Kommentar zu "Corona-Spaziergängen":Fragen für Politik und Gerichte

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Muss das so sein? Müssen Proteste von Impfgegnern durch die Art ihrer Durchführung wirklich gesundheitsgefährdend sein? Der Einzelne kann das nicht klären.

Von Thilo Schröder

Als gegen Covid-19 geimpfter Mensch blickt man dieser Tage oft verständnislos bis wütend auf jene, die unter dem Deckmantel von Spaziergängen Protest gegen die Corona-Maßnahmen kundtun. Mancher nimmt wie in Moosburg an den häufig deutlich kleineren Gegendemonstrationen teil und schaut sie sich kopfschüttelnd an: Jene, die da aus unterschiedlichsten Beweggründen durch die Straßen ziehen. Unangemeldet, bemüht subversiv, teils ausschreitend, oft friedlich.

Als gegen die Pandemie-Regeln, teils auch gegen die Pandemie als solche oder gar den ganzen Staat aufbegehrender Mensch blickt man dieser Tage mutmaßlich auch oft verständnislos bis wütend auf jene, die mit steigendem Druck ihrerseits Protest gegen die Gegner der Corona-Politik kundtun. Auf Politik und Medien, die einen konsequenteren Umgang mit Impfverweigerern einfordern. Auf Geimpfte, die manchmal dazu neigen, Ungeimpfte auf den Impfstatus reduzieren.

Versuche, sowohl trennscharf als auch sachlich zu argumentieren, klare Kante gegen bestimmte Milieus als auch ein gewisses Maß an Verständnis zu zeigen, münden fast unweigerlich in inneren Konflikten. Wer dieser Tage etwa gegen "Corona-Spaziergänger" demonstriert, schätzt offenkundig das als hohes Gut verankerte Demonstrationsrecht. Und natürlich darf das Recht auf Protest nicht nach Gutdünken pauschal entzogen werden, wie es mancher einfordert.

Dann ist da die Frage nach einer möglichen rechtsextremen oder verschwörungsgläubigen Vereinnahmung: Kann, darf, muss man einfordern, dass wer an einem nicht angemeldeten "Spaziergang" teilnimmt, davor Telegram-Kanäle und rechte Seiten auf entsprechende Aufrufe überprüft hat? Und zählen Aufrufe schon als Vereinnahmung? Muss die impfskeptische Mutter, die per weitergeleiteter Nachricht von einem "Spaziergang" erfahren hat, sich solche Fragen stellen? Müssen sich verängstigte, zweifelnde, verunsicherte Bürgerinnen und Bürger eigene Foren suchen? Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht.

Glaubt man Augenzeugen, haben sich zumindest jüngst in Moosburg die "Spaziergänger" anscheinend mehrheitlich nicht an geltende Vorgaben zum Infektionsschutz gehalten. Innerhalb der eigenen Logik würde die Einhaltung freilich der zu demonstrierenden Ablehnung widersprechen. Als um die Pandemielage zum gegenwärtigen Zeitpunkt besorgter Betrachter fragt man sich indes: Muss das so sein? Müssen Proteste durch die Art ihrer Durchführung gesundheitsgefährdend sein? Und dann ist man ganz schnell wieder bei den sich teils widersprechenden Regelungen. Letztlich müssen Politik und Gerichte diese Fragen klären, nicht der einzelne Mensch, weder der coronakonform demonstrierende, noch der impf- und pandemieskeptische.

© SZ vom 12.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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