Druck aus den sozialen Medien:"Mädchen stecken in einem Dilemma"

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Vor allem Mädchen wollen sich online gut präsentieren und auch immer erreichbar sein. (Foto: Paul Sakuma/dpa)

Jugendliche und auch schon Kinder fühlen sich in der Pflicht, ständig auf Facebook, Snapchat oder Instagram erreichbar zu sein. Eine Entwicklung, mit der sich die Stadtjugendpflege und die Freisinger Schulen befassen.

Von Clara Lipkowski, Freising

Die neueste Frisur muss unbedingt geteilt werden - und schon steht ein Foto davon auf der Facebookseite. Oder geht per Smartphone und Snapchat oder Instagram an die besten Freundinnen. Soziale Medien sind aus dem Alltag junger Leute nicht wegzudenken. Sie verbringen auf virtuellen Plattformen einen großen Teil ihrer Freizeit. Deswegen hat sich nun die Stadtjugendpflege des Themas angenommen. In einem Vortrag wurde die "Selbstdarstellung und Inszenierung von Mädchen in den sozialen Medien" thematisiert. Den Fokus auf Mädchen habe die Stadtjugendpflege bewusst gelegt, berichtet Sozialpädagogin Birgit Schwaiger. Denn der Einfluss auf Mädchen durch soziale Medien sei nicht zu unterschätzen.

"Die Mädchen sind einem Druck ausgesetzt, permanent online und immer auf dem neuesten Stand zu sein", sagt Schwaiger. Das Handy mal auszuschalten, nicht sofort auf Nachrichten zu reagieren, rufe bei Freunden schnell negative Reaktionen hervor. Hinzu komme die Selbstdarstellung in den eigenen Profilen der sozialen Netzwerke, die Mädchen noch wichtiger sei als Jungen. Das beobachte sie immer wieder im Alltag. "Sie legen anders Wert auf ihr Auftreten, als Jungen." Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sei daher "drängend", das fanden auch die etwa 20 Zuhörerinnen. Der Vortrag richtete sich an Frauen, die mit Mädchen arbeiten - Schulsozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen.

"Eigentlich zeigen sie nicht ihre eigene Identität, sondern sich selbst so, wie sie gesehen werden wollen"

Elke Stolzenburg vom Verein Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik (LAG) in Bayern war eigens als Rednerin für den Vortrag nach Freising gekommen. "Mädchen stecken in einem Dilemma", sagt die Sozialpädagogin: "Eigentlich zeigen sie nicht ihre eigene Identität, sondern sich selbst so, wie sie gesehen werden wollen." "Inszenierte Authentizität" nennt das die Expertin. Für ein umsichtiges Verhalten in sozialen Netzwerken müsse das Bewusstsein junger Mädchen geschärft werden, wenn es um das eigene Profil im Internet gehe: "Sie sollten sich fragen, warum stelle ich dieses Bild ins Netz und nicht ein anderes", sagt Stolzenburg. Gleichzeitig müsse der Umgang mit sozialen Medien auch Pädagoginnen vertrauter werden. "Viele, um die 30 oder 40 Jahre alt, kennen Snapchat oder Instagram gar nicht", sagt Stolzenburg. Um mitreden zu können, müsste sich das ändern.

In der anschließenden Diskussion kamen ganz alltägliche Probleme zur Sprache: "Wenn in sozialen Netzwerken Lügen verbreitet werden oder jemand jemanden disst", sagt Schwaiger, würden diese Konflikte im Alltag, etwa in der Schule, ausgetragen. "Wir wollen Mädchen in ihrem Selbstbild stärken", sagt Schwaiger. Dazu sei es notwendig, mit den Schülerinnen zu sprechen. "Was denkst du, was von dir verlangt wird, wenn du online bist?", sei eine Frage, die dann Mädchen gestellt werde. Oder: "Was gefällt dir an diesem Profil und warum?" Man müsse das "dahinter" reflektieren, findet Schwaiger.

"Bibi" gibt in ihren selbst gedrehten Videos Schmink- und Frisurentipps

Etwa bei "BibisBeautyPalace". In dem Youtube-Kanal lädt die Kölnerin Bianca "Bibi" Heinicke selbst gedrehte Videos hoch. Hip gekleidet und an ihre "Lieben" adressiert, gibt sie Schmink- und Frisurentipps. Gerade jüngeren Mädchen müsse vor Augen geführt werden, was dahinter steckt, sagt Stolzenburg: "Für die Youtuberinnen geht es natürlich darum, möglichst viele Likes zu bekommen." Jungen Mädchen sei das oft nicht bewusst, sagt sie. "Es fängt ja teilweise schon mit acht, neun Jahren an, dass Kinder online sind."

Auch Freisinger Schulen beschäftigt der Umgang der Schützlinge mit sozialen Medien. Allerdings weniger mädchenspezifisch. Das Josef-Hofmiller-Gymnasium bietet Informationsveranstaltungen mit dem Jugendbeauftragten der Polizei an. Thema: Cybermobbing. Gleiches mache das Camerloher-Gymnasium zum Thema Datensicherheit, berichtet Direktorin Andrea Bliese. Cybermobbing kenne sie auch: Eine Mutter habe einmal Screenshots eines Falls mitgebracht, anhand dessen die Lehrer beschwichtigen konnten. "Manche Schüler haben nach eineinhalb Stunden Unterricht 100 neue Nachrichten", sagt sie, das setze natürlich unter Druck.

Das bestätigt auch der Schulleiter des Dom-Gymnasiums, Manfred Röder: "Den Druck, ständig erreichbar zu sein, nehmen wir sehr deutlich wahr." Insgesamt werde das Thema sozialer Medien wichtiger. Deshalb gibt es Medienkompetenzprojekte ab der 7. Klasse. Schülerteams würden zu Medienscouts geschult, um andere Schüler zu informieren, "außerdem machen Lehrer mit ihren Klassen Medienführerscheine, so lernen Schüler einen verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien". Denn Röder gibt zu bedenken: Schüler müssten auch im Umgang mit persönlichen Daten sensibilisiert werden. "Einige sind da sehr sorglos unterwegs und geben viel preis."

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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