Hilfe für ukrainische Flüchtlinge:Mit Herzblut und Engagement

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Elena Karafillis und Oksana Elbe (rechts) haben 2023 der Solidaritätspreis der SPD bekommen, der jetzt wieder verliehen wird. (Foto: Marco Einfeldt)

Elena Karafillis und Oksana Elbe setzen sich in Neufahrn für Geflüchtete aus der Ukraine ein. Nun haben sie den Solidaritätspreis der SPD bekommen.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

Das Handy von Elena Karafillis und Oksana Elbe klingelt durchgehend. Mal braucht jemand eine Information, mal schickt jemand anderes das Bild eines Formulars und fragt, was man da überhaupt eintragen soll. Manchmal sind es auch gute Nachrichten: "Das Jobcenter hat eine Wohnung genehmigt", sagt Karafillis und freut sich. Mehrmals im Laufe des Gesprächs bittet sie um Geduld und geht ran: Es gibt immer etwas zu regeln, es gibt immer ein Problem, das gelöst werden muss.

Das Handy von Elena Karafillis und Oksana Elbe klingelt durchgehend - und zwar schon seit elf Monaten, seit Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angegriffen hat. Beide Frauen haben nach dem ersten Moment der Fassungslosigkeit und des Schmerzes eine Entscheidung getroffen: Sie mussten helfen. "Ich konnte nicht dastehen und nichts beitragen", sagt Elbe.

Von Anfang an unterstützen die zwei Frauen ukrainische Geflüchtete in Neufahrn, für ihren Einsatz haben sie am Freitagabend beim SPD-Neujahrsfest den "Neufahrner Solidaritätspreis" der Sozialdemokraten bekommen. In der Begründung liest man, dass sie sich "mit Herzblut und mit riesigem Engagement für ihre ukrainischen Landsleute eingesetzt" und "den örtlichen Flüchtlingshelferkreis immens unterstützt" haben.

"Ich habe in meinem Leben nie so viele Formulare ausgefüllt wie jetzt"

Karafillis, 52, kommt aus der ukrainischen Stadt Tscherkassy, sie wohnt seit 1996 in Deutschland und betreibt mit ihrem Mann das Restaurant "Sofa Bar" in Neufahrn. Elbe, 58, ist in München in einer aus Ternopil in der Westukraine stammenden Familie geboren und arbeitet als Bilanzbuchhalterin beim Evangelischen Presseverband. In die Hilfe ukrainischer Geflüchteter investieren sie einen Großteil ihrer Freizeit - nicht über einen Verein, sondern aus eigener Initiative. "In den ersten Kriegstagen habe ich am Münchner Hauptbahnhof übersetzt", erzählt Elbe. Danach sei sie von der Neufahrner Nachbarschaftshilfe angesprochen worden, die jeden Montag einen Treffpunkt für geflüchtete Familien aus der Ukraine organisiert.

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Wenig später haben Elbe und Karafillis eine Viber-Gruppe - ein in der Ukraine populärer Messaging-Dienst - gegründet, die inzwischen mehr als 130 Mitglieder hat. Dort verteilen sie praktische Infos oder Freizeitideen für die Kinder, dort tauschen sie sich mit den Ukrainerinnen und Ukrainern aus. Die richtige Arbeit findet aber draußen statt: Sie erledigen Telefongespräche, sie suchen nach Wohnungen und nach Möbeln, sie sammeln Spenden für die Ukraine, sie kämpfen gegen die Bürokratie. "Ich habe in meinem Leben nie so viele Formulare ausgefüllt wie jetzt", sagt Karafillis. Häufig begleiten sie Menschen beim Gespräch mit Ämtern und Behörden, weil diese nur selten feste Dolmetscher im Personal haben- ein Manko, wie die beiden denken. Denn so sind Geflüchtete auf die Hilfe privater Helfer und Helferinnen angewiesen.

Die Wohnungssuche gehört zu den größten Schwierigkeiten

Mehr als 50 ukrainische Familien leben in Neufahrn, sagen die zwei Helferinnen, hauptsächlich Frauen mit Kindern, die unmittelbar nach Kriegsbeginn geflüchtet sind. Die Frauen besuchen Deutschkurse und arbeiten in manchen Fällen schon als Hilfskräfte, die Kinder gehen in die Kita oder in die Schule. Fast alle sind am Anfang in privaten Familien untergekommen und haben mittlerweile eine Wohnung gefunden, obwohl das einfacher klingt als es ist. Denn eine Wohnung zu finden in der Region ist ohnehin schon schwierig, für Flüchtlinge - die auf das Geld des Jobcenters angewiesen sind - noch mehr.

"Ich habe eine Wohnung zum 1. Juni vermittelt, die erste Miete vom Jobcenter kam aber erst Ende August", sagt Elbe, die den Vermieter mehrmals vertrösten musste. Das sei nur ein Beispiel, aber prinzipiell sei man sehr darauf angewiesen, dass die Vermieter gut gesonnen sind. Andere ukrainische Flüchtlinge haben erst mit großer Verspätung finanzielle Unterstützung vom Jobcenter bekommen - und monatelang vom Essen der Tafel gelebt. Dennoch sei Elbe "gerührt und dankbar" für die Hilfsbereitschaft der Menschen, die die ukrainischen Flüchtlinge "positiv" aufgenommen haben.

Karafillis und Elbe haben sich erst durch ihr Engagement kennengelernt, "nun sind wir wie Verwandte", sagt Karafillis. Sie fordern mehr militärische Unterstützung für die Ukraine und teilen die Hoffnung, dass der Krieg dieses Jahr endlich vorbei sein wird - wie viele der ukrainischen Frauen, die so früh wie möglich zu ihren Familien und in ihr Land zurückkehren möchten. Auch Karafillis Mutter lebt noch in der Ukraine: Sie ist fast 80 Jahre alt und will ihre Heimat nicht verlassen. Mit ihr zu kommunizieren sei schwierig, sie habe nur zwei Stunden Strom am Tag, die Verbindung bricht ständig ab. Dann klingelt Karafillis Telefon wieder, jemand braucht Hilfe, wie fast durchgehend seit elf Monaten. Bald werden es wohl zwölf sein, "aber in der Ukraine sind sie stark wie Eisen. Alle sagen, dass wir gewinnen werden".

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