Livemusik in Freising:Plötzlich eine Stadt mit Nachtleben

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Die Nacht der Musik verwandelt Freising für ein paar Stunden in eine lebendige Stadt: Die Menschen sind auf den Straßen, tanzen in Kneipen und Cafés bis in die Morgenstunden.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Mats läuft der Schweiß über die Stirn, über Wangen und Nacken. Die Luft ist heiß und feucht. Das hält ihn nicht davon ab, immer wieder "Oh my god!" zu brüllen - wenn es Sänger Josef Stadlmaier von "The Sensational Skydrunk Heartbeat Orchestra" von dem Publikum im Furtner einfordert. Tropisches Klima im Raum, und doch tanzen die Leute noch nachts um zwölf wild zu Ska-Pop. Bis in den Eingang drängen sich die Zuhörer. Im Stadtgarten war er schon, sagt Mats, und im Schneiders - da war es auch gut. "Aber das hier sind die Besten heute." Auch vor dem Furtner tummeln sich Leute, reden, rauchen. Einer pustet Seifenblasen.

Es ist die Nacht der Musik: Schon am Friedhof an der Kammergasse sind um halb zehn am Abend Gitarrenriffs zu hören. In blaues Licht getaucht spielen "Midlife Or Crisis?" hinter den Fenstern des Bierstüberls an der Ziegelgasse. In dieser Nacht ist alles anders. So wie Regen die Wüste zum Blühen bringt, macht Musik Freisings Nacht lebendig. 17 Lokale bieten, organisert vom Verein Prima leben und stereo, Livemusik unterschiedlichster Genres: Elektro, House, Rock, Ska, Pop, Salsa, Folk, Jazz, Indie, Balkanrock - vielleicht sind deswegen so viele Leute unterwegs, weil jeder etwas für sich findet.

Unterschiedliche Zuhörertypen quetschen sich im Effe&Gold zusammen

In einigen Kneipen läuft es aber nur langsam an: im Vis-à-vis etwa. "'Ne gute Band, aber leider war es ziemlich leer", berichtet einer, der dort war. Man tauscht sich aus. Brechend voll ist es bei Effe&Gold. "Einlassstopp", sagt die Türsteherin um viertel vor zehn. Dann kommt man doch noch hinein und kann "Heavymörtl" sauber "No One Knows" von "Queens of the Stone Age" covern hören. Das Problem ist der Platz. Unterschiedliche Zuhörertypen quetschen sich zusammen: Die, die von ihren Tischen einfach zusehen. Die, die im Sitzen mitrocken wollen und den Kopf rhythmisch vorschieben. Und die, die im übervollen Gang an der Bar versuchen zu tanzen, während sich dazwischen Kellnerinnen mit beladenen Tabletts abmühen. Im Furtner mit extra Schank- und Tanzräumen sind sie besser dran. Wem es zu voll ist, geht wieder an die Luft. "Eigentlich eine schöne Ecke", stellt jemand fest.

Auf dem Platz am Roider-Jackl-Brunnen sitzen die Leute, essen und reden: Plötzlich gibt es ein Nachtleben. Orientalischer Pop schallt leise aus dem Paprika-Döner an der Oberen Hauptstraße, Leute sitzen davor. Ein Shuttlebus fährt vorbei, zu den weiter entfernt liegenden Kneipen. Am Wörth macht ein Nachtschwärmer eine Ein-Mann-Welle für seine Freunde. Auf einer Bank knutschen Teenies. Diese Nacht ist dazu da, um Spaß zu haben.

Lebensfreude made in Südamerika - kann Freising auch

Ein Pärchen in den 40ern schlendert Händchen haltend durch die Gassen in Richtung Parkcafé. Drinnen tragen viele Frauen Rot. Salsa-Rhythmen von "Isabel Casas y Nueva Vista": Auch hier ist es voll, die Leute tanzen paarweise oder alleine unter Kronleuchtern. Sogar in den Ecken lässt man zumindest mit angewinkelten Armen die Schultern kreisen: Lebensfreude made in Südamerika - kann Freising auch. Vor der Hansibar, wo es immer edel und chic zugeht, sitzen Menschen auf der Bordsteinkante. Eine ganze Traube steht vor der geöffneten Glasfront und hört Jazz von "Beleza", der Band der Freisinger Musiker Julia Schröter und Uli Wunner. Ein Klarinettensolo, Beifall bis auf die Straße. Moment, die Hansibar steht gar nicht auf dem Plan. "Ganz spontan" hätten sie das organisiert, sagt Inhaberin Steffi Schuster, als kostenlosen Gig. Ansonsten wachen vor den Kneipen Türsteher über die blauen und roten Ticket-Armbändchen der Gäste.

Wieder der Furtner: Sprechgesänge im Schankraum. Gegenüber kokettiert der "Skydrunk"-Sänger - grauer Vollbart - mit seinem Alter. Auf der Bühne geht er aber noch genauso ab wie vor zehn Jahren. Stadlmaier wischt sich den Schweiß von den Augen: "Wir können jetzt ein Agreement machen und für 30 Sekunden die Fenster öffnen. Aber dann müsst ihr ganz leise sein." 30 Sekunden lang atmet ein Raum voller Menschen nur noch ein und aus und eine Dampfwolke wabert nach draußen. Die Band schafft einen Fünf-Stunden-Auftritt. Ihren Geburtstags-Gig zu einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte halten auch die Mitglieder von "Midlife Or Crisis?" locker bis nach zwei Uhr durch. Auf einer Bank vor Bücher Pustet spielen "Unbroken Link" ihren Gitarrenblues. Einfach, weil sie Lust dazu hatten. Und die Leute haben noch immer Lust auf Musik, lauschen, wippen mit. Aus dem Furtner kommt jemand, sagt, dass es spät sei. Die Anwohner und so weiter. Wer jetzt noch feierhungrig ist, geht in die Soundbar oder schiebt sich "irgendwie den Berg hoch", um im Lindenkeller noch ein paar Stunden weiter zu tanzen. Dann schläft die Stadt wieder ein.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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