München/Kranzberg:Kein Anspruch auf Vertrauensschutz

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Der Kranzberger Theo Dittmann besteht auf der Lärmgrenzlinie von 1974. Seine Klage wird aber wohl abgewiesen

Von Marco Völklein, München/Kranzberg

Fast könnte man meinen, Theo Dittmann ist ganz alleine gekommen. Im Saal 1 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) jedenfalls haben sich die Anwälte des Freistaats, die Juristen der Regierung von Oberbayern, die Anwälte der Flughafengesellschaft und die zahlreichen Sachverständigen breit gemacht. Mehr als ein Dutzend Vertreter der Beklagten-Seite sind aufmarschiert. Für Theo Dittmann, 69, und seinen Anwalt Andreas Lehners von der Münchner Kanzlei Schönefelder bleiben noch zwei Plätze frei am - von der Richterbank aus gesehen - linken Rand der Tischreihe.

Und auch wenn man den Eindruck bekommt, dass hier David gegen Goliath zu Felde zieht, und der David wohl keine Chance hat - aufgeben kommt für Theo Dittmann nicht infrage. Nach gut zwei Stunden mündlicher Verhandlung zieht er sich mit seinem Anwalt kurz zurück und bespricht das weitere Vorgehen. Soll er die Klage zurücknehmen? Und damit eine Menge Geld sparen, wie der Landesanwalt ihm zuvor geraten hatte? "Nein", sagt Dittmann dann. "Ich will ein Urteil." Denn nur so könne er sehen, ob und gegebenenfalls wie er weiter dagegen vorgeht.

Der Kranzberger kämpft seit Jahren gegen die geplante dritte Start- und Landebahn. Er will alle juristischen Register ziehen, um den geplanten Airport-Ausbau zu verhindern - auch wenn das schwierig wird. Denn bereits zu Beginn der mündlichen Verhandlung am Mittwochvormittag am Verwaltungsgerichtshof in München macht der Vorsitzende Richter Erwin Bauer klar: Die Klage wird aller Voraussicht nach abgewiesen werden.

Denn eigentlich sei Dittmanns Anliegen schon bei den anderen Anti-Startbahn-Verfahren vor mehr als einem Jahr behandelt worden. Konkret geht es um die sogenannte 62-Dezibel-Lärmgrenzlinie, die bereits im Frühjahr 1974 für den Flughafen im Erdinger Moos erlassen wurde - und die die Regierung von Oberbayern mit dem Planfeststellungsbeschluss für die dritte Bahn für obsolet erklärt hat. Dittmann aber will das nicht akzeptieren. Die Lärmgrenzlinie sei damals extra zum Schutz der Anlieger eingeführt worden, nun könne man diese nicht einfach abschaffen. Zumal er befürchtet, dass mit der Inbetriebnahme der dritten Piste der Lärm in Kranzberg deutlich zunehmen wird. Er wie auch viele andere Bewohner des Flughafen-Umlands hätten sich auf die Schutzklausel von 1974 verlassen. Diese könne man nicht einfach "über den Haufen werfen", sagt Anwalt Lehners. Und Dittmann ergänzt: "Wenn ich den Aussagen des Staates nicht mehr glauben darf, dann pfeif' ich auf diesen Staat."

Doch Richter Bauer macht deutlich, dass Dittmann keinen Anspruch habe auf eine Art ewigen Vertrauensschutz. Änderungen seien zulässig; und bei jedem Änderungsantrag sei die Rechtslage neu zu prüfen. Das sei hier geschehen. Zudem hätten Lärmberechnungen des Flughafens gezeigt, dass Kranzberg mit Inbetriebnahme der dritten Bahn eher mit weniger als mit mehr Lärm rechnen könne. Dittmann bezweifelt dies. Wie auch viele Kranzberger, die mehr als 11 000 Euro gesammelt hatten, um ihn bei seiner Klage zu unterstützen. Richter Bauer stellt ein Urteil bis Mitte nächster Woche in Aussicht. Dittmann weiß aber schon jetzt: Sollte seine Klage abgewiesen werden, wird er eine mögliche Revision zumindest prüfen lassen.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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