Freie Wähler:Immer schön praktisch bleiben

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Benno Zierer kürzlich bei einer Diskussionsrunde des Kreisjugendrings in Kooperation mit der SZ im Oberhaus vom Freisinger Lindenkeller. (Foto: Marco Einfeldt)

Benno Zierer wuchert in mehr als einer Hinsicht mit dem Pfund der Freien Wähler. Manch einer traut ihm in diesem Jahr sogar das Direktmandat zu.

Von Kerstin Vogel, Freising

Vor zehn Jahren - damals war er 57 - hat Benno Zierer sein Dasein als Freier Wähler in Bayern auf eine neue Ebene gehoben. Angefeuert von dem kürzlich verstorbenen früheren Landrat und Landtagsabgeordneten Manfred Pointner, kandidierte er seinerseits für den Landtag. Er wurde prompt gewählt - und lehrt jetzt, zehn Jahre später, den Direktkandidaten der CSU, Staatsminister Florian Herrmann, ein wenig das Fürchten: In der speziellen Freisinger Konstellation gilt es aktuell durchaus als möglich, dass Zierer dem CSU-Mann das Direktmandat abjagt.

Das liegt zum einen an der Sache mit der dritten Startbahn, gegen deren Bau sich Zierer lange Jahre sehr viel überzeugender eingesetzt hat als Herrmann. Dessen Glaubwürdigkeit litt stets darunter, dass seine Partei auf Landesebene für den Flughafenausbau agierte und sich bis heute weigert, das Projekt aus dem Landesentwicklungsprogramm zu streichen. Zierer dagegen kann, seit seine Freien Wähler als Koalitionspartner der CSU das Moratorium erstritten haben, mit diesem Pfund gut wuchern.

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Ansonsten trifft er in Zeiten, in denen sich viele Menschen von der Politik nicht richtig wahrgenommen fühlen, bei manch einem wohl den Ton. "Wir sind die Mitte! Die Praktiker und Kümmerer!" hatte er beim Festabend zum 40. Geburtstag der Freien Wähler im Landkreis verkündet. In der Gruppierung regiere der gesunde Menschenverstand - viele seine Äußerungen haben diesen Tenor: Schwätzer braucht niemand in der Politik, praktisch denken, handeln, "die Menschen mitnehmen".

"Integration läuft auch über Arbeit"

Zum Beispiel bei der Energiewende. Selbstverständlich müsse man Vereine wie die Bürgerenergiegenossenschaft ins Boot holen, sagt Zierer, die Leute zum Zusammenschluss animieren, dann profitierten sie auch. Der Hemmschuh beim Ausbau von Photovoltaik und Windkraft? Natürlich die ausufernde Bürokratie. Die Flüchtlingsproblematik? Menschen, die hier bleiben können, sollten zeitnah arbeiten dürfen, denn: "Integration läuft auch über Arbeit". Der praktische Aspekt: Die dann doch wieder zurückkehren müssen, könnten zumindest etwas mit in ihr Heimatland mitbringen. Geht es um die Verkehrswende, will er "den Tarifdschungel lichten". Geht es um die KiTa-Krise spricht er von Quereinsteigern oder von Verkürzung der Ausbildungszeit. Praktisch eben.

Zierer war noch keine 20, als er den Hof der Eltern in Kleinbachern übernahm. Fünf Söhne hat er mit seiner Frau Margot groß gezogen, doch die Landwirtschaft allein konnte die Familie schon 1991 nicht mehr ernähren. Zierer gab die Milchviehhaltung auf und baute Studentenwohnungen auf seinen Hof. Seit 1994 sind 15 Tagespflegeplätze der Lebenshilfe dort untergebracht, auch eine soziale Ader gehört zu Zierer. In die Politik kam er klassisch: Sprecher des Dorfes, Engagement, 1990 schließlich Wahl in den Stadtrat und dann von 2008 bis 2013 Bürgermeister, bis ihn Mentor Pointer in den Landtag lockte. Dort ist Zierer heute umweltpolitischer Sprecher der Freien Wähler, ein wohlgelittener Fraktionskollege, ausgestattet mit einem guten Listenplatz - und Nähe zu FW-Chef Hubert Aiwanger.

Kritik an Berichten über Aiwanger

Die Berichte über das antisemitische Flugblatt, das vor 35 Jahren auf einer Schreibmaschine im Hause Aiwanger verfasst wurde und das der heutige Chef der Freien Wähler damals in seiner Schultasche hatte, hatten Zierer empört - nicht wegen der verstörenden Inhalte des Flugblattes, sondern weil man hier Dinge rausgezogen habe, "die so alt sind wie stinkende Windeln und sie vier Wochen vor der Wahl aufbauscht". Bei der Diskussion des Kreisjugendrings in Freising wollte er über dieses "ausgelutschte Thema" schon gar nicht mehr sprechen. Aiwangers populistische Tiraden bei der Heizungsdemo in Erding? In der Hitze des Gefechts könne man schon mal übers Ziel hinausschießen. Den Verlust der Debattenkultur und dass im Wahlkampf scheinbar "alle Dämme brechen" nennt Zierer gleichwohl "bedauerlich". Seine - natürlich praktische - Empfehlung: sachlich diskutieren.

Die Freisinger SZ hat alle Direktkandidaten und -kandidatinnen zur Landtagswahl porträtiert. Alle Texte können auf der Ressortseite gelesen werden .

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