Promi-Tipps für München und Region:Die Woche von Friedrich Ani

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Friedrich Ani umkreist in seinem aktuellen Roman "Bullauge" insbesondere das Thema Polizei in ihren vielen Facetten. Einfache Antworten gibt er nicht. (Foto: Hans Buttermilch; Susie Knoll)

Der vielfach ausgezeichnete Münchner Autor freut sich in der Woche vom 14. bis zum 20. November auf Ausstellungen, einen famosen Wortakrobaten und die Boazn ums Eck.

Bekannt wurde der "Meister des Noir" als Erfinder des charismatischen Kommissars Tabor Süden, der in bislang 21 Büchern bedächtig nach Vermissten und Verschollenen sucht. Anders als in Kriminalromanen üblich, steht bei Friedrich Ani nicht immer der Mord im Vordergrund - der Münchner Autor hat ein Faible für das Innenleben seiner Charaktere, für die seelischen und äußeren Abgründe, was seine Krimis besonders hintergründig werden lässt. " Bullauge" heißt sein jüngster Roman, der wie so oft auf Münchner Straßen, in Mietshäusern und Spelunken spielt.

Montag: Vorfreude auf Großes

Montag ist der Wahnsinn. Der Montag ist mein absoluter Lieblingstag. Manchmal freue ich mich ab ungefähr Donnerstagnacht der Vorwoche schon auf den kommenden Montag. Am Montag fängt was Großes an. Was genau? Das wird sich weisen, ein neuer Roman, ein Gedicht, ein Gedanke, der irre Sätze auslöst... Egal. Was am Montag passiert, hat Auswirkungen auf die Zukunft! Natürlich sollte ich endlich die Ausstellung der einzigartigen Fotografin Isolde Ohlbaum im Goethe-Institut besuchen. Die Schau öffnet bereits um neun Uhr, also zu einer für mich optimalen Zeit. Dort gibt es nicht nur fantastische Blumenbilder zu bewundern, sondern auch Porträts von Schriftstellerinnen und Schriftstellern - eines auch von mir, möchte ich bescheiden anmerken. Unerreicht jedoch ist Ohlbaums Foto von Thomas Bernhard, wie er sich im Sessel fläzt, eine Hand auf dem Bauch, der andere Arm lässig auf der Schreibtischkante, und im Blick nichts als Süffisanz und geschmeidige Arroganz. Abends spielen die Sechzger im Stadion vor meiner Tür. Bis dahin muss ich was geleistet haben, hoffentlich nicht ausschließlich für die dritte Liga.

Dienstag: Tatort Südfrankreich

Sein Kommissar heißt Narciso Lazare und ermittelt in Südfrankreich: Krimi-Autor Robert Hültner. (Foto: Sonja Herpich)

Jeden Dienstag stehe ich ratlos auf. Der Dienstag ist mir seit jeher fremd, ich verstehe ihn einfach nicht. Mir wäre es lieber, nach dem geliebten Montag ginge es mit dem Mittwoch weiter, den mag ich. Kann nicht erklären, wieso, der Mittwoch ist einfach ein Tag zum Gernhaben. Aber der Dienstag... In der Früh schreibe ich an einem Hörspiel weiter und dann? Ich werde Robert Hültners Roman " Lazare und der tote Mann am Strand" zu Ende lesen und mir danach überlegen, warum ich eigentlich noch nie in Südfrankreich war, wo die Geschichte spielt. Um zu verhindern, dass mir auch meine Frau diese Frage zum wiederholten Mal stellt, lade ich sie ins vietnamesische Restaurant Ho ein, das liegt gleich gegenüber dem Sechzger-Stadion, in den Räumen des ehemaligen Café Knoll. Ein wunderbarer, hell erleuchteter Ort für Familien und Einzelesser, es gibt Sushi und Speisen wie Goi Cuan Ga, Ga Sa Ot oder Cha Gio Chay, die ich hier nur erwähne, weil sie so geheimnisvoll klingen. Das Ho ist wie Giesing, multikulturell, angenehm ruppig von der Ausstattung her (allerdings mit einem vor allem für Kinder magischen Aquarium) und offen für Menschen jeglicher Herkunft. Ich werde meiner Frau erklären, dass ich wegen meiner latenten Flugangst leider unmöglich nach Vietnam reisen kann.

Mittwoch: Packendes Hörspiel

Meisterin ihres Fachs: Die Schauspielerin Bibiana Beglau spricht neben Johannes Silberschneider die Hauptrolle im Hörspiel "Abendland und Untergang". (Foto: Robert Haas)

Mittwoch ist easy. Nach dem Schreiben ist vor dem Hören. Am Abend läuft auf Bayern2 ein neuer Radio-Tatort des Dichters und Krimipreisträgers Franz Dobler. Die Regie lag wie immer in den Händen und Ohren von Ulrich Lampen, einem Urgestein des anspruchsvollen Hörspiels. " Abendland und Untergang" heißt das Stück, in den Hauptrollen ein Meister und eine Meisterin ihrer Gewerke: Bibiana Beglau und Johannes Silberschneider. Die Geschichte dreht sich um eine AfD-Politikerin, die heimlich mit einer Frau... Selberhören macht schön! Das Hörspiel gibt es natürlich auch als Podcast, was in dem Fall für mich wichtig ist. Zur selben Zeit wird nämlich das Literaturfest im Literaturhaus eröffnet. Auch ein Ort, ohne den ich in München nicht mehr leben könnte.

Donnerstag: Wortakrobatik

Große Kunst im Kleinen: Willy Astors Wortspiele sind so toll wie sein Gitarrenspiel, findet Friedrich Ani. (Foto: Veranstalter)

Am Donnerstag spielt Willy Astor im Forum Fürstenfeld. Da werde ich nicht hinfinden, macht aber nichts, viele andere werden es schon schaffen. Immer wieder in den vergangenen Jahren (Jahrzehnten?) saß ich so da in meiner Klause und dachte, bestimmt sitzt der Willy jetzt auch so da und denkt sich einen unfassbaren Schmarrn aus. Und über den lache ich mich dann wie immer, wenn ich ihn im Radio höre, dermaßen kaputt. Seine Wortakrobatik ist so toll wie sein Gitarrenspiel. Ein Kleinkünstler macht Großkunst. Und sonst? Mei, Donnerstag halt...

Freitag: Gut behütet

Die Kulturgeschichte der Kopfbedeckungen in allen Formen und Farben zeigt die Ausstellung "Hauptsache" im Bayerischen Nationalmuseum. Im Bild ein Filzhut von Philip Treacy, um 2010. (Foto: Bastian Krack/Bayerisches Nationalmuseum)

Am Freitag wurde Jesus gekreuzigt. Daran muss man nicht dauernd zwangsläufig denken, aber ich arbeite gerade an einem Gedichtzyklus über einen Klosterbruder, der zunehmend den Kontakt zu Gott verliert. Da fängt so ein Freitag schon mal deprimierend an. Es wird aber besser im Lauf des Tages. Und zwar richtig gut, und noch dazu mit Hut. Im Bayerischen Nationalmuseum - übrigens das meiner Wahrnehmung nach am meisten unterschätzte und am wenigsten öffentlich gewürdigte Museum Bayerns - läuft eine Ausstellung mit dem launigen Titel " Hauptsache". Gezeigt werden Kopfbedeckungen in unzähligen Variationen, Mützen, Hüte, Hauben und so fort, die eine sehr spezielle Kulturgeschichte der Kommunikation erzählen. Was die Menschheit auf dem Kopf trug und bis heute trägt, verweist auf Herkunft und Stand und dient als Statement für die eigene Persönlichkeit. Und selten passte die Bezeichnung Schirm-Herrschaft besser als zu dieser "Hauptsache". Niemand anderes als die Gräfin von Thurn und Taxis hält für das Bayerische Nationalmuseum ihren Kopf hin.

Samstag: Bier in der Boazn

Entspannung nach aufwühlender Lektüre findet Friedrich Ani bei ihm ums Eck im "Bumsvoll" in Giesing. (Foto: Catherina Hess)

Am Samstag beginne ich mit dem mächtigen Roman "Planet ohne Visum" von Jean Malaquais (Edition Nautilus). In Marseille warten 1942 Tausende vor dem Krieg Geflüchtete auf eine Ausreisemöglichkeit. Ein Kosmos aus Stimmen und Schicksalen, der jetzt zum ersten Mal auf Deutsch zu erleben ist, in der Übersetzung von Nadine Püschel. Mehr braucht's an diesem Samstag nicht. Höchstens, zur Entspannung von der aufwühlenden Lektüre, zwei, drei Augustiner in der am frühen Abend noch leeren Boazn "Bumsvoll" bei mir ums Eck.

Sonntag: Zweisamkeit

Am Sonntag neigen meine Frau und ich zu extremer Zweisamkeit. Deswegen passiert an dem Tag auch nichts weiter fürs Publikum Berichtenswertes...

Friedrich Ani, 1959 geboren, schreibt Romane, Gedichte, Hörspiele und Drehbücher. Seine Werke erscheinen im Suhrkamp Verlag und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach prämiert. Sein Roman "Der namenlose Tag" wurde unter die zehn besten internationalen Kriminalromane des Jahres gewählt und von Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff verfilmt. Zuletzt veröffentlichte er den Roman "Bullauge". Friedrich Ani ist Mitglied des PEN-Berlin und lebt in München.

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