Anfeindungen gegen Rettungskräfte:"Die Menschen werden immer egoistischer"

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Beim "Blaulichtgespräch" von Staatsminister Florian Herrmann beklagen die Vertreter der Hilfsorganisationen zunehmende Attacken auf ihre Mitarbeiter. Sie sprechen von einer zunehmenden "Verrohung".

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Nachwuchsmangel, Sparmaßnahmen und zunehmender Kostendruck: Das sind Probleme, mit denen die Rettungskräfte auch im Landkreis Freising schon lange zu kämpfen haben. Immer öfter sind sie bei ihren Einsätzen aber auch Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt - körperlicher und verbaler Art. Das wurde am Mittwoch beim ersten Blaulichtgespräch des Freisinger CSU-Landtagsabgeordneten Florian Herrmann in diesem Sommer deutlich. Der Leiter der Staatskanzlei hatte dazu Vertreter des BRK, der Malteser, der Wasserwacht, von Navis und vom Technischen Hilfswerk (THW) eingeladen.

"Übergriffe bei Rettungseinsätzen. Das ist ein Thema, an dem wir unbedingt dranbleiben müssen", sagte zum Beispiel BRK-Kreisgeschäftsführer Albert Söhl. "Unsere Mitarbeiter werden immer wieder handgreiflich bei Einsätzen angegriffen", so Söhl weiter. Vor längerer Zeit seien zwei Kollegen nach einem solchen Einsatz sogar mehrere Wochen ausgefallen, weil sie dienstunfähig gewesen seien. "Gut, die Täter werden dafür auch verurteilt", räumte Söhl ein. Doch das ändere nichts daran, dass in der Gesellschaft ein Wandel eingetreten sei, den es zu beobachten gelte. "Verrohung" nennt Söhl das. Meist sei bei den Übergriffen sehr viel Alkohol im Spiel. Doch es gebe auch andere Fälle.

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Viele Bürger würden sich beispielsweise fürchterlich darüber aufregen, wenn der Rettungswagen eine Einfahrt zuparke. "Aber wir können doch bei einem Notfalleinsatz nicht erst stundenlang einen Parkplatz suchen. Und draußen stehen die besorgten Angehörigen und winken schon", klagte Söhl.

Die Menschen werden immer egoistischer

Auch Michael Wüst, Ortsbeauftragter vom THW in Freising, hat festgestellt, "dass die Menschen immer egoistischer werden und kein Verständnis dafür haben, dass es nicht immer nur um sie geht". Sebastian Oberpriller von den Maltesern berichtete von einem Fall, in dem der Rettungswagen von erbosten Bürgern einfach eingeparkt worden war, und Söhl erzählte weiter: "Die Leute fahren den Rettungswagen auch einfach mal selbst weg, wenn der Schlüssel steckt und unsere Mitarbeiter noch beim Patienten sind."

Allgemein wurde beklagt, dass der überwiegend ehrenamtliche Einsatz der Rettungskräfte im Landkreis nicht mehr so geschätzt werde wie früher. THW-Ortsbeauftragter Wüst brachte das auch in Zusammenhang mit der Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes in Deutschland. "Ich glaube, da wurde ein großer Fehler gemacht. Wir hatten doch ein System, das über Jahrzehnte gut funktioniert hat", sagte er. Mit dem Einsatz im Zivildienst hätten zumindest einige gelernt, dass man für eine funktionierende Gesellschaft auch etwas tun muss. Viele hätten so auch Gefallen an dem Beruf im Pflege- oder Rettungsdienst gefunden und seien dabei geblieben. Das Freiwillige Soziale Jahr könne hier kein Ersatz sein und den Rettungskräften fehle jetzt das Personal.

Die Rettungskräfte wünschen sich ein verpflichtendes Schülerpraktikum

Wünschen würden sich die Rettungskräfte beispielsweise ein verpflichtendes einwöchiges Praktikum für Schüler. "Schon junge Leute müssen eingepflanzt bekommen, dass sie etwas für die Gesellschaft tun müssen", forderte Michael Wüst. Vielleicht könne man ja auch im Sozialkunde-Unterricht schon über die Vorteile und die Notwendigkeit des Ehrenamtes informieren.

Positiv seien auch Aktionen wie kürzlich der Blaulichttag im Freisinger Kombibad "Fresch" zu sehen. Einen ganzen Tag lang hatten sich die Hilfsorganisationen aus dem Landkreis mit verschiedenen Aktionen vorgestellt und so auch um Nachwuchs geworben. "Etwa 120 Kinder waren da", berichtete Michael Wüst. Jetzt hofft man, bei dem einen oder anderen vielleicht das Interesse für eine spätere Mitarbeit geweckt zu haben.

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