Ebersberg:"Der Wald darf kein Rummelplatz sein"

Seit zehn Jahren bewirtschaftet der Forstbetrieb Wasserburg den Staatswald im Ebersberger Forst. Leiter Heinz Utschig über Natur, die sowohl wirtschaftlichen Interessen dienen muss als auch der Erholung

Von Carolin Fries

Wehn Jahre ist es her, dass die Staatsforstverwaltung in Bayern in die Bereiche Forstverwaltung und Staatsforsten für die Bewirtschaftung und den Betrieb aufgeteilt wurde. Seither bewirtschaftet der Forstbetrieb Wasserburg den 7500 Hektar großen Staatswald im Ebersberger Forst. Forstbetriebsleiter ist Heinz Utschig. Der 56-Jährige war zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München in der Waldwachstumskunde tätig. Er schlägt zum Gespräch einen Platz im Wald vor, die Hohenlindener Sauschütt. Bei Sonnenschein, Vogelgezwitscher und einem Glas Wasser wandert sein Blick immer wieder ins Grüne. "Ich bin nicht viel im Büro", sagt er.

SZ: Sah der Ebersberger Forst vor zehn Jahren anders aus als heute?

Heinz Utschig: Bis aus einem kleinen Baum ein dicker, großer Baum wird, dauert es 100 Jahre. Zehn Jahre sind also ein sehr kurzer Zeitraum, um sichtbare Veränderungen zu bewirken. Man sieht allerdings deutlich, dass hier nach dem Sturm Wiebke 1990 verstärkt die Buche eingebracht wurde. Das ist jetzt 25 Jahre her, wurde konsequent weitergeführt und wird langsam sichtbar. Zwei Förster-Generationen wird es allerdings noch brauchen, bis der Waldumbau flächendeckend abgeschlossen ist.

Sie sprechen oft davon, dass die Ebersberger eine starke Verbundenheit mit ihrem Forst spüren - woran zeigt sich das?

Die Ebersberger haben eine klare Vorstellung, was in ihrem Wald passieren darf und was nicht. Das nehmen wir sehr stark wahr.

Sie meinen, es hagelt Beschwerden, etwa wenn im Wald gearbeitet wird.

Nein, für unsere Arbeit ist größtes Verständnis da. Als etwa nach dem Sturm Niklas im März dieses Jahres auch am Wochenende im Wald gearbeitet wurde und die Wege in einem sehr schlechten Zustand waren, gab es keine einzige Beschwerde. Als wir aber einen Weg mit einer dickeren Schicht Split als üblich ausgestattet haben und das Fahrradfahren dadurch schwieriger wurde, hat es nur einen Tag gedauert, dass man uns gebeten hat, den Split doch teilweise wieder abzutragen.

Mountainbiker, Jogger, Spaziergänger, Schwammerlsucher - welches sind Ihnen die liebsten Waldnutzer?

Wir wollen diese vielfältige Nutzung - genauso wie eine vielfältige Natur. Was wir nicht wollen ist der Wald als Rummelplatz. Deshalb gibt es mit der Sauschütt und dem Forsthaus Hubertus nur zwei Zentren. Abseits dieser Zentren soll der Wald Ruhe und die Möglichkeit zur Entspannung bieten - das, was es sonst kaum noch gibt.

Und das funktioniert?

Ebersberg: Der Ebersberger, der das Wildschwein im Wappen habe, habe ein Recht darauf, ein Wildschwein im Wald sehen zu können, sagt Heinz Utschig.

Der Ebersberger, der das Wildschwein im Wappen habe, habe ein Recht darauf, ein Wildschwein im Wald sehen zu können, sagt Heinz Utschig.

(Foto: Christian Endt)

Vor zwei Wochen bin ich 40 Kilometer durch den Forst geradelt und habe festgestellt, dass das Miteinander ganz gut klappt. Klar sind die Schwammerlsucher auch in den Ruhezonen unterwegs, aber das ist in Ordnung.

Man darf also überall hin?

Der Wald ohne Leute ist nix. Früher ging es im Wildpark vorrangig um die Jagdmöglichkeit, heute wollen wir das Wild sichtbar machen. Ich finde, der Ebersberger, der das Wildschwein im Wappen hat, hat auch ein Recht darauf, am Nachmittag ein Wildschwein im Wald sehen zu können. Und zwar ohne dass unsere Ziele als Forstbetrieb darunter leiden. Der Wald muss komplett als Erholungswald erlebbar sein.

Darum auch die vielen Schilder, die den Wald und seine Bewohner erklären?

Wenn der Wald erlebbar sein soll, muss man ihn auch erklären und beschildern. Im Forsthaus Hubertus haben mir die Wirtsleute erzählt, dass es immer noch Leute gibt, die nach dem Essen nicht spazieren gehen - aus Angst, sie könnten sich verlaufen. Das ist unbegründet.

Gibt es irgendwo noch gänzlich unberührte Flecken im Forst, ein kleines Stück Urwald?

Urwaldartig wird es erst jetzt wieder. Vorher, mit den reinen Fichtenbeständen, war das ja gar nicht möglich. Borkenkäfer und Stürme haben die Bäume nicht sehr alt werden lassen.

Nun dient der Wald ja nicht nur der Erholung, sondern ist auch ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. Zwölf Millionen Euro Umsatz macht der Forstbetrieb Wasserburg jährlich.

Aus dem Ebersberger Forst werden im Jahr 2000 Lastwagen Holz abtransportiert und vermarktet, das sind jeden Werktag durchschnittlich zehn Laster. Der jährliche Gewinn liegt zwischen drei und vier Millionen Euro im Jahr - Geld, das wir auch brauchen, um wieder in den Forst investieren zu können.

Kann das denn auf Dauer funktionieren: Mit dem Ebersberger Forst Geld verdienen und gleichzeitig eine hochwertige Natur erhalten?

Wir versuchen diese Grätsche. Es ist keine Schande, mit dem Ökosystem Wald Geld zu verdienen. Nur wenn man genug Geld verdient, kann man sich gewisse Standards wie Infosysteme oder Wege im Forst leisten. Hier in Ebersberg waren die dicken Fichten ja schon da. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass auch die nächsten Generationen auf dicke Stämme zurückgreifen können - trotz Klimawandel.

Ebersberg: Heinz Utschig, 56, ist Forstbetriebsleiter und lebt in Wasserburg.

Heinz Utschig, 56, ist Forstbetriebsleiter und lebt in Wasserburg.

(Foto: Christian Endt)

Wie viele Menschen arbeiten im Forstbetrieb Wasserburg, wie viele kümmern sich um den Ebersberger Forst?

Wir haben 70 Mitarbeiter. Um den Ebersberger Forst, der etwa ein Drittel der Gesamtfläche des Forstbetriebs ausmacht, kümmern sich 20 Leute. Das ganze Team muss stimmen, damit das, was wir uns vornehmen, auch umgesetzt werden kann. Dinge wie Waldbewirtschaftung, Naturschutz oder etwa der Skulpturen- und Walderlebnispfad.

Welches Forst-Projekt steht aktuell im Mittelpunkt?

Entlang der Staatsstraße 2080 müssen wir den Wildzaun erneuern, viele Pfähle waren morsch. Der Zaun führt um den kompletten Wildpark, 800 bis 1000 Wildschweine leben hier, die dürfen nicht auf die umliegenden Felder.

Apropos Schwarzwild. Wie klappt die Zusammenarbeit mit den privaten Waldbesitzern im Ebersberger Forst, denen um den Staatswald 2500 Hektar Wald gehören?

Im Süden des Ebersberger Forstes handelte es sich um einige große Waldbesitzer, im Nordosten sind es eher kleinere Waldbesitzer. Jeder kann seinen Wald bewirtschaften, wie er will, da machen wir niemanden Vorschriften. Aber beim Thema Schwarzwild müssen wir zusammenarbeiten. Im Schwarzwildarbeitskreis planen wir revierübergreifende Drückjagden und stimmen uns in den anderen jagdlichen Strategien ab. Ein echter Erfolg.

Der Forst als grüne Lunge eint den Landkreis, andererseits trennt er durch seine zentrale Lage. Gibt es Unterschiede der Drinner- und Draußerholzer, was den Umgang und den Anspruch an den Forst betrifft?

Alle nutzen gerne den Wald als Erholungsbereich. Der Wald ist aber auch eine Art Sperrriegel, und es gibt viele Ideen, das Trennende schneller in Richtung Autobahn überwinden zu können. Da gibt es zum Beispiel den Wunsch nach einer Trasse zur Flughafentangente durch den Forst - und nur einen Grundeigentümer. Und auch so manche Umgehungspläne wie in Schwaberwegen oder Kirchseeon führen auf dem Papier durch den Forst.

Das besorgt Sie.

Diese 10 000 Hektar Waldfläche sind schon was Besonderes. Die gilt es zu schützen.

Und die Windräder? Glauben Sie, die kommen noch?

Ich weiß es nicht. Wir haben zuerst gesagt: Am Rand geht es womöglich. Während der Diskussion hat man die Standorte dann Stück für Stück in den Forst verlagert, da wird es natürlich hochwertiger. Fest steht: Wir brauchen die Windräder nicht unbedingt. Unser Geschäft ist Holz.

Wo ist ihr Lieblingsplatz im Ebersberger Forst?

Hinter dem Forsthaus Hubertus gibt es ein Stück Wald, das meiner Vision des Zukunftswaldes entspricht. In der Nähe der Skulptur "Der Schwimmer im Wald".

Was sehen Sie als größte Bedrohung des Forsts?

Den Borkenkäfer und Stürme.

Und was wünschen Sie sich für den Wald?

Man kann nur hoffen, dass ihm eine Zerschlagung durch Großprojekte erspart bleibt. Und natürlich, dass er fit ist für den Klimawandel. Daran arbeiten wir.

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