flugsicherung wie Flugverkehrskontrolle und Luftraumordnung, der Flugsicherheit, also auch Flugunfallprävention, sowie die Absicherung am Boden. Das ganze Areal ist riesig, dort arbeiten auch 1000 zivile afghanische Kräfte.

SZ: Angeblich bereiten Sie auch schon den Boden für die zivile Nachfolgenutzung.

Schmidt: Ein Ende des Militäreinsatzes lässt sich noch nicht genau absehen. Aber es stimmt, dass in Masar i Sharif zum Beispiel Auswärtiges Amt und die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit engagiert sind. Mit ihren Mitteln werden unter anderem Abfertigungshallen und Kontrollturm aufgebaut. Irgendwann soll die Kontrolle des Flugverkehrs in afghanische Hände gelegt werden. Angesichts des eher schleppenden zivilen Aufbaus und der Rückschläge dauert das aber sicher noch einige Zeit.

SZ: Schaffen Sie die Voraussetzungen auch für internationale Überflüge?

Schmidt: Zurzeit machen Flugzeuge einen großen Bogen um Afghanistan. Das bedeutet für die Fluggesellschaften einen erhöhten Treibstoffverbrauch und belastet auch die Umwelt. Afghanistan kann sich durch die Flugverkehrskontrolle eine wichtige Einnahmequelle erschließen.

SZ: Wie ist die aktuelle Sicherheitslage dort?

Schmidt: Es gibt regelmäßig Sprengstoffanschläge im gesamten Land und die bekannten kriegerischen Auseinandersetzungen-vor allem im Grenzgebiet zu Pakistan und Afghanistan sowie im Süden des Landes. Auch keiner der deutschen Standorte gilt noch als sicher.

SZ: Gehen Sie gerne in diesen Einsatz oder ist es reine Pflichterfüllung?

Schmidt: Es ist Pflichterfüllung, aber durchaus eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle.

SZ: Eine Belastung für die Familie?

Schmidt: Ja natürlich, aber die ist einiges gewöhnt. Meine Tochter ist 28, mein Sohn 31 Jahre alt. Sie machen sich zwar Sorgen, wissen die Situation aber einzuschätzen. Ich habe aber natürlich auch Vorkehrungen für alle Fälle getroffen. Mit der Familie werde ich über Telefon und E-Mail in Kontakt bleiben.

SZ: Was nehmen Sie aus Bruck mit?

Schmidt: Ganz wenig. Private Kleidung beispielsweise braucht man eigentlich gar nicht, nach wohl zwölf bis 16 Stunden Arbeit will und kann man ohnehin nicht aus dem gesicherten Gelände heraus. Im Koffer ist die normale militärische Ausstattung, Stiefel, Stahlhelm und eine Schutzmaske. Ach ja, und eine Art Talisman-ein Ulrichskreuz, das mir ein Monsignore früher in Lechfeld geschenkt hat. Es hat mir bisher Glück gebracht. Außerdem nehme ich Bücher und CDs mit.

SZ: Bei den Luftwaffenangehörigen in Bruck sind sie als passionierter Sportler bekannt, früher sind Sie die 800 Meter unter zwei Minuten gelaufen. Können Sie weiter Sport treiben in Afghanistan?

Schmidt: Kaum. Naja, im gesicherten Bereich kann man joggen oder an den Fitnessgeräten trainieren. Aber Touren mit dem Rennrad oder in die Berge, wie hier, damit ist es natürlich erst mal vorbei.

SZ: Kehren Sie später wieder an den Standort Fürstenfeldbruck zurück?

Schmidt: So ist es geplant. Ich habe noch knapp zwei Jahre bis zum Ruhestand. Ich fühle mich wohl hier und ich habe auch noch einige Freunde und Bekannte in der Stadt und in Emmering.

SZ: Wie geht es weiter mit dem Standort Fürstenfeldbruck? Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat ja die Auflösung von kleineren Standorten und Reduzierung der Truppenstärke angekündigt.

Schmidt: Bruck ist auch nach der letzten Reform von 2004 ein stabiler Standort geblieben. Insgesamt 3000 Soldaten und Offiziersschüler sind hier stationiert. Und 140 Soldaten und zivile Angehörige der 1. Luftwaffendivision führen von hier aus die unterstellten Verbände, zu denen ab Juli noch drei weitere des Lufttransportbereichs hinzukommen werden. Die derzeit 6500 Kräfte sollen auf mehr als 10000 aufgestockt werden. Über die Zukunft wird die Politik entscheiden, es gibt da bislang noch nichts Konkretes.

SZ: In den nächsten Tagen feiern Sie Ihr 40. Dienstjubiläum. Wie haben sich Bundeswehr und Luftwaffe in dieser Zeit verändert?

Schmidt: Ganz gewaltig. Ein Jahr bevor ich als Wehrpflichtiger eingezogen wurde, begann die Krise in der damaligen CSSR. Damals gab es noch den Eisernen Vorhang und den Warschauer Pakt. Die Bundeswehr war bedeutend größer und ist nach der Wiedervereinigung noch stärker gewachsen, mittlerweile aber auf 250000 Soldaten geschrumpft. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz und erfüllt international ihre Aufgaben. In Afghanistan wird klar, dass Abschreckung und der Einsatz militärischer Mittel alleine nicht reichen bei der Krisenbewältigung. Wir müssen uns dort für die Ausbildung der Sicherheitskräfte engagieren und beim Aufbau eines im Lande akzeptierten Werte- und Rechtssystems helfen. Das wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Das muss jedem klar sein.

SZ: Immer wieder klagen Soldaten darüber, dass ihre Aufgabe der Friedenssicherung von der Bevölkerung kaum honoriert wird. Stimmt das?

Schmidt: Das hat sich-so glaube ich-geändert. Leider gibt es dafür einen traurigen Auslöser: die gestiegene Anzahl an Todesopfern, gefallenen Kameraden, auch unter deutschen Soldaten. Damit ist der Bevölkerung auch hier im Umfeld des Fliegerhorstes mehr ins Bewusstsein gerückt, welche Gefahren unser Einsatz birgt.

© SZ vom 26.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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