Tempolimit:Kommunen kämpfen für größeren Spielraum

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Tempo 30 auszuweisen ist für die Kommunen nicht einfach, oftmals scheitern sie an den rechtlichen Vorgaben. Auf Durchfahrtsstraßen ist das in der Regel nicht möglich. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

In reinen Wohngebieten ist es meist kein Problem, an anderer Stelle aber sind den Kommunalpolitikern die Hände gebunden, wenn sie Tempo 30 ausweisen wollen. Mit einer Resolution wollen Isarregion und Ampertal-Gemeinden nun Druck machen.

Von Petra Schnirch und Florian Tempel, Freising

Viele Gemeinden in den Landkreisen Freising und Erding würden gerne auch auf Durchgangsstraßen Tempo 30 ausweisen, scheitern damit jedoch regelmäßig an der aktuellen Rechtslage. Die gibt derzeit noch hohe Hürden vor. Mit einer Resolution, die in den Stadt- und Gemeinderäten der Mia-Region (Mittlere Isarregion & Ampertal) gerade diskutiert wird, wollen die Kommunen Druck machen, damit sie mehr Entscheidungsspielraum bekommen.

Doch danach sieht es vorerst nicht aus. Zwar sind im Koalitionsvertrag der Bundesregierung Lockerungen in diese Richtung vorgesehen. Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung sollten noch in diesem Jahr so angepasst werden, dass auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden. Auf Vorfahrtstraßen, in der Nähe von Spielplätzen und auf viel genutzten Schulwegen sollte es künftig leichter sein, Tempo 30 auszuweisen. Der Bundestag stimmte dem im Oktober zu, doch der Bundesrat hat eine entsprechende Änderung Ende November erst einmal gestoppt.

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Somit kämpfen die Kommunen weiterhin wie Don Quijote gegen Windmühlen. Vor zwei Jahren musste die Gemeinde Eching in Dietersheim Tempo-30-Schilder in der Echinger Straße wieder abmontieren, das Landratsamt hatte dies angeordnet. Im Landkreis Erding ist es kaum anders. Tempo-30-Begrenzungen sind vor Kitas, Schulen, Krankenhäusern oder Altenheimen genehmigungsfähig, aber nur für maximal 300 Meter. In Ottenhofen hatte die Gemeinde an der Schwillacher Straße, an der es zur Schule und zum Kindergarten geht, über 600 Meter eine Beschränkung erlassen. Der Gehweg, den es dort nur auf einer Seite gibt, ist sehr schmal. Eine Drosselung der Geschwindigkeit schien nach einhelliger Ansicht absolut sinnvoll zu sein. Das Landratsamt Erding hat jedoch, nach der Beschwerde eines Verkehrsteilnehmers, der Gemeinde mitgeteilt, dass das so nicht erlaubt sei.

In der Stadt Dorfen wurde vor einigen Jahren vor dem Bahnhof Tempo 30 eingeführt, weil hier so viele Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind. Stadtrat und Polizei waren sich einig, dass das eine gute Sache sei. Die Beschwerde eines einzigen Bürgers reichte jedoch aus, dass dies von der Regierung von Oberbayern wieder gekippt wurde. Das örtliche Wissen der Stadtverwaltung, des Stadtrats und der Polizei über die lokale Situation spielte keine Rolle.

Dank Straßenschäden gilt auf der Isarstraße in Marzling nun doch Tempo 30. Andere Vorstöße waren zuvor gescheitert. (Foto: Marco Einfeldt)

Erfolge gibt es bislang nur in wenigen Kommunen und dann nur ausnahmsweise. In der Isarstraße in Marzling gelang es Ende vergangenen Jahres nach verschiedenen Anläufen, unter anderem einer Petition im Landtag, nur mit einem Trick, Tempo 30 auszuweisen: Die Gemeinde berief sich dabei auf Straßenschäden.

Einer Anfrage aus Kranzberg, im Zuge der Sanierung der Ortsdurchfahrt im Ortskern eine Beschränkung zu erlassen, weil dort viele Schulkinder unterwegs sind, erteilte man im Landratsamt Freising mit Blick auf die geltende Rechtslage gleich eine Absage. Das Gleiche gilt für die Wippenhauser Straße in Thalhausen. Obwohl nur eine Ortsstraße, ist sie eine Durchgangsstraße, in einem reinen Wohngebiet wäre dies einfacher.

Der Kranzberger Gemeinderat unterstützt die aktuelle Resolution, allerdings gab es auch Gegenstimmen. Auf die Gemeinden werde der Druck wachsen, wenn die Ausweisung leichter möglich ist, gibt Kranzbergs Bürgermeister Hermann Hammerl (FWG) zu bedenken. "Das weckt Begehrlichkeiten." Zwar wünschen sich viele Bürgerinnen und Bürger Tempo 30, unumstritten sind solche Limits aber nicht. Weil sich viele Autofahrer nicht daran hielten, müssten zudem mehr Blitzer aufgestellt werden.

Auch viele Kommunen aus dem Landkreis gehören einem bundesweiten Bündnis an

Tempo-30-Zonen dagegen sind eine Erfolgsgeschichte, sie feiern in diesem Jahr Geburtstag, die erste wurde vor 40 Jahren in Buxtehude eingerichtet. Während sie in vielen Wohngebieten längst die Regel sind, scheitern Vorstöße der Kommunen, Beschränkungen auch für Bundes-, Land- und Kreisstraßen sowie weitere Vorfahrtstraßen zu erlassen.

Die Unterstützung für mehr Tempo 30 ist breit. Im Mobilitätskonzept der Mia-Region, zu der zahlreiche Kommunen in den Landkreisen Freising und Erding gehören, ist dies eine der Forderungen des Maßnahmenkatalogs, ebenso entsprechende Kontrollen. Dem deutschlandweiten Bündnis "Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten", das sich bereits seit 2021 für mehr kommunale Handlungsfreiheit einsetzt, gehören auch viele Kommunen aus dem Landkreis Freising an, darunter die Städte Freising und Moosburg sowie Allershausen, Attenkirchen, Au, Eching, Haag, Hallbergmoos, Marzling, Neufahrn, Wolfersdorf und Zolling an. Im Landkreis Erding sind es Dorfen, Forstern, Isen, Lengdorf und Wartenberg.

"Vernunft wird heute klein geschrieben"

Auf der Webseite der Initiative heißt es: Lebendige, attraktive Städte und Gemeinden bräuchten lebenswerte öffentliche Räume. "Ein wesentliches Instrument zum Erreichen dieses Ziels ist ein stadt- und umweltverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr - auch auf den Hauptverkehrsstraßen." Und weiter: Die Kommunen sollten selbst entscheiden können, wann und wo sie welche Geschwindigkeiten anordnen.

Die Stadt Freising - Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher ist zugleich Vorsitzender der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Mittlere Isarregion - wird noch über die Resolution abstimmen. Das dürfte reine Formsache sein, weil Freising ja Mitglied des deutschlandweiten Bündnisses mit einer gleichlautenden Forderung ist. Auch in Freising wünsche man sich vom Gesetzgeber her grundsätzlich mehr Handlungsspielraum, sagt Pressesprecherin Christl Steinhart.

Allerdings: Nach Einschätzung des Landratsamts Freising könnten die Kommunen auch nach einer Gesetzesänderung nicht so frei entscheiden, wie sie das gerne wollen. Tempo 30 könnte wohl leichter an Fußgängerüberwegen, Spielplätzen und "hochfrequentierten Schulwegen" angeordnete werden. Zudem sollten laut Referentenentwurf Lücken zwischen bestehenden 30er-Beschränkungen besser geschlossen werden mit einer Ausweitung der Abstände von 300 auf 500 Meter. "Darüber hinaus waren in dem Entwurf allerdings keine zusätzlichen Erleichterungen für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen (inner- und außerorts) enthalten", so Pressesprecher Tobias Grießer, außer an besonders gefährlichen Stellen.

"Wenn die Leute vernünftig fahren würden, wenn sie mehr Rücksicht auf Kinder und Radfahrer nehmen würden, bräuchte es die ganz Diskussion gar nicht, sagt der Kranzberger Bürgermeister, räumt aber selbst ein: "Vernunft wird heute klein geschrieben."

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