Kontroverse Debatte:Ein Jahr zum Wohl der Allgemeinheit

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Mit einer generellen Dienstpflicht könnten junge Menschen einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Durch die Ukraine-Krise ist das Thema wieder aktuell - die Meinungen in den Kreisen Freising und Erding sind gespalten.

Von Charline Schreiber , Freising

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht lauter geworden. Anfang März hat sich der Freisinger Landtagsabgeordnete Benno Zierer (Freie Wähler) für eine Dienstpflicht ausgesprochen und ist damit bei den Jungen Liberalen und Jungen Sozialisten auf Widerspruch gestoßen.

Die Landtagsfraktion der Freien Wähler habe schon 2011, nachdem die Wehrpflicht abgeschafft worden war, mit einem Konzept reagiert, das plante, ein verpflichtendes Dienstjahr für Männer und Frauen einzuführen. Die Ukraine-Krise und die Corona Pandemie habe Deutschland seine Defizite im Militär aber auch in Gesundheits- und Pflegeberufen neu aufgezeigt. Ein zwölfmonatiger Dienst bei der Bundeswehr, in Pflegeeinrichtungen, im Rettungsdienst oder im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes könne einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten, erklärt Zierer.

"Das soziale Jahr ist notwendiger denn je", sagt Benno Zierer

Der Abgeordnete findet, dass zuerst über den Begriff "allgemeine Dienstpflicht" gesprochen werden müsse. Ein soziales Jahr sei treffender, auch weil es darum gehe, jungen Menschen eine Orientierung zu geben. "Die Dienstpflicht muss durch eine breite gesellschaftliche Diskussion und demokratisch entschieden werden." Dabei sollen Jugendverbände mit eingebunden werden, auch die Stimmen von Schulen und Psychologen seien in der Debatte wichtig. Zierer sagt über die heutige Jugend, dass sie sich zwar politisch einbringe, das Soziale dabei aber oft verdrängt werde. "Das soziale Jahr ist notwendiger denn je", sagt Zierer.

Albert Söhl, Kreisgeschäftsführer des BRK-Kreisverbands Freising, spricht sich für eine Dienstpflicht aus. Die Frequenz sozialer Aufgaben sei hoch. Aktuell habe er das Gefühl, die Menschen seien nur auf sich selbst fokussiert. Eine Dienstpflicht könne das Wir-Gefühl wieder stärken. Er selbst habe beobachten können, dass Zivildienstleistende den Dienst oft zu ihrem Beruf gemacht haben. Auch ihn persönlich habe der Zivildienst im Katastrophenschutz bereichert, er sei schließlich geblieben, so Söhl. "Ich finde es wichtig, dass junge Menschen mit anderen Personen zusammenkommen und die sozialen Probleme besser kennenlernen. Gesellschaftlich wäre eine Dienstpflicht vernünftig."

Im Dorfener Marienstift sähe man die Dienstpflicht als Chance

Die Einrichtungsleiterin des Marienstift Dorfen, Marion Prey, erhofft sich von einer Dienstpflicht, dass sich daraus langfristig Arbeitskräfte rekrutieren lassen. "Wenn wir junge Menschen noch als Unterstützung hätten, dann glaube ich, kann für alle Beteiligten etwas ganz Tolles entstehen." Die Absolventen würden einen Einblick in ein Berufsfeld erhalten, mit dem sie sonst nicht in Berührung kommen. Das Verständnis für soziale Arbeit steige damit immens.

"Ich glaube nicht, dass der einzige Weg, zum Beispiel die Bundeswehr und Pflege zu reformieren, eine allgemeine Dienstpflicht ist", findet Konrad Thees, Sprecher des Grünen-Ortverbands Erding. Er sehe die Notwendigkeit der allgemeinen Dienstpflicht. Er verweist aber auch auf die freie Arbeitsplatzwahl, die im Grundgesetz verankert ist. Verfassungsrechtlich müsse die Begründung für die Dienstpflicht so stark sein, dass diese den Eingriff in die Freiheit rechtfertigt.

Theresa Rudolph, Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen in Freising, kritisiert, dass mit Hinblick auf die vergangenen zwei Pandemiejahre, in denen sich die junge Generation oft unbeachtet und zurückgelassen gefühlt hat, eine Dienstpflicht nicht zurechtfertigen sei. Der Staat solle so wenig wie möglich in das Leben der Bevölkerung eingreifen, auch wenn Engagement wichtig sei. Rudolph schlägt vor, enger mit Schulen zusammenzuarbeiten, Aufklärungsarbeit zu leisten und auf kommunaler Ebene Diskussionen anzuregen.

"Junge Menschen sollten politisches Versagen nicht ausgleichen müssen"

"Die Dienstpflicht wäre gegenüber der Wehrpflicht nur eine Erweiterung auf zusätzliche Organisationen. Auch zu Zeiten der Wehrpflicht wurde niemand dazu gezwungen, den Dienst an der Waffe zu leisten", gibt auch Kreisrat Tobias Weiskopf (FDP) zu Bedenken. Er betont, dass die Gesellschaft mit der Dienstpflicht versuche, Missstände in Mangelberufen auszugleichen. "Wir sagen: Es kann nicht sein, dass das Versagen der Politik in der Pflege jetzt durch junge Menschen ausgeglichen werden muss." Der Beruf müsse attraktiver gestaltet werden, dazu zähle eine bessere Bezahlung, ein Abbau bürokratischer Hürden oder Reformen in der Ausbildung. Das Grundgesetz garantiere das Recht, sich frei im Beruf zu entfalten. Junge Menschen für ein vorgeschriebenen Zeitraum zwangsweise zu verpflichten, sei dahingehend nicht vertretbar.

Auch, dass die Dienstpflicht ausschließlich für junge Menschen gelte, halte er für falsch. Sowohl junge als auch ältere Gruppen müssten für Engagement begeistert und ihre Möglichkeiten ausgebaut werden. Denn schon jetzt gebe die Jugend der Gesellschaft viel zurück. "Junge Menschen bringen sich ein, die wissen, was passiert, sind interessiert. Besonders im Umweltschutz ist diese Generation so engagiert wie keine andere Altersgruppe." Weiskopf findet, dass die junge Generation oft unterschätzt und deswegen bevormundet werde. Der Kreisvorsitzende begrüßt gleichwohl ein freiwilliges soziales Jahr und wünscht sich, noch mehr Menschen dafür zu begeistern. Die Entscheidung, welchen Weg sie aber gehen möchten, ein Auslandjahr, Studium oder Praktikum, die dürfe man der jungen Generation nicht abnehmen.

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