Freisinger Innenstadt vor Lockdown:"Es gibt einen Run"

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Monika Stanglmeier, Inhaberin des Spielwarengeschäfts Hölzlkramer, beobachtet, dass viele Leute noch Besorgungen machen. Sie hat aber angesichts der hohen Infektionszahlen Verständnis für die harte Maßnahme.

Interview von Petra Schnirch, Freising

Kurz vor dem neuen Lockdown sind die Geschäfte in der Freisinger Innenstadt noch einmal voll. Viele Kunden kaufen Geschenke ein, denn von Mittwoch an muss ein Großteil des Einzelhandels schließen. Auch Monika Stanglmeier, Inhaberin des Spielwarengeschäfts Hölzlkramer an der Ziegelgasse, hat eigentlich keine Zeit für ein Gespräch mit der Freisinger SZ, nimmt sich dann aber doch einige Minuten, bevor sie wieder zurück an die Kasse eilt.

SZ: Sie müssen mitten im Weihnachtsgeschäft schließen. War die Nachricht ein Schock für Sie?

Monika Stanglmeier: Ich habe damit gerechnet, dass wir zusperren müssen. Auch dass es schon vor Weihnachten dazu kommen wird, war absehbar. Irgendwie geschockt ist man aber trotzdem.

Haben Sie Verständnis für die harten Maßnahmen?

Total. Die Corona-Zahlen sind ja dementsprechend. Es geht um die Gesundheit von allen - auch von meinen Mitarbeiterinnen und mir. Wir kommen hier mit sehr vielen Leuten in Kontakt, gerade vor Weihnachten ist sehr viel los. Es ist sehr anstrengend, darauf zu achten, dass die Abstandsregeln eingehalten werden und nicht zu viele Kunden im Laden sind. Ich hätte mir einen solchen Schritt eigentlich früher gewünscht, schon im November anstelle des Lockdowns light. Vielleicht hätten wir dann um Weihnachten herum schon wieder aufmachen können. Ich glaube auch nicht, dass wir am 10. Januar gleich wieder aufsperren dürfen, ich bin da eher pessimistisch.

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(Foto: Gabriel Wonn)

Margit Orthuber (66), Rentnerin: "Ich finde, dass der Lockdown richtig ist und dass er zu spät kommt. Ich denke, man hätte das gleich Anfang November machen sollen. Dann hätten wir die Weihnachts- und Silvesterzeit genießen können und die Zahlen wären drastisch runtergegangen. Ich kaufe nichts spontan, meine Weihnachtsgeschenke habe ich schon lange. Ich kann mir vorstellen, dass heute in den Geschäften extrem viel los ist. Ich will nicht in diese Menschenmassen geraten. Dass der Lockdown kommt, hat man ja nachvollziehen können. Ich habe jeden Tag die Zahlen verfolgt. Da ist ja gar nichts anderes übrig geblieben. Und zu Weihnachten kommt nur die Familie, nur die Engsten. Nur zwei bis drei Leute pro Tag."

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(Foto: Gabriel Wonn)

Jennifer Biomndo (42), Personalsachbearbeiterin beim Goethe-Institut in München: "Der Lockdown ist schon ein Schock, auch wenn wir es erwartet haben. Aber für mich sind zehn Tage notwendig, damit die Zahlen runtergehen. An Weihnachten sollte es lockerer sein und danach wieder strenger. Ich kaufe jetzt natürlich noch Dinge spontan, weil ja zum Einkaufen keine Zeit mehr bleibt. Auch Weihnachtsgeschenke für die Familie. Online würde das zu lange dauern. Wir treffen uns an Weihnachten so wie normal, wir sind ohnehin keine große Familie. Insgesamt drei Haushalte: meine Familie, Schwiegereltern und eine Schwester. Die Maßnahmen dafür sind für mich in Ordnung. Und für uns konkret passt das ja auch alles so."

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(Foto: Gabriel Wonn)

Wolfgang Stork (31), Masterstudent Maschinenbau: "Für den Einzelhandel finde ich den Lockdown nicht schön. Dadurch werden große Konzerne wie Amazon noch mehr unterstützt und das sehe ich sehr kritisch. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Auch wenn es online günstiger ist: Die Leute merken nicht, dass sie da am eigenen Leib sparen. Ich bin extra in die Stadt gegangen, um hier die Händler zu unterstützen. Speziell Weihnachtsgeschenke. Das habe ich jetzt noch spontan gemacht, weil ja dann der Lockdown kommt. Bestellt habe ich tatsächlich null. An Weihnachten bin ich mit meinen Eltern zuhause. Es gibt keinen Kirchenbesuch, klar. Aber sonst ändert sich da wenig."

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(Foto: Gabriel Wonn)

Alexandra Pototzki (47), Lehrerin an der FOS/BOS Freising: "Der zweite Lockdown beeinflusst mein Kaufverhalten nicht. Es war klar, dass er kommen wird. Und wenn man sich die Maßnahmen anschaut, die letzte Woche in Bayern bereits eingeführt wurden: Da war klar, dass das keinen großen Unterschied mehr machen wird. Ich sehe auch keinen Ausweg mehr aus diesem Dilemma, bin aber der Ansicht, dass man früher etwas hätte ändern müssen. Damit die Fallzahlen und vor allem auch die Sterberate gar nicht erst so ansteigen. Für Weihnachten habe ich eigentlich schon alles, mir fehlt nur noch eine einzige Sache. Da werde ich jetzt versuchen, die hier zu kaufen. Wenn das nicht geht, bleibt mir eben nur online."

Drängen die Leute noch einmal in die Geschäfte, seit klar ist, dass ein harter Lockdown kommt?

Es gibt einen Run, viele wollen noch schnell Besorgungen machen. Aber wir sind ja auch weiterhin da. Man kann telefonisch oder per E-Mail bestellen, innerhalb von Freising haben wir wie schon im Frühjahr einen Lieferdienst.

Ist der Service im Frühjahr während des ersten Lockdowns gut angenommen worden?

Das wird schon gut genutzt. Es war auch nett, zu den Kunden zu fahren.

Befürchten Sie, dass viele jetzt auf Online-Bestellungen umsteigen werden?

Natürlich wird das so sein. Es ist ja auch verständlich, wenn die Leute Kontakte vermeiden wollen. Der Lieferservice hilft aber - unsere Klientel will bewusst den regionalen Handel unterstützen und dafür sind wir auch sehr dankbar. Die Kunden schauen erst, ob die Ware bei uns vorrätig ist. Während des ersten Lockdowns sind auch viele Gutscheine gekauft worden.

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Sie klingen sehr ruhig, die Schließung bedeutet aber doch eine große Belastung für Sie?

Ich kann es ja nicht ändern. Aber das ist schon heftig für uns. Wir zehren das ganze Jahr vom Weihnachtsgeschäft. Ich weiß nicht, was die Politik als Ausgleich plant. Uns wird es aber auch im kommenden Jahr noch geben - und ich bin optimistisch, dass die Leute wiederkommen.

Für einige Einzelhändler könnte es aber kritisch werden.

Ich denke, wir haben als Spielzeughändler Vorteile. Andere Branchen trifft es noch schlimmer. Spielzeug bekommen die Kinder immer. Ob ich aber einen neuen Pulli im Homeoffice kaufe, ist eine andere Frage.

Was wünschen Sie sich denn für das kommende Jahr?

Dass die Leute möglichst gesund bleiben, dass wir bald wieder aufmachen können und dass alle etwas gelassener sind. Und natürlich, dass die Pandemie endlich vorbei ist.

© SZ vom 15.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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