Corona-Pandemie belastet Rettungskräfte:"Da waren einige heftige Fälle dabei"

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Man dürfe die psychische Belastung der Rettungskräfte in den vergangenen Monaten nicht unterschätzen, warnen die Hilfsorganisationen beim "Blaulichtgespräch" (Symbolbild). (Foto: Catherina Hess)

BRK, Malteser und Johanniter stehen seit Monaten wegen der Corona-Krise unter psychischer Dauerbelastung. Darauf machen die Hilfsorganisationen beim "Blaulichtgespräch" aufmerksam. Die Spätfolgen sind noch nicht absehbar.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Rettungskräfte im Landkreis Freising ohne Unterbrechung mit Gefahren konfrontiert, die von diesem neuartigen Virus ausgehen. Nicht nur, weil das BRK in Zusammenarbeit mit den Johannitern beispielsweise die Corona-Teststelle am Landkreis-Bauhof in Zolling betrieben hat und die Rettungskräfte viele Corona-Patienten, teilweise auch mit Notarzt, ins Klinikum gebracht haben. Sie sind auch seit Monaten in ihrem ganz normalen Berufsalltag mit der Pandemie konfrontiert. Diese Dauerbelastung hat Folgen.

Die Rettungskräfte müssen ja auch weiterhin bei Unfällen ausrücken oder zu Patienten, bei denen der Verdacht auf einen Schlaganfall oder Herzinfarkt besteht. Oft über Stunden im Vollschutzanzug immer mit Maske, im Sommer bei hohen Temperaturen, das ist körperlich anstrengend. Die Gefahr, bei einem solchen Einsatz selbst angesteckt zu werden, ist dennoch groß. "Der eine steckt das weg, der andere wiederum nicht. Der hat große Angst, seine Kinder anzustecken oder betagte Eltern, die mit ihm leben ", beschrieb BRK-Kreisgeschäftsführer Albert Söhl am Mittwoch die Lage beim jährlichen Blaulichtgespräch mit dem Leiter der Staatskanzlei Florian Herrmann. Die Teilnehmer dieser Runde, Vertreter von BRK, Johannitern, Maltesern und der Psychosozialen Notfallversorgung, nutzten die Gelegenheit, um den Corona-Koordinator der Bayrischen Staatsregierung mit Nachdruck auf die Schwierigkeiten und Probleme bei der Bekämpfung der Pandemie hinzuweisen.

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Die psychische Belastung nicht unterschätzen

So warnte beispielsweise Birgit Wahl von der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) davor, die Auswirkungen der psychischen Belastung, die mit dieser Krise einhergeht, bei der Bevölkerung und vor allem bei den Rettungskräften und dem Pflegepersonal im Altenheim und im Klinikum zu unterschätzen. Die Mitarbeiter der psychosozialen Notfallversorgung helfen bei der Bewältigung von kritischen Lebensereignissen Angehörigen, Hinterbliebenen und Unfallzeugen von Notfällen einerseits und den Einsatzkräften andererseits.

"Unsere Arbeit hat jetzt schon eine ganze andere Qualität bekommen, da waren einige heftige Fälle dabei, und da kommt noch ein Welle auf uns zu, dafür müssen wir gerüstet sein", sagte Birgit Wahl. Die Spätfolgen dieser Dauerbelastung seien noch nicht absehbar. Die Lage sei umso schwieriger, weil die Pandemie mit allen ihren Konsequenzen nun schon seit Monaten andauere und auch nicht abzusehen sei, wann das alles wieder aufhöre. "Das ist anders als bei einem Flugzeugabsturz. Der passiert, dann wird getan, was getan werden muss. Aber irgendwann ist das vorbei und dann wird aufgeräumt", sagte Birgit Wahl.

Probleme bereiten den Rettungskräften auch die Überlastung der Testlabors im Großraum München. "Das ist ein Nadelöhr, das uns das Leben wirklich schwer macht", klagte beispielsweise Heinrich Märkl von den Johannitern in Allershausen. Die Labors hätten die Grenzen ihrer Kapazität erreicht, bestätigte auch BRK-Geschäftsführer Albert Söhl. "Die lassen uns oft im Regen stehen", schildert er. Das fange oft schon bei der Lieferung der Teströhrchen an und höre bei den Testgeräten auf. "Sie würden auch gerne erweitern, die Geräte sind oft auch schon bestellt, aber die stehen in China, weil sie dort produziert werden, und kommen dann nicht sofort, wenn man sie braucht". Die Überlastung der Testlabors habe zur Folge, dass die Testpersonen teilweise bis zu fünf Tage auf das Ergebnis warten und sich in dieser Zeit in Quarantäne begeben müssten.

Große Sorgen bereitet den Rettungskräften auch die neue Anweisung der Regierung von Oberbayern, dass eine Asylbewerberunterkunft komplett 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden müsse, falls bei einem Bewohner eine nachgewiesene Covid-19 Infektion vorliegt. Das Problem ist, sollte bei einem weiteren Bewohner auch eine Infektion festgestellt werden, verlängert sich die Quarantäne entsprechend.

"Wenn man die Menschen da 14 Tage einsperrt, dann gibt es Riesenprobleme"

Sowohl Albert Söhl vom BRK als auch Heinrich Märkl von den Johannitern rieten dringend davon ab, in einem solchen Fall eine Asylbewerberunterkunft komplett abzuschotten, womöglich noch mit einem Bauzaun und Security-Personal. "Wenn man die Menschen da 14 Tage einsperrt, dann gibt es Riesenprobleme und das geht dann auch nur noch mit der Polizei", sagte Söhl. "Ich will mir gar nicht ausmalen, was dann passieren könnte", fügte Märkl hinzu.

Landratsamtssprecher Robert Winkler bestätigte am Mittwoch die neue Anweisung der Regierung. Die Landratsämter seien darüber am 30. Juli informiert worden. Daraufhin habe das Landratsamt Freising ein Konzept entwickelt, um umgehend bei neuen Infektionen in einer Asylbewerberunterkunft nach den neuen Vorgaben reagieren zu können. In Absprache mit allen beteiligten Behörden, den Polizeidienststellen und weiteren Beteiligten sei ein internes Ablaufschema konzipiert worden, das gewährleiste, dass die betroffene Unterkunft innerhalb kurzer Zeit informiert, geschützt und versorgt werden können.

Vor der neuen Anordnung habe es im Landkreis bereits Corona-Infektionen in drei Unterkünften gegeben. Hier sei es nicht zu Problemen gekommen, so Winkler. Die betroffenen Bewohner seien umgehend informiert worden, das Gesundheitsamt habe Abstriche genommen und die Bewohner seien während der Quarantäne mit Lebensmitteln, Hygiene- und Putzmitteln versorgt worden. Darüber hinaus seien Sozialarbeiter täglich per Telefon für Beratung oder Krisenbewältigung erreichbar gewesen.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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