Mundraub:Pflücken ausdrücklich erlaubt

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Darf man so einfach mitnehmen, was am Wegrand auf dem Boden liegt oder über dem Zaun hängt? (Foto: Imago)

Ist Ernten auf öffentlichen Wegen erlaubt? Wann ist es Diebstahl oder Mundraub? Wer sich an fremden Bäumen bedient, sollte einiges beachten, um nicht ungewollt Ärger zu bekommen. Eine Karte zeigt, wo man in München und Umgebung pflücken darf.

Von Regina Bluhme

Ein Walnussbaum am Wegesrand. Klack, klack - eine Nuss nach der anderen fällt zu Boden. Eine Handvoll kommt da schnell zusammen. Doch darf man die Nüsse einfach so mitnehmen? Ist Ernten auf öffentlichen Wegen überhaupt erlaubt? Und wann ist es Diebstahl oder Mundraub? Sicher ist: Wer an fremden Bäumen erntet, sollte einiges beachten, um nicht ungewollt Ärger zu bekommen, wie eine Nachfrage der SZ beim Amtsgericht Erding ergibt.

Auf der Plattform Mundraub.org gibt es eine deutschlandweite Karte mit Hunderten Standorten von Obstbäumen und -sträuchern, von Nussbäumen und Kräutern auf öffentlichem Grund, an denen man sich kostenlos und ganz legal bedienen darf. Wer einen einsamen Apfelbaum oder Quittenstrauch auf freier Flur und öffentlichem Grund entdeckt zu haben, kann diesen auf der interaktiven Karte von mundraub.org eintragen.

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Auch für die Landkreise Erding und Freising finden sich auf der Karte mehrere Einträge, einige sind allerdings schon über zehn Jahre alt. Eine Fundgarantie gibt es also nicht, im Zweifelsfalle sollte vor der Ernte auch lieber nochmals genau hingeschaut werden, ob die Stelle auch öffentlich ist. In der Großen Kreisstadt Erding zum Beispiel werden im Bereich Am Gries Hagebutte und Haselnuss aufgelistet, an der Prielmayer Straße ein Apfel- und ein Birnbaum, Walnussbaum am Stadtanger und dann natürlich die Streuobstwiese im Stadtpark mit Kirsche, Korbiniansapfel, Pflaume und Birne.

Im Stadtbereich Freising wird unter anderem auf den Birnen- und Pflaumenbaum im Amtsgerichtsgarten verwiesen, auf Apfelbäume am Spielplatz an der Kammergasse, jede Menge Bärlauch am Weihenstephaner Hang, Walnuss im Bereich Gute Änger und an der Angerbrunner Straße oder Haselnuss im Bereich der Tuchinger Straße.

Auf der Streuobstwiese im Stadtpark finden sich Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Pflaumenbäume. (Foto: Renate Schmidt)
Vorsicht beim Griff in fremde Apfelbäume ist durchaus geboten. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Also, nichts wie ran? Markus Nikol, stellvertretender Direktor und Pressesprecher am Amtsgericht Erding, rät zu Vorsicht: Zunächst gelte zu bedenken, dass es in Deutschland fast keine Grundstücke ohne Eigentümer gibt. "Auch öffentliche Flächen, deren Eigentümer nicht für jedermann sofort offensichtlich sind, gehören in der Regel jemandem." Im Bereich von Wohnsiedlungen oder landwirtschaftlichen Flächen sei die Lage eindeutig. Hier ist der Besitzer des Grundstücks gleichzeitig auch immer derjenige, dem die Obstbäume und die Ernte gehören. Im Fall von Obst-Plantagen, Nachbargärten oder Wochenend-Grundstücken gilt also: "Hier darf grundsätzlich niemand, ohne zu fragen, einfach die Bäume und Sträucher abernten."

Anders sieht es in der freien Natur aus, so Nikol. So darf jeder nach dem Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich "wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen". Das gelte aber nicht für "landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstlich angebaute Pflanzen". Pflegliches Pflücken - und das sollte eigentlich selbstverständlich sein - heißt: Kein Zertreten der Vegetation, kein Abreißen von Ästen zur Entnahme einzelner Zweige.

Eine geringe Menge ist erlaubt, eine Handvoll Kräuter oder ein Blumenstrauß

"Im Übrigen", schreibt Markus Nikol weiter, "ist nur die Entnahme geringer Mengen zum persönlichen Gebrauch gestattet." Wie viel das genau ist, ist allerdings gesetzlich nicht genau fixiert. Bei der Vorschrift ist laut Nikol an einen Wildblumenstrauß, einen Korb voller Pilze, eine Handvoll Kräuter oder "Obst als Mahlzeit" gedacht.

Wie sieht es denn mit den Früchten aus Nachbars Garten aus? Zum Beispiel mit einem Ast voller Äpfel, der ins Nachbargrundstück hängt? In der Antwort verweist Markus Nikol auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und dessen Paragrafen 910. Beseitigt der Apfelbauminhaber nach einer Fristsetzung diese "Störung" nicht, so darf der Nachbar grundsätzlich den Überhang abschneiden "und sich mitsamt den an den Zweigen hängenden Früchten aneignen". Nach dem Paragrafen 911 BGB schließlich gelten Früchte von Bäumen oder Sträuchern eines Nachbargrundstücks als Früchte des Grundstücks, auf welches sie fallen ("Überfall").

Alles ist geregelt. Auch der "Überfall" aus Nachbars Garten

Doch auch hier ist wieder Vorsicht geboten: Voraussetzung für den legalen "Überfall" muss eine natürliche Ursache sein, das heißt, die Äpfel sind aufgrund der Schwerkraft von selbst auf den Boden gefallen oder vom Wind heruntergerissen worden. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, Nachbarschaftsstreitigkeiten zu vermeiden, die wegen des Betretens des Nachbargrundstücks zum Aufsammeln der Früchte entstehen könnten.

Stellt sich heraus, dass das Abernten oder Einsammeln der Früchte rechtswidrig gewesen sei, ist die Polizei verpflichtet tätig zu werden und Ermittlungen einzuleiten, so Markus Nikol. Den Straftatbestand des Mundraubs gibt es seit Mitte der 70er Jahre nicht mehr, so dass grundsätzlich wegen Diebstahls ermittelt werden wird. Verfolgt wird bei einem "geringwertigen Wert" nur dann, verfolgt, wenn der Eigentümer darauf besteht.

Die Nutzer sollen ihre Umwelt verstärkt auch "kulinarisch wahrnehmen"

Die Betreiber der Internetplattform Mundraub.org weisen die Nutzer und Nutzerinnen auf der Homepage explizit darauf hin, vor dem Eintragen der Standorte und beim Ernten sicher zu stellen, dass keine Eigentumsrechte verletzt werden und die Fundorte nicht in Schutzgebieten liegen. "Gehe behutsam mit den Bäumen, der umgebenden Natur und den dort lebenden Tieren um", heißt es weiter.

Wie die Betreiber der Seite weiter informieren, wollen sie auch ein Bewusstsein für Regionalität und Saisonalität fördern und die Nutzer motivieren, ihre Umwelt "kulinarisch wahrzunehmen und zu nutzen" und sich am besten selbst bei der Pflege und Nachpflanzung von Obstbäumen zu engagieren.

Mundraub.org bietet auf ihren Seiten für Nutzer und Nutzerinnen auch Tipps zu nachhaltigem Sammeln, Rezeptideen, einen Pflanzensteckbrief und einen Erntekalender. Es fehlt zudem nicht der Hinweis, dass nur Pflücken für den Eigenbedarf erlaubt ist. Eine Handvoll Walnüsse ist dann wohl drin.

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