Streit um Zuständigkeiten:Unmut in der Rettungswache

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Moosburger Notärzte werden auch nach Landshut gerufen - oft müssen sie aber auf halber Strecke umkehren. (Foto: Stephan Jansen/dpa)

Zwischen den Notärzten aus Moosburg und einigen Landshuter Kollegen knirscht es. Die Mediziner aus dem Landkreis Freising beklagen, dass sie auf dem Weg zu einem Notfall-Einsatz zu oft zurück beordert werden.

Von Vinzenz Neumaier, Moosburg

Viele Moosburger Notärzte ärgern sich seit Jahren über einige ihrer Kollegen aus Landshut. Eine Gruppe von Landshuter Notärzten übernehme häufig Einsätze und damit Patienten, für die eigentlich der diensthabende Notarzt aus Moosburg zuständig sei. Das beklagen im Gespräch mit der SZ mehrere Mediziner. "Alle 30 Kollegen, die am Standort Moosburg arbeiten, haben dieses Phänomen wohl schon einmal erlebt", sagt ein Mediziner, der seinen Dienst als Notarzt in Moosburg verrichtet und anonym bleiben möchte.

Die Rettungswache in Moosburg gehört zum Zweckverband Rettungsdienst der Landkreise Freising, Erding und Ebersberg. Die in Moosburg stationierten Notärzte müssen aber wegen der örtlichen Nähe oft nach Landshut ausrücken, um Patienten im Ernstfall zu helfen.

Landshut hat eine Notarzt-Schnelleinsatzgruppe

Bei Notfällen in Landshut und Umgebung kommt es dabei offenbar immer wieder zu Problemen. Denn im Landshuter Zweckverband Rettungsdienst habe sich eine besondere Struktur, eine sogenannte Notarzt-Schnelleinsatzgruppe (SEG) etabliert, sagen einige Moosburger Mediziner. Diese Landshuter SEG bestehe aus einer Gruppe von Notärzten - darunter befinde sich auch Jürgen K., der Ärztliche Leiter des gesamten Landshuter Rettungsdienstes.

Die eigentliche Aufgabe der Notarzt-SEG besteht darin, dann einzuspringen, wenn der diensthabende Notarzt aus Moosburg oder einer anderen Wache nicht kommen kann, weil er bereits ein vergiftetes Kind oder eine Rentnerin mit Schlaganfall behandelt. "Soweit also eine grundsätzlich sinnvolle Institution", meint ein Notarzt aus Moosburg.

"Das nervt die Kollegen einfach"

Die Landshuter Notarzt-SEG ziehe aber sehr viele Einsätze an sich, auch wenn der Moosburger Notarzt einsatzbereit sei, beklagen mehrere Ärzte. So werde der Notarzt in Moosburg häufig von der Landshuter Leitstelle alarmiert, mache sich dann im Auto auf den Weg nach Landshut, nur damit ihn die Leitstelle auf halber Strecke zurück nach Moosburg beordere, weil ein Arzt der SEG den Patienten bereits erreicht und behandelt habe. "Das nervt die Kollegen einfach", meint ein anderer Notarzt aus Moosburg, der ebenfalls anonym bleiben möchte.

Wie aktiv sich die Landshuter Notarzt-SEG verhält, legen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns nahe. In den vergangenen vier Jahren rechneten im Bereich des Landshuter Zweckverbands sogenannte Zweitnotärzte, dazu zählen auch die Mediziner der SEG, mehr als 2700 Einsätze ab. Ein Notarzt verdient für jeden davon im Durchschnitt etwa 120 Euro. In Summe kassierten Ärzte - darunter auch die Notarzt-SEG - innerhalb von vier Jahren wohl mehr als 300 000 Euro mit Hilfe des Landshuter Systems.

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Auffällig hohe Einsatzzahlen

Die Einsatzzahlen aus Landshut seien auffällig hoch, in Bereichen anderer Rettungszweckverbände in Bayern existiere eine derart geschäftige Notarzt-SEG seiner Erfahrung nach nicht, sagt ein weiterer Mediziner, der im Bereich des Landshuter Rettungsdienstes arbeitet. Zum Vergleich: Sogenannte Zweitnotärzte, die innerhalb der Zuständigkeit des Zweckverbands Erding/Freising arbeiten, stellten im selben Zeitraum nur 65 Einsätze in Rechnung.

In Landshut teilt man den Unmut der Moosburger Ärzte indes offenbar nicht. Die Notarzt-SEG sei grundsätzlich ein sinnvolles Konstrukt, teilt der Landshuter Zweckverband Rettungsdienst auf Anfrage mit. Man habe die Anzahl an Alarmierungen von Zweitnotärzten, dazu zählt die SEG, im Bereich des Landshuter Rettungsdienstes durch Maßnahmen reduzieren können, heißt es weiter.

Einer der Moosburger Ärzte beschwerte sich

Einem Moosburger Notarzt reichte es vor etwa drei Jahren. Er war es offenbar leid, häufig wegen eines Landshuter Notfalls alarmiert zu werden, um dann auf halber Strecke wieder umzudrehen und so seine Zeit zu verschwenden. Er beschwerte sich beim Ärztlichen Leiter des Erdinger/Freisinger Zweckverbands Rettungsdienst, Andreas Donhauser, über das Landshuter System und dessen ärztlichen Chef Jürgen K..

Er habe auf die Beschwerde des Moosburger Arztes reagiert und über diese mit seinem Landshut Kollegen gesprochen, sagt Donhauser auf Anfrage der SZ. Eine "signifikant erhöhte Abbestellung" der Moosburger Notärzte habe man nicht feststellen können. Offenbar hält sich der Erfolg der Intervention Donhausers in Grenzen. Es habe sich nichts spürbar gebessert, behaupten mehrere Notärzte, die immer noch am Standort Moosburg arbeiten.

Kritik kommt aus dem Innenministerium

Das Landshuter System bewerten Behörden in Niederbayern wohl ebenfalls als problematisch. Der oberste Chef des niederbayerischen Rettungsdienstes, Stephan Nickl, befand wohl bereits 2018 die Landshuter Notarzt-SEG als regelwidrig. "So geht das nicht und zerstört das System des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes", heißt es wörtlich in einer E-Mail Nickls. Ein Beamter des bayerischen Innenministeriums vertrat offenbar eine ähnliche Meinung. Das Landshuter System sei eigentlich nicht recht mit der Verordnung des bayerischen Rettungsdienstgesetzes in Einklang zu bringen, teilte der Mitarbeiter des Innenministeriums in einem nichtöffentlichen Schreiben mit.

© SZ vom 14.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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