Kameras an Bäumen:Den Wald-Menschen auf der Spur

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Wer bei Freising in den Wald geht, wird beobachtet. Anhand von Filmaufnahmen untersuchen Forscher der TU München, wie viel Zeit Sportler und Spaziergänger im Forst verbringen. Manch eine Kamera wird gehackt - von einem Vogelschnabel.

Von Alexandra Vettori, Freising

Wer ist wann im Wald unterwegs und was tut er da? Diese Fragen stellen sich der Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der Technischen Universität in Weihenstephan, die Stadt Freising und der örtliche Forstbetrieb. Um Antworten zu bekommen, organisieren sie seit November eine Art Waldvolkszählung - mit Kameras, die in den Bäumen hängen.

"Das soll keine akademische Kopfgeburt sein, sondern der Versuch, einmal harte Zahlen und Fakten zur Waldnutzung zu bekommen", erklärt Lehrstuhlmitarbeiter Gerd Lupp. Bisher nämlich, sagt er, sei das ein Bereich, "in dem wir noch wenige Informationen haben". Hintergrund der Aktion ist nicht das Ausspähen der Privatsphäre von Spaziergängern, sondern der Versuch, die Erholungsfunktion des Waldes besser fassen zu können. Die wird neben der Hauptfunktion, der Holzlieferung, immer wichtiger, ist aber schwer belegbar.

Die TU nutzt die Daten für eine Art Volkszählung

Drei Kameras mit Blick auf die Wege hängen seit November am Walderlebnispfad, ein paar mehr sind es im Weltwald. Befürchtungen von Spaziergängern bezüglich des Datenschutzes versuchten die Wissenschaftler von Anfang an auszuräumen. Denn die Kameras aus dem Wildtiermonitoring in Camouflage-Optik und Walkie-Talkie-Größe werden mit Plastikstreifen verklebt, sodass sie nur verschwommene Bilder liefern.

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Damit kann man zwar erkennen, ob jemand auf einem Rad unterwegs ist, mit Stöcken oder Hund, aber nicht, um wen genau es sich handelt.

Die Bilder werden "nachgematscht"

Zusätzlich, betont Lupp, würden die Fotos mit einem Bildprogramm weiter "nachgematscht", bevor sie in die Auswertung kommen. "Uns interessiert auch, wie schemenhaft Bilder sein dürfen, um Hunde-Gassigänger und Nordic Walker noch von normalen Spaziergängern unterscheiden zu können", so der Wissenschaftler. Die Freisinger Untersuchungen dienten auch dazu, ein Verfahren zu finden, das möglichst gute Zähl- und Schätzverfahren mit möglichst geringem Einsatz der Kamera kombinieren soll, mit dem Endziel, auf die Kameras ganz zu verzichten.

Zu konkreten Ergebnissen und Zahlen möchte Gerhard Lupp zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen, diese würden Anfang November gemeinsam mit der Stadt vorgestellt. Nur so viel verrät er, die Menschen seien wesentlich länger im Wald unterwegs, als bisher gedacht. So haben die Kameras viele Nachtjogger mit Stirnlampen auf den Fotos festgehalten. In den frühen Morgenstunden dagegen sind vor allem Nordic Walkerinnen unterwegs.

Und noch etwas haben die Wissenschaftler festgestellt: Die Tiere in den Bäumen haben sich sehr für die Kameras interessiert.

Vögel picken an der Linse

So ist manch ein Vogel und Eichhörnchen verschwommen beim Picken oder Hantieren an der Linse festgehalten worden. Die eine oder andere Kamera hat die Untersuchungen durch einen harten Schnabel auch nicht unbeschadet überstanden und musste ausgetauscht werden.

Ein kleines Detail-Ergebnis aus der Weihnachtszeit hat Gerhard Lupp dann doch noch parat: Als Schnee lag, waren rund zehn Prozent der Besucher im Wald Kinder mit ihren Schlitten. Die Zahlen von Joggern und Nordic Walkern dagegen waren in der Zeit der geschlossenen Schneedecke rückläufig. Überraschend sind solche Zahlen zwar nicht, sie ermöglichen allerdings einen Rückschluss auf etwaige Wünsche aus der Bevölkerung, zum Beispiel was das Räumen von Wegen im Winterwald betrifft.

Um heraus zu bekommen, was alles im Wald los ist, findet seit November2014 eine Art Waldvolkszählung statt. (Foto: Jörg Koch)
© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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