Flüchtlinge in München:Wie die Bayernkaserne zum Vorbild werden könnte

Lesezeit: 3 min

Radlwerkstatt für Flüchtlinge in der Bayernkaserne (Foto: Florian Peljak)

Lange galt sie als Symbol für Versagen in der Asylpolitik. Doch in der Bayernkaserne hat sich viel verbessert.

Von Bernd Kastner

Hin und wieder liegt da ein Mensch im Dunkeln auf einer Parkbank. Es ist ein Flüchtling, der die Nacht im Freien verbringt. Einige solcher Fälle seien ihr in den vergangenen Monaten von Bewohnern Freimanns berichtet worden, erzählt Nina Diemer vom Heidetreff. Es handle sich dabei um Asylbewerber, die früher in der nahen Bayernkaserne untergebracht waren.

Von dort aus wurden sie weiter in eine Gemeinschafts- oder Notunterkunft geschickt, irgendwo in Bayern, mitunter sehr abgelegen. Weil sie sich an der Heidemannstraße wohler gefühlt hätten, seien sie zurückgekehrt. Eingelassen worden sind sie nicht, denn die Kaserne ist die Zentrale der Erstaufnahme in Oberbayern, hier verbringen Flüchtlinge nur die ersten Wochen.

Die campierenden Asylbewerber erzählen die Geschichte eines bemerkenswerten Wandels: Die Bayernkaserne war im vergangenen Herbst so überfüllt, dass sie bundesweit zum Synonym für das Asyl-Versagen Bayerns wurde - heute hat sie bei vielen Flüchtlingen offenbar einen guten Ruf. Dort leben sie nicht in Turnhallen wie in vielen Notunterkünften, sondern in Zimmern.

"Kontakt" ist das Zauberwort, um Konflikte zu vermeiden

Vor allem aber ist die Helfer-Infrastruktur in Freimann so gut wie sonst kaum wo. Die Gruppen, Organisationen und Behörden hinter diesen Angeboten arbeiten inzwischen vernetzt zusammen. Das dürfte ein Grund sein, warum sich unerwartete Begegnungen von Bewohnern mit Unbekannten in Grünanlagen nicht ausgewachsen haben zu einer Abwehrhaltung gegen die Schutzsuchenden. "Die Stimmung ist deutlich besser als vergangenes Jahr", sagt Diemer. Damals war die Aufregung groß, weil viele Flüchtlinge auf der Wiese vor der Kasernenmauer saßen.

Seit einem Jahr moderiert Regsam, das Regionale Netzwerk für Soziale Arbeit, die Zusammenarbeit der Helfer. Seither treffen sich Vertreter von gut 40 Einrichtungen und Ämtern regelmäßig, um Wissen und Erfahrung zu teilen. Weil das in Freimann so gut funktioniere, wolle man das Modell in andere Stadtviertel "exportieren", wo weitere große Flüchtlingsunterkünfte existieren oder geplant sind, sagt Johannes Michel von Regsam.

Kontakt. Das dürfte das Zauberwort sein, um Konflikte zwischen Flüchtlingen und Nachbarschaft zu vermeiden. Ist erst einmal der Kontakt hergestellt, sagt Diemer, "dann sind mit einem Schlag die Vorurteile weg". Der Gesprächsfaden zwischen Freimannern und Asylsuchenden ist derzeit wohl so stark wie nie. Die vielen Helfergruppen fungieren als Mittler zwischen drinnen und draußen, zwischen Kasernen- und Stadtteilbewohnern.

Julia Schmitt-Thiel, Leiterin der Mohr-Villa, beobachtet eine gewisse "Neugier" auf beiden Seiten auf den jeweils anderen. Entsprechend bringt sich auch das Freimanner Kulturzentrum in die Kontaktpflege mit ein. Es gehört zusammen mit dem Heidetreff zu den Dreh- und Angelpunkten des Miteinanders im Münchner Norden.

Neue Flüchtlingsunterkünfte in München
:"Wir kämpfen um jedes Objekt"

In München müssen immer mehr Flüchtlinge untergebracht werden. Zwar ist die Vorschlagsliste für neue Asylunterkünfte lang. Doch viele Anwohner und Bezirksausschüsse stellen sich quer.

Von Inga Rahmsdorf

Inzwischen haben auch die Behörden gelernt, wie wichtig Kooperation ist, seien es die Regierung von Oberbayern oder städtische Stellen. Wohnungs- und Jugendamt, Kommunal- und Gesundheitsreferat sowie Sozialbürgerhaus sitzen mit am Tisch, wenn Regsam einlädt.

Auch die Regierung mit ihrem Asyl-Manager Florian Schlämmer zeige sich kooperativ: "Der macht das richtig gut", lobt Regsam-Moderator Michel. Inzwischen öffne sich auch die Unterkunft in der Funkkaserne, die von einer Privatfirma betrieben wird, für Helfer aus der Umgebung; auch das sei mit ein Ergebnis des Regsam-Prozesses.

Flüchtlinge, die in einem Zug aus Verona angekommen sind, werden am Münchner Hauptbahnhof von der Polizei direkt zur neuen Registrierungsstelle am Hauptbahnhof geleitet. Hier hat die Regierung von Oberbayern nun auch das 'Easy'-Prozedere eingeführt, um die Aufnahme zu beschleunigen. Mit einem Shuttlebus können die Flüchtlinge anschließend zur Bayernkaserne weiterfahren Foto:Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Not der Flüchtlinge animiert weiterhin viele Münchner, aktiv zu helfen oder zu spenden. Was aber auch zu Missverständnissen und Enttäuschungen führen kann. So berichtet Michaela Jenne-Eiser, die als Fachkraft für "Frühe Hilfen" Flüchtlingskinder betreut, von einem Gönner, der 300 Mädchen und Jungen in den Circus Krone einladen wollte.

Das gut gemeinte Angebot mussten die Helfer ablehnen: Man könne Kinder, die gerade Traumatisches in der Heimat oder auf der Flucht hinter sich haben, nicht einfach so in eine aufregende Zirkusvorstellung schicken. Vom Transportproblem ganz zu schweigen.

"Ich hoffe weiter auf die Toleranz im Stadtviertel"

Überhaupt, die Mobilität. Es sei oft schwierig, mit einer größeren Gruppe einen Ausflug zu machen. Es fehlten größere Autos oder ausreichend Bus- und Bahntickets, sagt Tanja Wendl vom Caritas-Freiwilligenzentrum München Nord. Soll heißen: Entsprechende Angebote, vom Ticket bis zum Fahrdienst, seien immer willkommen.

Auch Ehrenamtliche, die sich in die Kleiderkammer stellen und dort die vielen Spenden sortieren. Kleider aller Art werden weiter dringend gesucht angesichts der vielen neu ankommenden Flüchtlinge. Gefragt sind auch Münchner, die sich mit Flüchtlingen zu Sprach-Tandems zusammentun, um miteinander Deutsch zu sprechen.

Unterkunft für Flüchtlinge
:Sprayer verschönern die Bayernkaserne

Die Bayernkaserne ist ein trister Ort für die Flüchtlinge, die dort leben. Nun soll das Leben dort etwas bunter werden - mit Hilfe von professionellen Grafitti-Sprayern und einem Fest an diesem Wochenende.

Von Franziska Koohestani

Gespannt sind die Helfer, wie sich das gerade eröffnete und schon überlastete Ankunftszentrum im Euro-Industriepark samt Zeltlager auf die Umgebung auswirkt: "Ich hoffe weiter auf die Toleranz im Stadtviertel", sagt Schmitt-Thiel. Nina Diemer wünscht sich, dass den Behörden dort eine Art Früherkennung gelinge. Dass besonders verletzliche Personen, also Behinderte, Kranke, Schwangere, gleich erkannt und in geeignete Unterkünfte geschickt werden.

Von langer Dauer ist kaum etwas im Asylbereich. So, wie die Menschen in der Bayernkaserne kommen und gehen, so verschwinden Unterkünfte wieder. Bald auch die Kaserne selbst. Ende 2016 sollen die Asylsuchenden ausziehen, die Stadt will die Gebäude abreißen und das Areal neu bebauen. "Schade, wenn sie die Kasernen zumachen", sagt Julia Schmitt-Thiel.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: