Der Wahlabend in Freising:Breites Grinsen und Beileid

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Im Freisinger Landratsamt warten die Parteien gespannt auf die Ergebnisse aus den Gemeinden. Grüne und Freie Wähler posieren für Siegerfotos, auch die AfD freut sich. Die Verlierer CSU und SPD verfallen dagegen in Schockstarre.

Von Petra Schnirch, Freising

Es ist kurz vor 18 Uhr, der Fernseher läuft, im Sitzungssaal des Landratsamts ist noch nicht viel los. Nach der ersten Prognose weicht in den Gesichtern der Grünen die Anspannung einem breiten Grinsen. Etwa 40 Sitze hat die Ökopartei im Landtag in Aussicht. "Da ist der Jojo auf jeden Fall drin", analysiert Toni Wollschläger, Sprecher der Grünen-Fraktion im Freisinger Kreistag. Johannes Becher steht auf Platz sechs der Oberbayernliste.

Mit Spannung sind am Sonntag im Landratsamt die Ergebnisse erwartet worden. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei der SPD macht sich dagegen Schockstarre breit. Regungslos sitzen Markus Grill und Victor Weizenegger, die für Landtag und Bezirkstag kandidieren, auf ihren Stühlen. AfD-Bundestagsabgeordneter Johannes Huber und Bezirkstagskandidatin Melanie Hilz tippen unterdessen mit einem feinen Lächeln auf ihren Smartphones herum. Aus dem Stand bayernweit mehr als zehn Prozent - die AfD zählt ebenfalls zu den Gewinnern des Abends.

Trotz Verluste ein Regierungsauftrag

Allmählich trudeln die ersten CSU-Funktionsträger ein. Landrat Josef Hauner steht etwas verloren im großen Saal, der eigentlich so etwas wie sein Wohnzimmer ist, und lauscht konzentriert den ersten Worten von Ministerpräsident Markus Söder nach der Wahl, der im Fernseh-Interview zwar von Verlusten und auch von Demut spricht, gleichzeitig aber den klaren Regierungsauftrag für die CSU reklamiert, was im Saal ein leichtes Raunen auslöst.

Für Markus Grill und Victor Weizenegger von der SPD (oben) war es kein schöner Abend. (Foto: Marco Einfeldt)

Dann, um 18.32 Uhr, die erste Hochrechnung, die SPD ist nur noch einstellig bei 9,9 Prozent. "Eine Katastrophe", kommentiert Markus Grill, Direktkandidat seiner Partei im Landkreis. Er hatte nach den Umfragen mit keinem guten Ergebnis für die Sozialdemokraten gerechnet, aber immerhin mit zwölf bis 13 Prozent. Bis zuletzt hat auch er am Sonntag online noch Wahlkampf gemacht. Zu zwei Dritteln schreibt er, ein vehementer Gegner der großen Koalition in Berlin, das schlechte Abschneiden der Bundespolitik zu.

Die Grünen fallen sich in die Arme

Als die Hochrechnung im Fernseher aufploppt, gehen alle ein paar Schritte nach vorn in Richtung Bildschirm. Als unmittelbar danach SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen interviewt wird, hört schon keiner mehr zu. Es wird laut im ehrwürdigen Sitzungssaal, Johannes Becher ist inzwischen da, die Grünen umarmen sich. Auch die Startbahngegner von Plane Stupid zeigen sich mit dem Ergebnis bisher zufrieden.

Benno Zierer (Freie Wähler) hatte Grund zur Freude. (Foto: Marco Einfeldt)

Als um 19.26 Uhr die ersten beiden Gemeinden aus dem Landkreis ihre Zahlen melden, bestätigt sich, was viele schon vermutet haben. Selbst in den kleineren Gemeinden im Norden, früher traditionelles CSU-Land, zeichnet sich ein Erdrutsch für die Christsozialen ab. In Gammelsdorf - dort waren die Auszähler wieder einmal am schnellsten - und Wang liegt Staatsminister Florian Herrmann nur bei knapp 35 beziehungsweise bei unter 33 Prozent, der Grüne Becher kommt auf mehr als 14 und in Wang sogar auf über 21 Prozent. Vor einigen Jahren noch wäre das undenkbar gewesen. Die ersten Mutigen meinen, es könnte eng werden mit dem Direktmandat für Florian Herrmann und die CSU. Auch Benno Zierer, mit Anzug und Krawatte, ist nun aus München eingetroffen und strahlt. Bayernweit liegen die Freien Wähler laut Hochrechnung bei 11,8 Prozent, auch seine eigenen Ergebnisse im Landkreis sehen gut aus, seine Wiederwahl als Landtagsabgeordneter dürfte gesichert sein. Abgeordneter a. D. Christian Magerl von den Grünen, der an diesem Abend besonders ausgelassen ist, legt Zierer für ein Foto den Arm auf Schulter. "So sehen Sieger aus", ruft er. Der Freisinger CSU-Stadtrat Hubert Hierl begrüßt unterdessen Markus Grill per Handschlag und spricht ihm, auch in der Niederlage unnachahmlich stilvoll, "gegenseitiges Beileid" aus.

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19.47 Uhr: In Mauern kommt die CSU auf 32,4 Prozent, die Freien Wähler auf 30,09 Prozent; Zierer wird immer aufgekratzter. Das Thema Startbahn hält er für erledigt, egal ob die CSU mit Freien Wählern oder Grünen koalieren wird. Er selbst will erreichen, dass das umstrittene Projekt aus dem Landesentwicklungsprogramm gestrichen wird.

20 Uhr: In Marzling kehren sich die Verhältnisse um. Die Grünen liegen mit 31,52 Prozent deutlich vor Freien Wählern und CSU, für die SPD manifestiert sich dagegen mit nur 4,97 Prozent das ganze Elend. Was Viktor Weizenegger besonders schlimm findet: Dass die Sozialdemokraten als nur noch fünftstärkste Kraft im Landkreis von der AfD, "einer rechtsextremen, neofaschistischen Partei", überholt worden sind.

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In Moosburg hat der Grüne über 30 Prozent

In der Zwischenzeit steigt die Stimmung bei den Freien Wählern weiter. In Kirchdorf, Fahrenzhausen und Paunzhausen liegt Benno Zierer sogar vor Florian Herrmann. "Brutal", meint Vorsitzende Maria Scharlach dazu. Zierer kommt immer näher an den CSU-Mann heran. Kurzzeitig herrscht fast ungläubiges Staunen.

Es geht Schlag auf Schlag, Moosburg stimmt mit über 30 Prozent für Johannes Becher. Lauter Jubel bei den Grünen, die Freien Wähler verlieren dadurch im Kampf um das Direktmandat an Boden. Alle stehen jetzt vorn und starren auf die Leinwand, auf die nach und nach die Ergebnisse aus dem Landkreis projiziert werden. Nach einigen weiteren Gemeinden ist aber klar, dass die Sensation wohl ausbleiben wird und das Direktmandat wieder an Herrmann geht. Die Landkreiskarte aber ist bei dieser Landtagswahl ein bisschen grüner geworden. Nicht nur in Marzling, sondern auch in Freising schneidet die Öko-Partei am besten ab und liegt fast 16 Prozentpunkte vor der CSU.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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