Forschung in Freising:"Ohne Mikroorganismen geht's nicht"

Lesezeit: 2 min

In solchen Petrischalen züchten Forscher Mikroorganismen heran. (Foto: Imago)

Sie waren die ersten Bewohner der Erde und sie werden auch die letzten sein: Mikroorganismen. Was sie so faszinierend macht, welche Bedeutungen sie für den Menschen haben und welches Potential sie für die CO₂-Neutralität haben, erläutert Professor Wolfgang Liebl von der TU München.

Von Lena Meyer, Freising

Vielleicht sind Mikroorganismen "nicht immer so sexy anzuschauen, wie Tiere oder Pflanzen, die spektakulär aussehen", sagt Wolfgang Liebl von der Technischen Universität München (TUM) in Weihenstephan. Kugelartig oder in Form von langen Stäbchen erscheinen sie unter dem Mikroskop. Sehr klein, sehr vielfältig und dazu nicht gerade sehr auffällig. Dennoch: Die Rolle, die die winzig kleinen Lebewesen für Mensch und Umwelt spielen, ist beachtlich. So wie auch ihre Diversität, Anpassungsfähigkeit und Leistung.

Ob in Gewässern, im Boden, als Bakterium oder Pilz - Mikroorganismen sind facettenreich und umgeben den Menschen ständig. Auch auf und in ihm lassen sich diverse kleine Lebewesen, wie etwa Bakterien finden. Das ist allerdings kein Grund, das Desinfektionsmittel hervor zu holen und sich damit abzuschrubben. Im Gegenteil: Wolfgang Liebl verweist auf die vielen nützlichen Bakterien, die es gibt und die in uns wohnen, wie beispielsweise im Darm.

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Dort leben Tausende Stämme unterschiedlicher Bakterien als Darmflora zusammen und helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen. Zudem verhindern sie das Ausbreiten von Krankheitserregern im Darm und produzieren wichtige Vitamine für den Körper. Generell könnten Bakterien helfen, das menschliche Immunsystem zu trainieren, vermutet Liebl. "Die Daten sprechen schon dafür", sagt der Experte. Für einen gesunden Menschen mit einem gesunden Immunsystem stellten sie daher keine Belastung dar, sondern seien eher von Vorteil.

Doch Mikroorganismen können weit mehr und sind von großer Wichtigkeit in globalen Stoffwechselprozessen, da sie an vielen grundlegenden biogeochemischen Prozessen beteiligt sind. Prozesse, die "für uns alle wichtig sind", so Liebl. Damit unterstützen sie wiederum das Funktionieren des Planeten. So sind Bakterien und Archeen entscheidend für den Abbau von organischen Materialien, wie abgestorbene Pflanzen und Tiere. Die Abbauprozesse der pflanzlichen Biomasse stellt sicher, dass Nährstoffe wie Kohlenstoff im Ökosystem recycelt werden.

Wolfgang Liebl, Professor für Mikrobiologie an der TU München, Weihenstephan. (Foto: privat)

Zudem spielen Mikroorganismen eine zentrale Rolle in der Abwasserreinigung und bauen Schadstoffe aus dem Abwasser ab. Das seien nur Beispiele, die den immensen Nutzen von Mikroorganismen für den Menschen aufzeigten, erklärt Liebl. Ohne sie wären diese wichtigen Abläufe überhaupt nicht möglich. "Ohne Mikroorganismen geht's nicht", stellt Liebl klar.

Die gezielte Nutzung von Mikroorganismen in fermentativen Prozessen kann außerdem dazu beitragen, CO₂ einzusparen und nachhaltigere Lösungen für die Energieerzeugung, Lebensmittelproduktion und chemische Industrie zu schaffen. Liebl erwähnt ein Forschungsprojekt zur CO₂-Neutralität, in dessen Rahmen durch bestimmte Bakterien, wie Clostridium Acetobutylicum, der Alkohol Butanol hergestellt wurde. Dieser habe wiederum das Potential, zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beizutragen und könne als Ersatz für fossile Brennstoffe in verschiedenen Bereichen angewandt werden, beispielsweise als Kraftstoff.

Jedes Bakterium hat andere und eigene Qualitäten für die Stoffwechselprozesse

Während der Fermentierung werden die Organismen hochkultiviert. Der Vorteil sei dabei, dass jedes Bakterium andere und eigene Qualitäten für die Stoffwechselprozesse habe. Dieses Zusammenbringen der Kulturen beschreibt Liebl als neu und aktuell. "Je mehr man über das Miteinander lernt, desto mehr lernt man auch über die Organismen und darüber, wie sie in der Natur auskommen."

Die genaue Zahl der Mikroorganismen sei noch nicht bekannt, ihre Diversität allerdings beschreibt Wolfgang Liebl als "immens". Dabei besiedeln sie auch Habitate, die eigentlich lebensunwirtlich erscheinen. So etwa die Tiefsee, heiße Quellen bei Temperaturen über 100 Grad. "Das lieben einige von ihnen." Aufgrund ihrer Anpassungsstrategien und -möglichkeiten sei die Bandbreite an bevorzugten Habitaten groß. Und das werde sich auch nicht ändern. "Irgendwann wird die Erde zugrunde gehen und die Mikroorganismen werden dann die letzten Lebewesen sein." Bis dahin sei es allerdings noch sehr, sehr lange hin, so Wolfgang Liebl.

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