Ausstellung im Freisinger Diözesanmuseum:Die Frau muss sich selbst befreien

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Beate Passow sieht sich als streitbare Person. (Foto: Marco Einfeldt)

Beate Passow setzt sich in neun großen Tapisserien mit ganz unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der Frauenbewegung auseinander - mal auf humorvolle, mal auf sehr bewegende Weise.

Von Petra Schnirch, Freising

Mit der Ausstellung "Fight Club" zeigt das Freisinger Diözesanmuseum Werke einer weiteren zeitgenössischen Künstlerin. Beate Passow setzt sich in neun großen Tapisserien mit der Geschichte der Frauenbewegung auseinander. Wie diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts um ihre Rechte kämpfen musste - und es immer noch tun muss. Eigentlich aber geht es nicht nur um das Verhältnis Mann-Frau, sondern um die großen Themen jeder Gesellschaft, jeden Zusammenlebens: Gerechtigkeit und Machtmissbrauch.

Zwei Jahre lang bereitete Beate Passow die Ausstellung vor, die bis zum 10. September im zweiten Obergeschoss des Museums zu sehen ist. Die Münchner Künstlerin arbeitet mit Fotomontagen, die sie digital zusammensetzt. Überwiegend in Schwarz-Weiß, selten mit farbigen Akzenten und nur dort, wo es inhaltlich Sinn macht. Durch diese Technik gelingt es ihr, die Bildaussage zu schärfen oder auch zu ironisieren. In der Weberei des Staatlichen Augsburger Textil- und Industriemuseums wurden die Tapisserien dann digital hergestellt. Das Themenspektrum ist breit, vom Kampf für das allgemeine Wahlrecht Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Femen-Bewegung.

Bei einem Pressetermin am Donnerstag führte Beate Passow selbst durch die Sonderausstellung. Auch für interessierte Besucherinnen und Besucher wird es an fünf Terminen möglich sein, mit der Künstlerin bei einem Rundgang ins Gespräch zu kommen.

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Die erste Arbeit der Reihe zeigt Frauenrechtlerin Anita Augspurg, die mit ihren Mitstreiterinnen durchsetzte, dass Frauen in Bayern im Januar 1919 erstmals an der Landtagswahl teilnehmen durften. Zufrieden und ein wenig spitzbübisch blicken fünf Frauen in die Kamera, das Originalfoto stammt aus dem Stadtmuseum in München. Doch damit war dieser Kampf noch nicht beendet. In zweiter Reihe sind überwiegend schwarze Frauen zu sehen, die in den USA noch drei Jahrzehnte später demonstrieren mussten, um sich für die Teilnahme an Wahlen registrieren zu können.

Die zweite Tapisserie, die sie für "Fight Club" anfertigte, ist "Femen", wie Passow erzählt. Abgebildet sind Frauen mit nacktem Oberkörper, die 2019 bei einer Demonstration in Paris die Aufmerksamkeit darauf lenkten, dass immer noch viele Frauen sterben müssen, weil sie sich nicht so verhalten, wie (ihre) Männer das erwarten. Hineinmontiert ist ein großes Krokodil mit aufgerissenem Maul, das bedrohlich wirkt, aber auch eine Reminiszenz an ihre surreale Klasse an der Akademie der Bildenden Künste sei, sagt Passow.

Im Werk "Das Wahlrecht" blicken Anita Augspurg und ihre Mitstreiterinnen kokett den Betrachter an. (Foto: Marco Einfeldt)
Auch Frauen greifen mitunter zur Waffe wie diese Peschmerga-Kämpferin. Im Hintergrund eine Tafel mit Kleidervorschriften der Terrorgruppe "Islamischer Staat". (Foto: Marco Einfeldt)

Die Arbeiten der Künstlerin bezeichnete die stellvertretende Museumsleiterin Carmen Roll auch als "Gegenschlag", als "Befreiungsschlag" zur großen Sonderausstellung "Verdammte Lust! Kirche, Körper, Kunst", die noch bis zum 2. Juli im Diözesanmuseum zu sehen ist. Dort dominiere ein "sehr männlicher Blick", während "Fight Club" Frauen zeige, die sich aus eigener Kraft aus Zwängen, aus der Unterdrückung befreien wollen. Dass sie dabei teils vor Gewalt nicht zurückschrecken, belegt die Arbeit "Peschmerga", das Foto einer Kämpferin mit Kalaschnikow, in das Beate Passow eine Stellwand mit einer komplett verhüllten Frau und der strikten Kleiderordnung der Terrorgruppe "Islamischer Staat" montiert hat.

Lange beschäftigt habe sie die Motivwahl für "§ zweihundertachtzehn", schildert Beate Passow. Letztlich entschieden hat sie sich für ein Taufkleid, das in einer unwirtlichen Moorlandschaft mit Tümpel schwebt. Beate Passow, Jahrgang 1945, erlebte die Auseinandersetzungen um den Abtreibungsparagrafen in den Siebzigerjahren hautnah mit. Auch sie beteiligte sich an der Aktion "Ich habe abgetrieben" und bekam eine Anklage. "Das werde ich nie vergessen", erzählt sie. Obwohl sie selbst gar nicht abgetrieben hatte und mit 22 ihren Sohn bekam. "Aber ich sah darin eine Notwendigkeit." Auch ein Stück ihrer eigenen Vergangenheit floss also mit ein. Die Interpretation des Bildes überlässt sie letztlich dem Betrachter, denn das abgebildete Taufkleid hat sie selbst getragen, außerdem ihr Vater und ihr Sohn. Alles Kinder also, die zur Welt gekommen sind.

Mitten in den Eröffnungsgottesdienst der Amazonassynode der katholischen Kirche hat die Künstlerin in Kreuzform die Auftaktdemonstration der Frauen-Initiative Maria 2.0 in Fulda montiert. (Foto: Marco Einfeldt)
Künstlerin Beate Passow mit den Kuratorinnen Anna-Sophia Achatz-Reichelt (l.) und Katharina Huys (3. v. l.) sowie der stellvertretenden Leiterin des Diözesanmuseums, Carmen Roll (r.). (Foto: Marco Einfeldt)

Die Offenheit des Museumsteams um Leiter Christoph Kürzeder und Carmen Roll freut Beate Passow, denn auch "Maria 2.0" wird in der Ausstellung gezeigt. Dank Fotomontage haben es hier die protestierenden Frauen, die in der katholischen Kirche mehr Rechte einfordern, schon mal in den Petersdom in Rom geschafft. "Militärisch aufgereihten", so Passow, kirchlichen Würdenträgern bei einer Synode steht hier ein bunter, fröhlicher Haufen gegenüber, der auf den Betrachter, die Betrachterin zukommt. "Ein positives Signal", sagt Passow. Carmen Roll fügt hinzu, dass der gesellschaftliche Diskurs dem Museum wichtig sei, deshalb gebe es keine Tabus.

Frauen werden um ihre Rechte auch weiterhin kämpfen müssen, betont die Münchner Künstlerin. Sie ist immer wieder mit Textilarbeiten, eher weiblich konnotierten Materialien, in Erscheinung getreten. In "Wanted" griff sie RAF-Fahndungsplakate auf und erregte damit Aussehen. Diesmal geht es um politisch-gesellschaftliche Belange von Frauen. Freiwillig würden Männer das bestehende Machtgefüge nicht aufgeben, glaubt sie. Durch den Krieg in der Ukraine befürchtet sie vielmehr sogar Rückschritte für die Frauenbewegung.

Die Ausstellung "Fight Club" ist vom 18. Juni bis zum 10. September im Diözesanmuseum zu sehen. An den Donnerstagen, 22./29. Juni sowie 13./20. Juli, 16.30 Uhr, und am Sonntag, 10. September, 15 Uhr, bietet Beate Passow Rundgänge an.

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