Freisinger im Krisenmodus:Enormer Kundenzustrom bei Lebensmittel-Lieferdiensten

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Lebensmittel-Lieferdienste wie der Naturgarten Schönegge in Nandlstadt oder die Ökokiste Kirchdorf boomen zurzeit. Die Server sind überlastet, Neukunden müssen teilweise auf die Warteliste.

Von Birgit Grundner, Gudrun Regelein und Thilo Schröder, Freising

Die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen auch die Menschen im Landkreis Freising auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für manche bedeuten sie nur Einschränkungen in ihrem Freizeitverhalten, die weitaus meisten haben aber konkrete Sorgen - ob es nun um Gefahren für die eigene Gesundheit, um die schwierige Betreuung der Kinder oder die Rettung des eigenen Geschäfts oder Unternehmens geht. Die Freisinger SZ gibt in einer kleinen Serie Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.

Der Naturgarten Schönegge

Bei Lebensmittellieferanten boomt derzeit das Geschäft, sie stoßen coronabedingt aber auch an ihre Kapazitätsgrenzen. "Wir haben einen wahnsinnigen Kundenzustrom", berichtet Sophie Schwaiger, leitende Mitarbeiterin beim Naturgarten Schönegge in Nandlstadt. Allein der Lieferservice sei in der vergangenen Woche von rund 650 Kunden genutzt worden, davor seien es im Schnitt 500 gewesen. 700 Lieferungen seien maximal wöchentlich zu stemmen. Inzwischen heißt es auf der Website: "Unsere Touren sind leider alle voll!" Neukunden könnten sich auf die Warteliste setzen lassen.

Den Kundenanstieg führt Schwaiger auf zwei Ursachen zurück. Zum einen auf die zwischenzeitliche Schließung des Freisinger Wochenmarkts: "Die Märkte entlasten den Lieferservice", erklärt sie; man hoffe, dass weitere Schließungen belieferter Märkte in der Region - etwa in Moosburg oder Erding - ausbleiben. Zum anderen auf den Mehrbedarf der Stammkunden: Vor allem Nudeln, Mehl, Käse und Getränke würden nun vermehrt gekauft, neben den üblichen Obst- und Gemüsebestellungen - Dinge, die die Leute sonst eher im Supermarkt kauften, sagt Schwaiger.

Hofläden boomen, Lieferungen direkt ins Haus sind gefragt wie nie: Verkäuferin Sarah Kaiser (links) hat in der Gärtnerei Schönegge in Meilendorf bei Nandlstadt viel zu tun. Für den Heimservice gibt es bereits eine Warteliste. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Hofladen sei neuerdings neben Dienstag und Freitag auch am Mittwoch und Samstag geöffnet. Auslieferer seien länger unterwegs, Routen würden nun teilweise von zwei Fahrern bedient. Die seien froh über die Mehrarbeit, denn "die dürfen in ihren anderen Jobs, die sie haben, gerade nicht arbeiten", sagt Schwaiger. Für Fahrten, Packen und die Bestückung von Märkten seien vier neue Mitarbeiter auf Minijob-Basis eingestellt worden, insgesamt seien nun 25 beschäftigt.

Die Hygienevorgaben des Freistaats vor dem Hintergrund des Coronavirus würden streng umgesetzt: Regelmäßig zu wechselnde Einweghandschuhe seien nun Pflicht. Auch Fahrer müssten sie tragen und ihre Lenkräder vor und nach der Auslieferung desinfizieren und den direkten Kundenkontakt meiden. Seife und Einweghandtücher seien nun überall im Betrieb verfügbar. Bei Krankheitsfällen agiere man "eher vorsichtig", die Mitarbeiter blieben auch bei geringen Anzeichen daheim. Weitere Maßnahmen, die Ware betreffend, habe man nicht angeordnet. "Bisher ist ja nicht bekannt, dass das Virus über Lebensmittel übertragen wird", so Schwaiger.

Die Ökokiste Kirchdorf

Auch bei der Ökokiste Kirchdorf ist der Ansturm groß. "Es ist wahnsinnig viel los, wir sind total im Stress", sagte eine Mitarbeiterin bereits am vergangenen Freitag. "Völlig überlastet" sei man, bestätigt eine Kollegin am Dienstag. Auf ihrer Website bittet die Inhaberfamilie Achatz um Verständnis, sollten einzelne Artikel nicht verfügbar sein, Lieferungen später eintreffen oder der Online-Shop wegen überlasteter Server verlangsamt funktionieren.

Die Mitarbeiter der Kirchdorfer Ökokiste müssen laufend für Nachschub bei Obst und Gemüse sorgen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Ökokiste Kirchdorf beliefert ein großes Einzugsgebiet: die Münchner Innenstadt, nördlich angrenzende Stadtteile sowie die nördlichen Landkreise Freising, Dachau und Pfaffenhofen. Entsprechend groß dürfte die Zahl der Kunden sein. Das Unternehmen bittet diese um Mithilfe, sowohl bei der Einhaltung von Hygienemaßnahmen - inklusive Mitteilung über eine angeordnete Quarantäne - als auch bei der zügigen Rückgabe von Leergut. Und es bittet um Verständnis, dass Lieferungen nun vor der Haustür abgestellt und nicht mehr in höhere Stockwerke gebracht werden.

Hinsichtlich Bedenken bei einer Herkunft von Produkten aus dem Ausland erinnert die Ökokiste: "Das Coronavirus wird nicht durch importierte Lebensmittel aus Risikogebieten übertragen. Das bedeutet, wir können Sie weiterhin mit Bio-Obst und Gemüse aus südlichen Ländern beliefern und dies ist auch nach wie vor zum Rohverzehr geeignet."

Der Caritas-Pflegedienst

"Momentan sind wir noch gut ausgestattet", sagt Regina Simnacher. Sie leitet den Pflegedienst der Caritas Freising. Für die Mitarbeiter gibt es ausreichend Schutzkleidung - Handschuhe, Schutzkittel und den einfachen Mundschutz. Das Landratsamt verteile derzeit immer wieder Material, das Technische Hilfswerk habe vor Kurzem ein Paket mit Schutzkitteln gebracht, berichtet Simnacher. Der ambulante Pflegedienst der Caritas fährt zu den Patienten, einige, deren Angehörige nun wegen der Ausgangsbeschränkungen zu Hause sind, müssen zurzeit nicht betreut werden. "Wir priorisieren die Einsätze", sagt Simnacher. Die Pflegekräfte seien bei ihren Besuchen sehr achtsam, unnötige Kontakte würden vermieden. Alle hygienischen Vorsichtsmaßnahmen würden streng beachtet: Zum Schutz der Patienten und um sich selber zu schützen. "Die Hände waschen und desinfizieren wir momentan wahrscheinlich alle öfters, als es notwendig wäre", meint Simnacher. Die Pflegebedürftigen, die noch betreut werden, sind oftmals alleine und froh um den Besuch. Sie versuche, Ruhe in die Sache zu bringen, sagt Simnacher. "Momentan sind sowieso viele Menschen sehr verunsichert."

Die Vielleserin

Eigentlich ist Alexandra Sappelt jeden Freitag zur Stelle. Dann deckt sie sich in der Neufahrner Gemeindebibliothek mit dem Material für die nächsten Tage ein, und da kennt sie keine Zurückhaltung: "Ich kann mich immer nicht beherrschen", schmunzelt die 59-Jährige. Wenige Stunden vor Bekanntgabe der Ausgangsbeschränkungen war sie auch noch einmal da - "zum Glück". Ein halbes Dutzend Bücher, ein paar DVDs und ein Hörbuch hat sie ausgeliehen, und sie ist damit "noch nicht durch". Wenn es so weit ist, wird es freilich schwierig mit dem Nachschub, weil auch die Bücherei geschlossen ist.

Zwar gäbe es auch die Möglichkeit, einstweilen die Online-Bibliothek zu nutzen. Unter www.netbib24.de kann man eBooks, eAudios und ePaper kostenlos herunterladen. Aber zum einen hat Alexandra Sappelt keinen Reader, wie sie sagt. Zum anderen hat sie auch lieber was zum "Anfassen" und blättert vor dem Ausleihen gerne erst mal in den Büchern . Am liebsten sind ihr Krimis, Kochbücher, und Ratgeber. Wenn man sie nach einer Empfehlung fragt, legt sie einem die drei Bände "Gespräche mit Gott" ans Herz. Diese wurden übrigen auch auf ihren Rat hin von der Gemeindebibliothek angeschafft.

Aber auch sonst ist Alexandra Sappelt ein besonderes großer Fan: Obwohl sie nach 25 Jahren aus Neufahrn weggezogen ist und inzwischen in Hebertshausen lebt, ist sie der Einrichtung treu geblieben. Zwar hat sie in der Nähe des neuen Wohnorts eine andere Bücherei ausprobiert, "aber die Auswahl war nicht so toll."

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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