Bürgermeister Karl Ecker:"Das Ich ist mehr gewachsen als das Wir"

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Der tägliche Weg ins Büro fällt bald weg - das Rathaus ist nicht mehr lange Karl Eckers Arbeitsplatz. Der Auer Bürgermeister gibt sein Amt Ende April nach 24 Jahren ab. (Foto: Marco Einfeldt)

Karl Ecker gibt in Au das Amt des Bürgermeisters ab. Seine sachliche Bilanz fällt positiv aus, der persönliche Austausch aber ist nach seinen Worten sehr viel weniger geworden. Er hofft, dass durch die aktuelle Krise das Miteinander wieder gestärkt wird.

Interview von Peter Becker, Au

17 Tage noch, dann ist es vorbei. Karl Ecker wird nach 24 Jahren nicht mehr Bürgermeister der Marktgemeinde Au sein. Statt seiner lenkt dann Hans Sailer, der ebenfalls Mitglied bei der Freien Wählergemeinschaft (FWG) ist, die Geschicke der Hopfengemeinde in der Hallertau. Die Freisinger SZ blickt im Gespräch mit Ecker auf die vergangenen 24 Jahre zurück.

SZ: Herr Ecker, was hat Sie als junger Mensch bewogen, sich für den Marktgemeinderat und später um das Bürgermeisteramt zu bewerben? Woher kommt das politische Engagement?

Karl Ecker: Ich bin immer ein bisschen aufgefallen, weil ich immer schon Interesse an Kirche und Politik hatte. Ich habe als Kind schon viele politische Sachen gewusst - mehr als im Fußball. Wenn andere die Namen der Spieler von Bayern oder Sechzig aufgesagt haben, konnte ich damals mit zehn Jahren die Ministerpräsidenten von Deutschland nennen. Das ist nicht anerzogen gewesen, das Politische ist mir irgendwie in die Wiege gelegt worden. Aufgefallen ist es vielleicht in der Schule. Eins meiner Lieblingsfächer war Sozialkunde. Das habe ich aufgesaugt wie ein Schwamm. Das Fach mögen die meisten überhaupt nicht.

Haben Sie politische Vorbilder gehabt?

Das war der Adenauer, der hat mich einfach begeistert. Mir haben die ganzen Charakterköpfe der Parteien gefallen. Da habe ich keinen Unterschied gemacht zwischen Schwarz und Rot. Es war die gute alte Zeit, wo es einen wütenden Strauß gegeben hat, einen Helmut Kohl, der ein bisschen so einen Eindruck wie ein Bischof gemacht hat. Helmut Schmidt habe ich immer verehrt, sogar dem Herbert Wehner (ehemaliger SPD-Politiker, Anm. d. Red.) habe ich gerne zugehört, auch wenn er gar nicht meine politische Richtung war. Schmidt und Adenauer sind auf dem Boden geblieben, das waren nicht so Überflieger. Trotzdem waren sie politisch interessant. Aber die ganz großen Vorbilder hat es nicht gegeben.

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Was waren Ihre größten politische Erfolge?

In der Zeit, als ich Bürgermeister war, habe ich die Gemeinde auf gute finanzielle Füße gestellt. Das ist die Grundvoraussetzung, dass man überhaupt etwas realisieren kann. Dabei habe ich die Bürger nicht durch irgendwelche zusätzlichen Abgaben oder Steuern belastet. Ich habe die Hebesätze in den ganzen Jahren nie angehoben und bin mit dem ausgekommen, was ich bekommen habe. Wenn man eine Hopfenlandhalle für 6,2 Millionen Euro baut, obwohl es keinen Zuschuss gibt, und das mehr oder weniger aus der Hüfte stemmt, dann ist das auch eine Leistung. Ein Lieblingsthema von mir war auch immer die Gewerbeansiedlung. Wir haben Au-West umgesetzt und dadurch Arbeitsplätze geschaffen. Wir werden immer Pendlergemeinde bleiben, das ist ja nichts Schlechtes. Mir war es aber immer wichtig, dass man vor Ort auch Arbeitsplätze hat. Zum Beispiel Halbtagsjobs für Frauen, die gerne arbeiten, aber denen der Weg nach Freising zu aufwendig ist. Wir haben neue Arbeitsplätze geschaffen, vom Ingenieur bis zu leichteren Arbeiten. Da waren wir sehr fleißig und gut. Und auf der anderen Seite hat das die Gewerbesteuer angehoben, das war mir immer sehr wichtig. Mit Geld hatte ich immer eine glückliche Hand.

Im Rückblick auf die vergangenen 24 Jahre: Was waren Ihre schlimmsten politischen Niederlagen?

Größere Niederlagen habe ich sicher keine gehabt, da kann ich mich nicht dran erinnern. Aber man muss auch sehen, dass ich in den vier Perioden immer die Mehrheit im Gemeinderat hatte. Mit der CSU hat man gut zusammengearbeitet. Kleinere Niederlagen gibt es natürlich immer wieder. Zum Beispiel habe ich mich mal drum bemüht, dass wir die Geschäftsstelle des Tourismusvereins Hallertau nach Au holen. Da hatte ich keine Chance, da haben die Landräte anders entschieden. Oder dass man Radwege, wie etwa den nach Haslach, wegen des Grunderwerbs nicht hat umsetzen können. Was mich schon überrascht, ist, dass ich im Wahlkampf lese, dass jetzt sechs Jahre Stillstand geherrscht habe. Nach dem, was alles passiert ist, kann man das nicht als Stillstand in Au bezeichnen. Mit den Grünen bin ich nicht grün geworden. Die haben mich nicht überzeugt mit ihrer Arbeit. Das hat sich jetzt auch im Wahlergebnis niedergeschlagen. Aber ich muss fairerweise sagen, dass das nichts mit der Partei zu tun hat. Ich habe von 1996 an mit Christian Magerl sehr gut zusammengearbeitet.

Was hat sich Ihrer Ansicht nach in den vergangenen 24 Jahren geändert?

Zunächst einmal haben sich die Abläufe alle geändert. Die Leute erwarten sich alles viel schneller, weil man ja die entsprechenden Medien dazu hat. Als ich angefangen habe, hatte ich noch gar keinen Computer und kein Handy. Das einzige moderne Medium war ein Faxgerät. Der Bürger hat immer kommen können und das haben die Leute in Anspruch genommen. Das war zwar anstrengend, aber man hat im persönlichen Gespräch etwas ausreden können. Das ist was ganz anderes, als wenn dir irgendeiner in einer E-Mail drei Sätze hinhaut, vielleicht auch noch eine kleine Beleidigung hinschreibt und das war's dann. Und man erwartet, wenn dir einer nachts um elf noch eine E-Mail schreibt, dass er in der Früh schon eine Antwort kriegt. Der persönliche Austausch, der für mich wertvoll war, ist einfach verloren gegangen. Da kommt es außerdem häufig zu Missverständnissen. Die Hektik ist größer geworden. Anspruchsdenken und Egoismus sind auch gewachsen. Das Ich ist mehr gewachsen als das Wir. Ich hoffe, dass das Wir-Gefühl wieder stärker ist, wenn wir aus der gegenwärtigen Krise kommen. Letztendlich waren das die Punkte, die mich am Ende sehr belastet haben und die dazu führten, dass ich das Amt nicht mehr ausüben kann.

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Wird man als Bürgermeister im Laufe der Jahre immer dünnhäutiger?

Am Anfang ist man nicht dünnhäutig und hat wenig Erfahrung. Das ist ganz gut, weil du dann die Sachen ganz anders anpackst. Je länger du die Arbeit machst und je mehr Erfahrung du hast, umso dünnhäutiger wird man.

Auf Wahlkampfveranstaltungen war die Rede davon, dass Au auf dem absteigenden Ast sei. Wirtschaften sperrten zu und es gebe kaum Freizeitmöglichkeiten. Wie sehen Sie die Entwicklung von Au?

Man kann sich selber totreden. Wir sind mit Wirtschaften immer noch gut versorgt. Die Wirtschaften müssen ja leben können von der ganzen Sache und das Nächste ist, dass die Arbeit jemand machen will. Was die Freizeitmöglichkeiten anbelangt, haben wir in der Hopfenlandhalle die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Sportarten und auch kulturelle Angebote. Man muss überlegen, was wir vor 25 Jahren hatten und was wir jetzt haben. Da kann man nicht nur immer ins Negative denken. Ich finde nicht, dass Au auf dem absteigenden Ast ist, weil wir uns ja bemüht haben, die Realschule hierher zu kriegen. Wenn etwa eine Brauerei an Chinesen verkauft wird oder ein Privater entscheidet, dass der Schlossbräukeller zugemacht wird, dann ist das nicht schön. Aber was für eine Möglichkeit hat dann die Politik? In Au haben wir einige Bürger, die haben es sich zum Hobby gemacht, alles totzusprechen. Auf Facebook wird dann fälschlicherweise geschrieben, dass der Bürgermeister schuld ist, dass der Schlossbräukeller zumacht oder der Zintl ( ehemalige Konditorei, Anm. d. Red.). Das Ehepaar hat keine Kinder, beide kommen ins Rentenalter, sind gesundheitlich angeschlagen und haben nur für den Betrieb gelebt. Ja, soll ich jetzt hingehen und sagen, dass sie weitermachen müssen? Das geht nicht. Es ist ja ein Nachfolger gefunden. Es geht weiter. Wer von Haus aus alles totredet, der ist doch gar nicht bereit, dass er etwas Neues aufnimmt. Ich habe immer versucht, alles gut hinzubringen. In den nächsten Jahren schaut es mit staatlichen Zuschüssen mau aus. Der Markt Au wird alle seine Projekte, die er angefangen hat, fertig machen können, weil er die entsprechenden Rücklagen hat. Ich stelle die Frage, was sind in den vergangenen sechs Jahren von den Grünen und der CSU für Vorschläge zur Verbesserung der Infrastruktur gekommen? Da kann ich mich an nichts groß erinnern. Das Rundum-Sorgenfrei-Paket von der Gemeinde zu kriegen, geht nicht immer.

Glauben Sie, dass die Corona-Krise ein Stück weit die Gesellschaft verändern wird?

Ich glaube, ganz wesentlich. Ich merke an mir selber, dass es mich verändert. Mein Blick richtet sich jetzt auf ganz Wesentliches im Leben. Da ist die persönliche Gesundheit, auf die ich in Zukunft viel mehr achten möchte. Wir müssen die Krise mit Solidarität angehen. Wir werden immer Einzelne haben, die nur sich selber sehen. Die Hilfen untereinander funktionieren - und höchsten Respekt vor den Leuten, die jetzt, auch im Ehrenamt, viel machen. Egal ob Feuerwehr, THW oder Ärzte und Krankenschwestern, sie müssen ja immer damit rechnen, dass sie sich anstecken. Das ist jetzt für uns alle eine Chance, aus diesem hohen Anspruchsdenken rauszukommen. Das gilt auch für das Thema Umwelt. Man muss nicht die ganze Welt bereisen und sich alles erfüllen. Es muss einfach ein Umdenken geben und ich glaube, das kommt. Das Wir-Gefühl, das Miteinander, das wird meines Erachtens gestärkt.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger Hans Sailer mit auf den Weg?

Das ist ein sehr ausgewogener Mensch. Er ist nervlich sehr stabil. Er hat den großen Vorteil, dass er sechs Jahre als Bürgermeister hat. Er soll sich seine Kräfte so einteilen, dass er die sechs Jahre auch für sich gut rumkriegt und die Erfüllung findet. Man soll ja auch erfüllt sein von der ganzen Arbeit. Er ist weitaus schlauer, dass er seinen Urlaub und seine Auszeiten nimmt. Das würde ich ihm ans Herz legen. Auszeiten sind das A und O. Das ist der große Fehler, den ich gemacht habe. Ich habe mir gedacht, ich muss immer da sein für die Gemeinde, doch dann kommt man schnell in das Hamsterrad. Und da bin ich, glaube ich, reingeraten.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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