Hausbesetzung:"Das war mal der schönste Hof in der Hallertau"

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Geht es nach den Besetzern dieses Bauernhofes in Wolfersdorf bei Au, könnte dort ein kulturelles Zentrum entstehen. Noch hat sich die Polizei bei ihnen nicht gemeldet. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine Aktivistengruppe namens WDzwo hält seit einem halben Jahr einen alten Bauernhof in der Hallertau besetzt, um gegen Bodenspekulation zu protestieren. In dieser Woche haben sie ihre Aktion öffentlich gemacht - und nun?

Von Peter Becker, Au in der Hallertau

Es geschah auf einem ihrer Spaziergänge mit ihrem Hund, bei dem Mia Finke auf den im Verfall begriffenen Bauernhof in Wolfersdorf bei Au aufmerksam wurde. Die Münchnerin ist Sprecherin der Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten, die unter der Bezeichnung "WDzwo" seit einem halben Jahr das abgelegene Gehöft besetzt haben. Der Personenkreis besteht aus Menschen, die politisch engagiert sind und sich unter anderem für Klimagerechtigkeit ein- und mit dem Thema Wohnraum auseinandersetzen. "Die Gruppe ist sehr divers zusammengesetzt", sagt die 31-jährige Mia Finke. Sie selbst war im vergangenen Jahr auch bei den Protesten gegen die Internationale Automobil-Ausstellung aktiv.

Die Mitstreiter von Mia Finke kommen aus München und Umgebung sowie aus Dachau. Aus dem Landkreis Freising hat sich noch niemand der WDzwo angeschlossen. Doch das könne sich ja noch ändern, sagt die 31-Jährige. Manche aus der Gruppe sind Anfang 20, andere wiederum Ende 30. Studierende sind ebenso dabei, wie Menschen, die ein großes Potenzial an handwerklichem Geschick mitbringen. Das ist bitter nötig, weil sich der seit acht Jahren unbewohnte Hof mittlerweile in einem erbärmlichen Zustand befindet.

Die Zimmer im Haus haben einen verwüsteten Eindruck gemacht

Im Haus habe es absolut übel ausgesehen, sagt Mia Finke. Die Zimmer hätten einen sehr verwüsteten Eindruck gemacht. Irgendjemand, vielleicht übermütige Jugendliche, musste dort wohl seine überschüssigen Kräfte loswerden. Vieles vom Mobiliar sei zerschlagen gewesen, schildert die 31-Jährige. Die Gruppe habe dann versucht, einiges zu restaurieren. Es habe den Anschein, dass sich keiner für die Gegenstände im Haus interessiere.

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Die aktuellen Bewohnerinnen und Bewohner von WDzwo haben über Monate hinweg nach den Besitzern des Bauernhofes geforscht. Auch bei der Marktgemeinde Au. "Wir haben ganz offiziell Anfragen gestellt", sagt Mia Finke. Es sei aber schwierig gewesen, an Informationen heranzukommen. Über Monate hinweg sei immer wieder bei Leuten aus der Umgebung nachgefragt worden. Allmählich habe sich das Bild vervollständigt. Die Gruppe fand heraus, wem der Bauernhof einst gehörte, dass dort eine Frau bis zu ihrem Tod alleine gewohnt und gewirtschaftet hatte. Was sie gewundert habe: "Es gibt eine riesige Erbengemeinschaft", sagt Mia Finke. Diese umfasse etwa 15 bis 30 Personen. Auf offiziellem Wege seien keine Namen zu erfahren gewesen. Erst über eine Nachbarin sei dann doch Näheres in Erfahrung zu bringen gewesen.

Möglicherweise steckt Spekulation hinter dem langen Leerstand

Das Schicksal des Bauernhofs stimmt Mia Finke traurig. Aus Schilderungen hat sie erfahren, dass "das mal der schönste Hof in der Hallertau" gewesen sein soll. Unter Umständen dauere es Jahre oder gar Jahrzehnte, bis alle Erben ausfindig gemacht sind oder sich geeinigt haben, was mit dem Hof geschehen soll. Dass über so lange Zeit auf dem Gehöft nichts passieren soll, sei nicht einzusehen. Die Aktivistinnen und Aktivsten argwöhnen, dass seitens der Erbengemeinschaft Kalkül hinter dieser Passivität steckt. Sie vermuten Bodenspekulation. Die Erben könnten einfach abwarten, bis der Preis für unbebautes Land weiter steige. Zum Gehöft gehören 15 Hektar Land. Und in den vergangenen Jahren sind die Preise für Agrarland extrem auf immer neue Rekordwerte gestiegen.

Die Gruppe WDzwo, der Name rührt von der Adresse des Bauernhofes her, hatte ihr "Coming out" vor einigen Tagen. Eigentlich hatten die Hausbesetzerinnen und -besetzer im Anschluss daran mit einer Anzeige, einem Besuch durch die Polizei und einer Räumaktion gerechnet. Derlei Maßnahmen sind bislang ausgeblieben. Laut Mia Finke gibt es einen "Hausmeister", der ab und an auf dem Gehöft nach dem rechten sieht. Dieser hatte mit einer Anzeige gedroht und wollte die Informationen über die Hausbesetzung an die Hausverwaltung weitergeben. Bis jetzt ist allerdings nichts geschehen. Bis Dienstagnachmittag lag bei der zuständigen Moosburger Polizei nach Rückfrage keine Anzeige vor.

Wie soll es nun auf dem Gehöft in der Hallertau weitergehen? "Wir haben viel vor", sagt Mia Finke. Ein kulturelles Zentrum könnte dort entstehen. Sie glaubt, dass Jugendliche das Gebäude viel genutzt haben. Dies solle auch künftig möglich sein, aber nicht auf destruktive, sondern in positiver Weise. Von Sport, etwa mittels Kletterwand, über einen Club, Bandauftritte, Seminare oder für Gruppen, die sich politisch austauschen wollten, sei vieles möglich.

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