Frühere Stalag-Wachbaracken in Moosburg:"Nicht zu ersetzender Zeugniswert"

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Eine Studie stuft die noch erhaltenen Baracken des Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A trotz ihres schlechten Zustands als einmaliges Denkmal ein und schlägt ein Konzept mit mehreren Erinnerungsorten und Dokuzentrum vor.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Dass in Moosburg nachhaltig eine Erinnerungskultur etabliert und die Geschichte des früheren Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A weiter aufgearbeitet werden soll, zieht im Stadtrat niemand in Zweifel. Strittig ist jedoch, in welcher Form und in welchem Ausmaß das geplante Dokumentationszentrum und die Gedenkstätten ausgestaltet werden und wie viele der noch erhaltenen baulichen Überreste erhalten bleiben sollen. Die ausführliche Machbarkeitsstudie, die Henriette Holz vom Münchner Büro für Museumsberatung am Montag im Stadtrat präsentiert hat, ist dafür nach Ansicht vieler Lokalpolitiker eine gute Grundlage. Die Expertise attestiert Moosburg ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und stellt bei entsprechender Herangehensweise bis zu 20 000 Besucher jährlich in Aussicht.

In Moosburg herrscht laut der Studie in Bezug auf Quellen und Sammlungen eine "bemerkenswerte Situation". Neben zahlreichen Beständen im Stadtarchiv gebe es viele weitere im Heimatmuseum sowie im Stalag-Neustadt-Museum: "Die Bestände gehen in Qualität und Quantität weit über diejenigen anderer ehemaliger Stalag-Standorte hinaus, an denen schon seit längerer Zeit Sammlung und Forschung zum Thema betrieben wird." Die Sabathiel-Baracke, eine weitgehend im Originalzustand erhaltene Gefangenenunterkunft, müsse trotz ihres schlechten Zustands "als einmaliges Baudenkmal eingestuft werden" mit einem "nicht zu ersetzenden Zeugniswert". Bundesweit gebe es "keine so gut erhaltene Gefangenenbaracke mehr wie diese", sagte Holz: "Es ist der einzige Ort, der die Möglichkeit bietet, einen so emotionalen Zugang zu der Geschichte zu erhalten." Auch die noch stehenden Wachmannschaftsbaracken an der Schlesierstraße sind laut der Studie "durch ihren ungewöhnlich authentischen Erhaltungszustand sowie den Ensemblecharakter in Deutschland einmalig".

Strittig ist, wie viele der denkmalgeschützten Baracken, teilweise noch mit Originalfenstern, abgerissen werden. Fest steht jedoch, dass in einer Baracke ein Dokumentationszentrum entsteht. (Foto: Johannes Simon)

Der einzige Ort, um einen "so emotionalen Zugang zu der Geschichte zu erhalten"

Die Studie sieht ein integriertes Nutzungskonzept für die Erinnerungsorte in Moosburg vor. Neben der Sabathiel-Baracke gehören dazu das Heimatmuseum, das Stalag-Neustadt-Museum, das Bilddenkmal am ehemaligen Lagereingang, der Stalag-Gedenkplatz, die Gedenkstätte Oberreit sowie die Wachbaracken mit Dokuzentrum. Die Eckpunkte des Konzepts sind Stationen der Erinnerung samt Begleitmaterial mit Printbroschüren und App, die Sabathiel-Baracke, das Heimatmuseum und das Dokuzentrum in der Wachbaracke 1.

Für Letzteres wäre ein Anbau denkbar, in dem der Eingang, Recherche- und Seminarräume sowie die Themenbereiche Internierungslager und Neustadt unterkommen könnten. Die Wachbaracke 1 wäre für eine Dauerausstellung über das Stalag selbst reserviert. Neben den Baukosten geht die Studie für die Einrichtung der Dauerausstellung von Kosten in Höhe von knapp 900 000 Euro aus, wobei es dafür diverse öffentliche Fördertöpfe gibt. Die jährlichen Betriebskosten für das Dokuzentrum inklusive wissenschaftlichem Fachpersonal werden mit jährlich 210 000 Euro plus Gebäudekosten beziffert.

Für die Schulerweiterung bringt Alfred Wagner das Rockermaier-Areal ins Spiel

Stadtratsmitglieder, die Sabathiel-Baracke und möglichst alle Wachbaracken erhalten wollen, sahen sich durch die Studie bestätigt. Aufgrund der nötigen Erweiterung des Schulzentrums Nord steht der Abriss von bis zu zwei Wachbaracken im Raum, die jedoch unter Denkmalschutz stehen. Alfred Wagner (Grüne) riet, für die Schulerweiterung das Rockermaier-Areal in Betracht zu ziehen und mit den Eigentümern zu reden. Somit könnte man alle Wachbaracken erhalten "und was Großes machen, ein internationales Begegnungszentrum". Auch Michael Stanglmaier (Grüne) meinte, "es wäre ein Fehler, die Baracken 3 und 5 abzureißen".

Bürgermeister Josef Dollinger (FW) versicherte, er wolle "ein repräsentatives Dokumentationszentrum, das Moosburg gut zu Gesicht steht", aber auch die schulischen Belange seien sehr wichtig: "Man muss einen Kompromiss finden". Das sah auch Rudolf Heinz (CSU) so, der das Konzept mit dem Erhalt der Sabathiel-Baracke ganz gut fand. Ohne Fördermittel gehe es aber nicht. Jörg Kästl (ÖDP), der ebenfalls für den Erhalt der Sabathiel-Baracke ist, meinte: "Wir müssen uns ganz schnell mit den Finanzen beschäftigen." Es gebe sehr viele Finanzierungsquellen, sagte Martin Pschorr (SPD), "aber die Förderung ist oft sehr bescheiden, wenn man sich die Voraussetzungen genau anschaut." Für Stefan John (Linke) stellte sich "nicht die Frage, ob es uns das wert ist - das muss es uns wert sein."

© SZ vom 24.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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