Landtagswahlkampf in Freising:Hier regiert das Bayern-Gen

Lesezeit: 3 min

Kandidatinnen und Kandidaten in der Fish-Bowl: Junge Menschen haben Politikern am Mittwochabend auf den Zahn gefühlt. (Foto: Marco Einfeldt)

CSU-Kandidat Florian Herrmann erteilt den Grünen während einer Podiumsdiskussion eine klare Absage für eine Koalition. Sie seien nicht Bayern-affin genug. Die dritte Startbahn am Flughafen erklärte er für passé.

Von Peter Becker, Freising

Der ruhmreiche FC Bayern München erklärt seine nicht enden wollende Erfolgsserie mit dem sagenumwobenen Bayern-Gen. Wie das die Fußballer verinnerlicht haben, die aus aller Herren Länder zum Verein gestoßen sind, ist bislang unerforscht. Springt es auf einen Menschen über, wie ein Influenza-Virus? Gibt es einen Impfstoff dagegen? Dann könnte es sein, dass Landtagskandidatin Anne Werkmeister von der Partei "Die Basis" mit einer Kerze in der Hand um die Ecke kommt, um gegen die Immunisierung zu demonstrieren.

Verflüchtigt es sich von selbst, wie bei den Oktoberfest-Gästen, wenn sie ihre Trachten abgelegt haben, und wieder dahin verschwunden sind, wo sie her gereist kamen? Sei dem wie es sei: Florian Herrmann (CSU) hat in der Fishbowl-Diskussion des Kreisjugendrings und der SZ Freising im Freisinger Lindenkeller zur Landtagswahl den Grünen eine Absage bezüglich einer Koalition im Landtag erteilt: weil ihnen eben das Bayern-Gen fehlt.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Johannes Becher (Grüne), aus Moosburg stammend, hart an der Grenze zu Niederbayern, und quasi nur gute dreißig Kilometer von Rottenburg an der Laaber entfernt wohnend, wo die Ikone der Freien Wähler Hubert Aiwanger residiert, fragte entrüstet zurück. "Woran machen Sie das fest, dass ich das nicht habe?" Herrmann schließt von den Grünen in Berlin auf die bayerischen Parteifreunde. "Weil sie nicht so ticken wie die Bayern."

Nun, Thomas Müller, Kicker beim FC Bayern, der aus Weilheim stammt, definiert das Bayern-Gen in einem Podcast des TV-Senders Sport 1 als den unbedingten Willen zum Sieg. In diesem Sinne antwortete Becher, dass er sich aber ziemlich sicher sei, wieder viele Stimmen auf sich zu vereinen.

Haben sich den Fragen junger Menschen im Lindenkeller gestellt (von links): Anne Werkmeister (Die Basis), Niklas Welser (Die Partei), Alina Graf (SPD), Johannes Becher (Grüne), Benno Zierer (Freie Wähler), Florian Herrmann (CSU) und Timo Ecker (FDP) (Foto: Marco Einfeldt)

Ob Bayern-Gen oder nicht: Viele Menschen drängen in den Freistaat, weil es dort so schön ist oder weil sie hier Arbeit gefunden haben. Wer viel verdient, kauft sich ein Haus am Tegernsee. Wer weniger zur Verfügung hat, der muss eben zusehen, dass er eine günstige Wohnung findet. Das gilt auch für Freising. Zelte aufschlagen, wie es Niklas Welser von der Partei vorschlug, dürfte keine praktikable Lösung sein. Timo Ecker (FDP) will das großen Konzernen überlassen und Investoren eine Quote für sozialen Wohnungsbau vorschreiben. Herrmann will bürokratische Hindernisse abbauen und Investoren wirtschaftliche Anreize geben. "Das ist der richtige Weg."

Die Moderatoren Francesca Polistina, Mitarbeiterin der SZ, und Linus Henrichs vom Kreisjugendring sorgten für Ordnung und dafür, dass die Debatten nicht ausuferten. (Foto: Marco Einfeldt)
Wer zu lange redete, dem wurde das mit einer Zeitlampe auf dem Tisch signalisiert. (Foto: Marco Einfeldt)
Und wenn es zu abgehoben wurden, kam der Bulshit-Buzzer zum Einsatz und das Team-Faktencheck hatte einen Auftrag. (Foto: Marco Einfeldt)
Die jungen Zuhörer hatten keine Scheu, Fragen zu stellen. (Foto: Marco Einfeldt)

Benno Zierer (FW) regte neue Wohnformen an, unter anderem genossenschaftliches Bauen. Auf alle Fälle müsse man weg von Einfamilien- hin zu Mehrparteienhäusern. Felix Bergauer (ÖDP) verwies auf die hohen Zinsen, die auch genossenschaftliches Bauen schwierig machten. "Die Finanzierung ist in der aktuellen Lage schwierig." Alina Graf (SPD) plädiert für eine staatliche Lenkung des sozialen Wohnungsbaus.

Liveblog aus dem Freisinger Lindenkeller
:Die Jugend hat das Wort

Bei der Fishbowl-Diskussion des Kreisjugendrings im Freisinger Lindenkeller müssen sich die Kandidatinnen und Kandidaten für den Landtag auch unbequemen Fragen stellen.

Von Birgit Goormann-Prugger und Kerstin Vogel

"Kann man denn der CSU vertrauen?", lautete eine Frage aus dem Publikum. Schließlich sei die hinter ihrem Anspruch, 10 000 Wohnungen zu bauen, zurückgeblieben. Überhaupt: Warum sollten junge Menschen, die sich mühsam Eigentum zusammengespart haben, im ersten Jahr Grundsteuer zahlen, fragt eine junge Frau die SPD-Kandidatin Alina Graf. Die Sozialdemokraten wollen diese Abgabe erhöhen, denn wer Eigentum habe, sei auch wohlhabend.

Alina Graf (SPD) hat an den Infoständen eine sehr aufgebrachte Stimmung bemerkt. (Foto: Marco Einfeldt)
Florian Herrmann bei der Veranstaltung des Kreisjugendrings. (Foto: Marco Einfeldt)
Johannes Becher (Grüne). (Foto: Marco Einfeldt)

Die Gretchenfrage des Abends lautete, wie es die Parteien denn mit populistischen Äußerungen halten. Gängige Meinung war, man müsse dem zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft entschieden entgegentreten. Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für Herrmann nicht in Frage. Eine Außenseiterrolle nahm hier Anne Werkmeister ein.

Sie kritisierte Niklas Welser dafür, dass er auf seinem Sakko einen Aufkleber mit den Worten "Nazis töten" trug. "So etwas würde mir nicht über die Lippen kommen." Menschen auszugrenzen, verschärfe nur Probleme. "Wir müssen aufhören, uns mit Schimpfwörtern zu überziehen", forderte sie. Sonst treibe man sie in die Hände der AfD. Das rückte sie nach Auffassung von Welser selbst in die Nähe rechtsgerichteter Gruppen, weil sie diese so heftig verteidige.

Niklas Welser (Die Partei). (Foto: Marco Einfeldt)
Anne Werkmeister (Die Basis). (Foto: Marco Einfeldt)
Benno Zierer kürzlich bei einer Diskussionsrunde des Kreisjugendrings in Kooperation mit der SZ im Oberhaus vom Freisinger Lindenkeller. (Foto: Marco Einfeldt)

Werkmeister fiel in dieser Besetzung von Landtagskandidaten auf. Gegenüber ihren professionellen Konkurrentinnen und Konkurrenten wirkte sie amateurhaft. Eben kein Bayern-Gen. Mit ihrer zarten Stimme verkündete sie Botschaften, die zum Teil esoterisch wirkten und im Auditorium Verwunderung auslösten. So wendet sie sich gegen die gentechnische Herstellung von Medizin und setzt dagegen auf Naturheilkunde.

Was die Bildung anbelangt, sollte diese von den Kindern selbst bestimmt werden. Wer sprachbegabt sei, solle Sprachen lernen, wer gut rechnen könne, eben Mathe. Kindern dürfe nichts aufoktroyiert werden. Auch nicht, sie im Sexualkundeunterricht über queere Identitäten aufzuklären. Um dies alles umzusetzen, bedürfe es einer neuen Lehrerausbildung.

Timo Ecker (FDP). (Foto: Marco Einfeldt)
Felix Bergauer ( ÖDP). (Foto: Marco Einfeldt)

Zierer musste sich natürlich die Frage nach Aiwanger und seinem Flugblatt gefallen lassen. "Das Thema ist ausgelutscht", beschied er Welser. Er verteidigte Aiwanger, indem er auf eine Frage zu dessen populistischen Äußerungen in Erding antwortete, in der Hitze des Gefechts könne man schon mal übers Ziel hinausschießen. Bergauer kritisierte die populistische Sprache von vielen Parteien. Immerhin sei man an diesem Abend pfleglich miteinander umgegangen, fand Becher.

Die Themenliste war lang. Der Abend war es auch. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Forderung des Kandidaten, endlich die dritte Startbahn am Flughafen aufzugeben, setzte Hermann entgegen, dass niemand mehr die Absicht habe, eine solche zu bauen. "Den politischen Willen gibt es nicht mehr." Das Thema sei passé, sagte er mit gewisser Häme zu Becher. Da sei den Grünen wohl ein Wahlkampfthema abhanden gekommen.

Und dann gibt es noch Anliegen, an denen das beste Bayern-Gen scheitert. Ein Student sagte, es störe ihn, wenn Flugzeuge bei Gewitter über die Bibliothek fliegen. Das sei Sache der Flugsicherung, entgegneten Becher und Hermann. Und eine Fußgängerzone in der Innenstadt einzuführen, das sei Aufgabe des Stadtrats.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinung"Fishbowl" zur Landtagswahl
:Es geht eben doch

Bei der Diskussionsveranstaltung des Kreisjugendrings diskutieren junge Leute auf Augenhöhe mit den Kandidierenden. Der Abend zeigt, dass miteinander zu reden ein Rezept gegen die Spaltung sein könnte.

Ein Kommentar von Kerstin Vogel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: