Frauen aus dem Landkreis Freising:Die Rechte sind da, die Präsenz nicht

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Die Moosburger Bürgermeisterin Anita Meinelt (CSU) ist eine von nur zwei Bürgermeisterinnen im Landkreis Freising. Bei der Kommunalwahl am 15. März tritt sie nach 18 Jahren im Amt nicht mehr an. (Foto: Sebastian Gabriel)

Der Weltfrauentag erinnert daran, dass Geschlechtergleichstellung in der gesellschaftlichen Realität noch keine Norm ist. Das betrifft nicht nur wirtschaftliche Spitzenämter, sondern auch die Politik. Der laufende Wahlkampf zeigt: In der Kommunalpolitik sind Frauen unterrepräsentiert.

Von Friederike Streib, Freising

Auf dem Papier hat es die Gleichberechtigung der Frau in der Bundesrepublik weit gebracht: 1918 wird das Frauenwahlrecht eingeführt, 1949 schafft es die Gleichberechtigung in das Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 2) und seit 1994 ist eine aktive Gleichstellungspolitik Verfassungsauftrag. Trotzdem ist das Ziel der vollständigen Gleichberechtigung im Alltag, am Arbeitsplatz und in der Politik nicht erreicht. Das zeigt sich auch auf kommunaler Ebene.

Blickt man in der Zeit der bevorstehenden Wahlen auf die weiblichen Figuren in der Kommunalpolitik Freisings fällt vor allem eines auf: Sie sind rar. Die politischen Gremien in den Kommunen werden von Männern dominiert und nur zwei von 24 Bürgermeisterämtern bekleiden momentan Frauen: Anita Meinelt ist scheidende Bürgermeisterin von Moosburg und trug 18 Jahre lang die Verantwortung im dortigen Rathaus und Susanne Hoyer, die seit 2014 Bürgermeisterin von Langenbach ist und nun erneut zur Wahl antritt. Dass sich das Geschlechterverhältnis in den kommunalpolitischen Ämtern mit der Wahl verändern wird, ist fraglich. Von fast 70 Bürgermeisterkandidaten im Landkreis sind nur neun Frauen. Dabei gab es in der politischen Geschichte im Freisinger Land einige Politikerinnen, die als weibliche Vorbilder voran gingen - zum Beispiel Käthe Winkelmann.

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Als erste Frau in Bayern wurde sie 1964 für die Freie Wählergemeinschaft in Neufahrn zur Bürgermeisterin gewählt. 13 Jahre hatte sie das Amt inne, nachdem sie zuvor mehrere Jahre lang Gemeinderätin war. Ernest Lang, Vertreter des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn, kannte sie persönlich. Wenn er sich an die Politikerin erinnert, beschreibt er sie als Jeanne d'Arc von Neufahrn: "Für manche Leute war es damals unvorstellbar, dass eine Frau Bürgermeisterin wird. Aber die waren schnell in der Minderheit. Winkelmann hat viel angepackt und Anerkennung in der Gemeinde bekommen." 1970 stellte sich Winkelmann an die Spitze der Flughafengegner. Ein Thema, das ihre Zeit als Politikerin prägte. Sie habe ihre Ziele immer energisch verfolgt und sich nicht unterkriegen lassen, auch wenn der konsequente Widerstand einigen ein "Stachel im Auge" gewesen sei, erzählt Lang.

Paula Schäfer-Weber machte schon Ende des 20. Jahrhunderts Politik

Auch Paula Weber-Schäfer machte schon Ende des 20. Jahrhunderts Kommunalpolitik. Die gebürtige Freisingerin gründete 1977 die "Unabhängigen Freisinger Bürger" mit und zog mit der Vereinigung in den Stadtrat ein. Später gestaltete sie im Kreistag die Politik mit. Gleichzeitig leitete Weber-Schäfer ab 1968 die Spedition ihres verstorbenen Vaters. Bei der Übernahme der Geschäftsleitung war sie noch keine 30 Jahre alt. Das sie als Frau ein Männergewerbe leitete und aktive Kommunalpolitikerin war, sei für sie jedoch keine große Sache gewesen, erzählt Adolf Gumberger, ein langjähriger Freund Weber-Schäfers. "Sie war eine sehr emanzipierte Frau für diese Zeit. Aber dass sie eine Frau war, war bei all ihrem Schaffen für sie kein Kriterium. Sie hat frei von Schubladen gedacht." Paula Weber-Schäfer sei einfach eine Macherin gewesen, habe sich nie verbogen und sei immer offen gewesen, erinnert sich Gumberger. "Deshalb war sie sicher auch ein Vorbild für viele andere."

Und dann war da noch Irene Gallisch, das "soziale Gewissen Freisings", wie einige sie nannten. Sie saß viele Jahre für die SPD im Freisinger Stadtrat und zeigte dort weibliche Präsenz. Eine ihrer großen Errungenschaften war die Gründung des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt. Später baute sie den AWO-Ortsverein und die Sozialstation in Freising auf und leitete diese. Heidi Kammler, die Nachfolgerin Gallischs bei der AWO, sagt, es habe die Politikerin ausgemacht, dass sie sich gerade für diejenigen eingesetzt habe, die am Rande der Gesellschaft stehen. "Sie hatte ein Gespür für soziale Themen und sah die Menschen, die in Not waren", erzählt Kammler, "und auch wenn sie eine der ersten Frauen im Stadtrat war, hat sich Gallisch immer durchgesetzt - auch über Parteigrenzen hinweg."

Immer noch wird über Frauenanteile in der Politik gesprochen und verhandelt

Gemessen am Frauenanteil in der Bevölkerung im Landkreis Freising, standen die in der Kommunalpolitik vertretenen Frauen für eine Gruppe, die in den politischen Gremien deutlich unterrepräsentiert war und es auch heute noch ist. Diese Frauen - und sicher auch noch einige andere - waren ihrer Zeit damit drei Schritte voraus. Sie haben den Weg dafür bereitet, dass es heute nicht mehr ungewöhnlich ist, wenn Frauen auf den Wahlplakaten der Parteien zu sehen sind. Trotzdem wird immer noch über Frauenanteile in der Politik gesprochen und verhandelt. Das zeigt, dass Geschlechtergleichstellung noch keine Normalität ist und noch einiges getan werden muss. Der 8. März, der international als Weltfrauentag gefeiert wird, weist deshalb auf Errungenschaften der Frauenbewegung hin und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Stellen, an denen die Gleichberechtigung nur schleppend oder gar nicht voran geht.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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