Gemeinschaftsunterkunft in Zolling:Helferkreis fühlt sich ausgebootet

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Ein neues Konzept der Regierung von Oberbayern für die Gemeinschaftsunterkunft mit Zaun und Security verärgert die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Bürgermeister Helmut Priller.

Von Katharina Aurich, Zolling

Das Engagement der Mitglieder des Helferkreises, die sich seit vier Jahren um die Geflüchteten in der Zollinger Gemeinschaftsunterkunft kümmern, soll neu organisiert werden. Dort leben etwa 120 Menschen. Die Regierung von Oberbayern plant, um die Anlage einen Zaun zu errichten und rund um die Uhr Security-Mitarbeiter einzustellen. Sämtliche Mitglieder des Helferkreises sollen in einer Art Bewerbungsgespräch ihre Qualifikation für den ehrenamtlichen Einsatz nachweisen. Angelika Sagerer und Stephan Griebel vom Helferkreis kritisieren diese Maßnahmen. Auch Bürgermeister Helmut Priller ist verärgert.

Sagerer und Griebel schlagen vor, mehr miteinander zu sprechen, die Kommunikation zwischen der Regierung sowie der Mitarbeiterin vor Ort zu verbessern. "Statt eines Wachschutzes halten wir Sozialarbeit für viel sinnvoller", sagt Griebel. Die Regierung von Oberbayern wolle die Bewohnerinnen und Bewohner "bestmöglich vor Gewalterfahrungen schützen" und habe dafür Gewaltschutzkonzepte erarbeiten lassen, begründet Pressesprecherin Verena Groß diesen Schritt. Bei einer Risikoanalyse seien auf die jeweilige Einrichtung zugeschnittene Schutzkonzepte entstanden.

Beim Helferkreis stößt dies auf Unverständnis. "Wir wissen nicht, warum diese Maßnahmen eingeführt werden", rätseln Sagerer und Griebel. In der Unterkunft sei es friedlich. Auch verstehen sie nicht, warum man jetzt, nach vier Jahren, den Helfern ihre Qualifikation abspreche, "das verletzt die Leute". Die beiden wünschen sich mehr Wertschätzung für die jahrelange Arbeit. Leider sei das Innenministerium für die Unterkunft und nicht das Sozialministerium zuständig, bedauert Griebel. Dies sei ein Konstruktionsfehler. Für eine gelungene Integration seien fördernde Maßnahmen wichtig, mit einem Zaun und einem Wachdienst würden die Schwerpunkte falsch gesetzt.

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Der Zollinger Helferkreis und auch der CSU-Politiker Franz Obermeier sind verärgert: Das Landratsamt setzt den Beschluss, dass ein Teil der Flüchtlinge nicht arbeiten darf, offenbar strikter um als andere Landkreise.

Von Katharina Aurich

Die Gräben und das Misstrauen zwischen Helfern und Gewaltschutzkoordination der Zollinger Unterkunft scheinen tief

Pressesprecherin Groß rechtfertigt die Maßnahmen damit, dass sie zu Standards gehörten, die für alle Einrichtungen der Regierung gelten. Offensichtlich bestünden Missverständnisse zwischen der Gewaltschutzkoordinatorin der Zollinger Unterkunft, Anja Lemke, und Mitgliedern des Helferkreises. Die Ehrenamtlichen sollten sich nicht zurückziehen, "wir wollen sie mitnehmen", betont Groß. Dies falle angesichts einer E-Mail, die die Koordinatorin im Mai an den Helferkreis geschickt habe, schwer, sagt Sagerer. Lemke selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Nach einigen verbalen Auseinandersetzungen werden die Ehrenamtlichen in der E-Mail angewiesen, dass transparent sein müsse, wer mit welchem Interesse in die Unterkunft komme. Wenn ein Helfer einen Zeitungsartikel über die Tätigkeit in der Unterkunft verfasse oder einem Artikel zuarbeiten wolle, dürfe derjenige die Räumlichkeiten nur mit einer Genehmigung der Pressestelle der Regierung von Oberbayern betreten.

Offensichtlich sind die Gräben und das Misstrauen inzwischen tief. Die Ehrenamtlichen sollen sich mit einer Unterschrift zu einem respektvollen Umgangston gegenüber den Mitarbeitern der Regierung von Oberbayern verpflichten, verlangt Lemke in ihrer E-Mail. "Verletzungen dieser Grundhaltung können - wie auch sonstige Verstöße gegen die Hausordnung - mit Konsequenzen unterbunden werden, was auch ein Hausverbot einschließen kann."

"Wir müssen davon ausgehen, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht mehr erwünscht ist"

Als die Gewaltschutzkoordinatorin Ende vergangenen Jahren ihre Arbeit aufnahm, fanden das die Ehrenamtlichen zunächst gut. Inzwischen gebe es keine Zusammenarbeit mit dem Helferkreis mehr, trotz gegenteiliger schriftlicher und mündlicher Aussagen einiger Regierungsmitarbeiter, kritisiert Sagerer. Sie befürchtet sogar dass "wir auf Grund der Maßregelungen und Forderungen der Gewaltschutzkoordinatorin davon ausgehen müssen, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht mehr erwünscht ist." Wenn die Security etabliert sei, würden sie keinen Zugang mehr zu den Bewohnern haben, außer "wir gehen auf die Forderungen des "Bewerbungsgespräches" ein. Sagerer glaubt, dass sich keiner der Helfer unter diesen Bedingungen weiter engagieren wolle. Griebel setzt dagegen weiterhin auf Gespräche, es gehe schließlich um das Wohl der Geflüchteten.

Auch Zollings Bürgermeister Helmut Priller ist über das Vorgehen der Regierung von Oberbayern verärgert. Die Gemeinde sei von Lemke nur spärlich und sehr spät über die Pläne informiert worden. "Es gibt keinen Grund, einen solchen Zaun aufzustellen, das ist das falsche Signal", sagt Priller. Es habe keine Vorfälle gegeben, die diesen Schritt rechtfertigten. Der Bürgermeister macht auch deutlich, dass ein Zaun und Security die bisher gelungene Integration zunichte machten. Die Geflüchteten erlebten wieder, eingesperrt zu sein. "Wir werden versuchen, diese Maßnahmen zu verhindern, außer, es wird uns gesagt, warum sie notwendig sind."

Am 8. Juli treffen sich die Verantwortlichen der Regierung von Oberbayern, Zollings Bürgermeister Helmut Priller, die Gewaltschutzkoordinatorin sowie die Mitglieder des Helferkreises zu einem klärenden Gespräch.

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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