Kandidatenportrait zur Landtagswahl:Ein Idealist mit Sinn für Geschichte

Lesezeit: 3 min

Als Geschäftsführer im Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ist Guido Hoyer auch mit dem Schicksal Max Lehners vertraut, an dessen Grab er hier steht. Lehner war Freisinger Bürgermeister und wurde 1938 mit dem Schild "Juda verrecke" um den Hals durch die Stadt getrieben. (Foto: Marco Einfeldt)

Nach mehreren vergeblichen Anläufen hofft Direktkandidat Guido Hoyer, dass die Linke diesmal in den Landtag einzieht.

Von Peter Becker, Freising

Endlich. Passionierte Schwammerlsucher wie Guido Hoyer sind jetzt ganz in ihrem Element. Das schwülwarme Septemberwetter hat die Pilze förmlich aus dem Boden schießen lassen. Auch wenn jetzt die heiße Phase des Wahlkampfs begonnen hat, der 50-jährige Politikwissenschaftler, der für die Freisinger Linke ein Landtagsmandat erobern will, findet immer etwas Zeit, für ein paar Stunden im Wald zu verschwinden, um sich die Zutaten für eine traditionelle Schwammerlsuppe zusammen zu suchen.

Seit drei Landtagswahlen gibt es die Linke, und jedes Mal nahm Hoyer die Herausforderung an, in den bayerischen Landtag einziehen zu wollen. Entmutigen lässt er sich von seinen bisher vergeblichen Anläufen nicht. "Manches Ergebnis war sehr mäßig", gibt er mit Blick auf die Gesamtpartei in Bayern zu. Doch bei der ersten Landtagswahl, an der die Linken teilnahmen, scheiterten sie nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Und bei der Bundestagswahl, bei der Hoyer ebenfalls kandidierte, übertraf sie diese deutlich. "So schwarz sehe ich die Situation nicht", sagt er. Es gehe ja nicht nur ums Gewinnen, sondern darum, die Ideen und Inhalte, für welche die Partei stehe, weiter zu verbreiten. Und mit diesen Idealen, etwa für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen, kann sich Hoyer zu hundert Prozent identifizieren. "Es gibt genügend Landtagskandidaten, die nicht gewählt werden, es kann nicht jeder gewählt werden." Aber er sei natürlich hoffnungsfroh, dass er diesmal dabei sein werde.

Von den Grünen kam er zur Linken

Hoyer ist das Gesicht der Linken im Landkreis. Seit 1991 sitzt er im Freisinger Stadtrat, seit 2002 im Kreistag. Zu Beginn seiner politischen Laufbahn allerdings für die Grünen. Hoyer wollte aber die Politik der rot-grünen Regierungskoalition Ende der Neunzigerjahre nicht mehr mittragen. Aus seiner Sicht begann da der Abbau des Sozialstaats. Und als jemand, der seine Wurzeln in der Friedensbewegung hat, war der Umstand, dass sich die Regierung in den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien einmischte, untragbar. Deshalb suchte sich Hoyer eine neue politische Heimat.

Der Politikwissenschaftler ist davon überzeugt, dass Bayern eine "absolut konsequente soziale Kraft", die sich gleichzeitig an Menschen- und Bürgerrechten orientiert, fehle. Diese Lücke könnte die Linke füllen. "Menschenrechte gelten offenbar nur noch für Deutsche", stellt Hoyer fest. Es werde nur noch diskutiert, wie man die Geflüchteten am schnellsten wieder los werden könne. "Ich höre keine Diskussion, wie man vielleicht die Fluchtursachen mal abschafft." Da müsse man über Krieg, Waffenexporte und Klimawandel reden.

Fünf Fragen
:"Konflikte lassen sich nicht mit Krieg lösen"

Jugendreporterin Luisa Huesmann hakt bei Linken-Politiker Guido Hoyer nach

Interview von Luisa Huesmann

Großes Thema ist die Wohnungsnot

Großes Thema der Linken ist die Wohnungssituation. Die Boden- und Immobilienpreise schießen in der Region um München in die Höhe. Die bayerische Verfassung erlaube es jedoch, erläutert Hoyer dazu, Gewinne aus Bodenspekulationen abzuschöpfen. So hätte man Staatseinnahmen, die man in den Wohnungsbau stecken könnte. Es brauche eine Wohnbauinitiative der Regierung, deren Aufgabe es sei, billige Wohnungen zu schaffen. Und: "Wir müssen schauen, dass wir die Verkehrsprobleme lösen." Es dürfe nicht mehr auf Autos gesetzt werden, sondern Bus und Bahn müssten im Großraum München ausgebaut werden. Dazu gehört für Hoyer ebenso der barrierefreie Ausbau der S-Bahnhöfe.

Wichtig ist natürlich die Verhinderung der dritten Startbahn am Flughafen. "Die Pläne sind ja nicht vom Tisch", betont Hoyer. Es hieße von den Befürwortern, der Bürgerentscheid von München sei lange her, den müsse man jetzt nicht mehr respektieren. "Die dritte Startbahn zu verhindern, ist wichtige Aufgabe eines jeden Abgeordneten aus Freising." Natürlich auch aus klimapolitischen Gründen, denn für Hoyer sind zwei Kurzstreckenflüge pro Tag von München nach Nürnberg Unsinn. "Da lang ich mir an den Kopf." Dies sei keine umweltverträgliche Verkehrspolitik.

Nicht das Schlechteste aller Systeme

Politisch engagiert ist Hoyer seit 1985. Er habe schon früh angefangen, seine Umgebung kritisch zu überprüfen. Gegen das, was er nicht für in Ordnung gefunden habe, sei er aufgetreten. "Was nicht heißt, dass ich ein Revoluzzer bin und gegen alles war." Denn die Gesellschaft, in der wir leben, könnte zwar besser sein, sie sei aber nicht das Schlechteste aller Systeme. Wenn es etwas zu verbessern gebe, habe er das immer in "kleiner Skala" gemacht. Was ihn dazu bewog, in eine Partei einzutreten, sei der Gedanke gewesen, dort etwas mehr gestalten zu können. Kommunalpolitische Diskussionen kann Hoyer innerhalb der Familie mit seiner Schwester, der Langenbacher Bürgermeisterin Susanne Hoyer, führen. "Das sind aber keine Streitgespräche", betont er, sondern man tausche sich über aktuelle kommunalpolitische Themen aus. "Ich habe ein sehr harmonisches Verhältnis zu meiner Schwester", fügt Hoyer hinzu.

Der Politikwissenschaftler ist Geschäftsführer des Landesverbands der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). In den vergangenen Jahren hat er geforscht und in einer Vortragsreihe die Geschicke von Kriegsgefangenen, Flüchtlingen und Widerstandskämpfern im Landkreis beleuchtet. "Ich schreibe ein Buch", verrät Hoyer und lächelt. Das Manuskript sei in Arbeit. Es gehe diesmal um Schicksale von Freisinger Juden unter dem NS-Terror.

Erholung vom Wahlkampfstress und dem Bücherschreiben bietet Hoyer eben das Schwammerlsuchen. Einmal in der Woche sollte es schon sein. "Das ist eine wunderbare Entspannung." Seine Steinpilz-Plätze werde er aber nicht verraten, sagt Hoyer verschmitzt. Er sei aber mit Braunkappen auch schon zufrieden. Am liebsten isst er Rahmschwammerl. "Ganz klassisch." Mit einer Zwiebel angebraten und mit Rahm angegossen. Und dazu gibt es Knödel. Seine zweite Leidenschaft sei das Reisen, sagt Hoyer. Einerseits sei er da sehr heimatbezogen, andererseits reizten ihn aber auch ferne Reisen und Kulturen. Da wechsle er bei seinen Zielen immer durch.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: